Wir bluten, seht her!

Die Monatsblutung ist noch immer mit Scham behaftet. Das ist kein Zufall, sondern hängt mit patriarchalen Strukturen zusammen. Die neue Folge der Reihe NO SHAME SESSIONS des schwankveiber-Podcasts widmet sich den unverblümten Erfahrungen von und mit Menstruation. Es geht um Leistbarkeit von Periodenartikel, Werbung mit der blauen Flüssigkeit und Männer, die ihre Probleme und Lösungen zum Thema an Frauen* verkaufen wollen.

Text: Katrin Weber

Jeden Tag menstruieren ca. 800 Millionen Menschen, zeitgleich sinkt das Durchschnittsalter der ersten Periode. Menstruation bedeutet für viele Frauen* das Vermeiden heller Kleidung im Schulalltag, veränderte Blicke des sozialen Umfelds und geheime Übergaben unzähliger Tampons im öffentlichen Raum. Woran liegt das?

Geheimhaltung und Gendermarketing

Jahrhundertelang haben Politik, Popkultur und Produkte einen hygienischen und diskreten Umgang mit Menstruation gefördert. Menstruation entwickelte sich zu einer gesellschaftlichen Unannehmlichkeit. Auch für die Thematisierung von Regelschmerzen war fortan kein Platz mehr. Heute gelten Schmerzen während der Periode als normal. Das führt mitunter dazu, dass sich Frauen* bei Beschwerden keine ärztliche Hilfe suchen und beispielsweise Endometriose unbehandelt bleibt.

Männliche Herrschaftsstrukturen haben ein Interesse an Geheimhaltung, Gendermarketing und Ignoranz. Sie zu erkennen hilft, die verinnerlichte Scham in Bezug auf Menstruation zu hinterfragen. Bei der Auseinandersetzung mit dieser Scham geht es nicht darum, eine richtige Darstellung oder eine einzige Wahrheit zu finden. Vielmehr geht es darum, das Bewusstsein für die Vielfalt von Erfahrungen, Schmerzbildern und Strategien in Bezug auf die Periode zu schärfen. Und inklusiv davon zu sprechen, dass nicht alle Frauen* menstruieren und nicht alle, die menstruieren, Frauen* sind.

Das Geschäft mit der Scham

Wie eng die kapitalistische Marktlogik mit patriarchaler Bevormundung zusammenhängt, wurde vor kurzem im deutschen Fernsehen deutlich. Männer werden in der Verteilung von externem Kapital eher gefördert, Frauen* gründen seltener Unternehmen. Das hat Einfluss darauf, welche Produkte es für Frauen* gibt und wie sie präsentiert werden. Zensierte und inszenierte Körper – und ihre Funktionen – gehören in die Werbung, wie das Amen in die Kirche.

Mit der Darstellung von Periodenartikel, die eine blaue Flüssigkeit aufsaugen, wurde erstmals 2017 in einem Werbespot gebrochen. Neben der Verdrängung von rotem Menstruationsblut wurde das englische Wort period in einer Tampon-Werbung 1985 erstmals ausgesprochen. Auf Kosten von Menstruierenden wurden Sprache und Bild so viel zu lange unsichtbar gemacht. Die Menstruation ist und war eine mächtige Waffe und Kontrollmechanismus für patriarchale Interessen.

Unbloody Mary

Das negative Licht der Menstruation ist historisch gewachsen und wesentlich durch Religionen bestimmt. Im Zuge unzähliger Erklärungsversuche wurden dem Menstruationsblut enorme Einflüsse auf die lebende und materielle Welt nachgesagt. Egal ob Metalle, Pflanzen, Lebensmittel, Tiere oder Menschen durch den bösen Blick von Menstruierenden konnten sie erkranken, schlecht werden oder Schlimmeres. Ein drastisches Beispiel ist das Menotoxin, das sogenannte Menstruationsgift. Neben seiner Schädlichkeit wurden ihm auch magische Kräfte unterstellt. Dieses angebliche Gift im Schweiß und Blut von Menstruierenden wurde bis in die 1970er-Jahre wissenschaftlich diskutiert. Der Glaube an diese fast übermenschlichen weiblichen Kräfte ist heute in veränderter Form an verschiedenen Orten oder Ritualen zu finden.

Religiöse Institutionen legten fest, was Sünde ist. Sexualität war eine davon. Da Menstruation und ihre Abwesenheit klare Anzeichen für sexuelles Verhalten darstellen, gab es nur einen kausalen Zusammenhang in der biblisches Entstehungsgeschichte: Die Menstruation als Strafe Gottes für Evas Sündenfall. Die heilige Maria war davon ausgenommen, laut Theologen menstruierte sie nie.

Rot, rot, rot sind alle meine Tage

Frauen* haben fortdauernd Lösungen und Ideen für den Umgang mit Menstruation gehabt und ausprobiert. In verschiedensten kulturellen Kontexten gab es Menstruationskleidung und hygienische Hilfsmittel, um das Regelblut aufzusaugen. Das älteste gedruckte medizinische Dokument, Papyrus Ebers, verweist auf die Verwendung von weichen Papyrustampons durch ägyptische Frauen im 15. Jahrhundert v. Chr.
Römische Frauen* benutzten Tampons aus Wolle. Im alten Japan wurden Tampons aus Papier hergestellt. Traditionelle hawaiianische Frauen* benutzten den pelzigen Teil eines einheimischen Farns namens hapu’u; und Gräser, Moose und andere Pflanzen werden immer noch von Frauen in Teilen Asiens verwendet.

Angestoßen durch die Industrialisierung, die Entstehung der Mittelschicht und des Massenkonsums, kamen 1890 die ersten kommerziellen Periodenartikel auf den Markt. Zeitgleich dämmten moralische Tabus rund um Menstruation den Kauf und die Nachfrage ein. Zum Glück konnte die technologische Innovation nicht gänzlich durch diese kulturellen Normen aufgehalten werden. Der erste moderne Tampon wurde von Earle Haas 1931 konzipiert und patentiert. Die Idee für den Tampon kam von seiner Bekannten, die einen Schwamm in der Vagina benutzte, um den Menstruationsfluss aufzusaugen.

Ende Blut, alles Blut

Heute sind Menstruationsprodukte eine weltweite Multi-Milliarden-Dollar-Industrie. Und wir wissen, dass negative und schamvolle Bilder und Geschichten Einfluss darauf haben, wie gesellschaftlich mit der Periode umgegangen wird. Es ist notwendig, mächtige Konzerne zu kritisieren, die feminist-, social- oder green-washing betreiben. Und für die Abschaffung von hohen Steuersätze auf Menstruationsartikel zu kämpfen.

Junge Menschen brauchen mehr Informationen über Alltagspraktiken, Schmerzmilderungen und psychische Auswirkungen der Menstruation. Wir müssen Menstruierende, leistbare und sinnvolle Produkte sowie realistische Bilder in der Debatte stark machen. Dadurch können wir uns von der jahrhundertelangen indoktrinierten Abscheu befreien und Menstruierende echtes Empowerment und Solidarität erleben.

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