Don’t Gas Africa: “Wir brauchen eine Energie-Revolution”

Anti-Gas-Protest vor African Energy Week

Lorraine Chiponda und Dean Bhebhe von der Kampagne „Don’t Gas Africa“ erzählen im Vorfeld der Power to the People Konferenz von ihrem Kampf gegen fossile Energien.

Kommendes Wochenende findet in Wien die Power to the People-Konferenz statt. Wer „Power to the People“ mit rhythmischem Klatschen, den 60ern und John Lennon assoziiert, liegt hier falsch. Die Konferenz ist eine Gegenveranstaltung zur Europäischen Gas Konferenz in Wien. Während Politiker:innen und Unternehmer:innen auf der Gas Konferenz über die Energieversorgung Europas diskutieren, geht es der Zivilgesellschaft auf der Power to the People-Konferenz um demokratische Prozesse, eine klimagerechte Welt und das Ende von Kriegen.

Mit dabei – sollte der österreichische Staat ihre Visa bewilligen – Vetreter:innen der Kampagne „Don’t gas Africa“, die sich für ein Ende fossiler Energien in Afrika einsetzen. Mitorganisator:innen Lorraine Chiponda und Dean Bhebhe schalten sich im Vorfeld der Konferenz für ein Videointerview aus Zimbabwe und Südafrika zu, um mit mosaik über die afrikanische Energie-Debatte, Begriffe wie „Energie-Apartheid“ und globale Kooperationen für Klimagerechtigkeit zu sprechen.

mosaik: Don’t gas Africa besteht aus zivilgesellschaftlichen Bewegungen mit unterschiedlichsten Schwerpunkten aus ganz Afrika. Wie seid ihr dazu gekommen, euch zusammenzuschließen?

Lorraine Chiponda: 2021 waren wir noch voller Hoffnung. Nach der COP 26, der UN-Klimakonferenz, hatten sich viele Länder dem Ende von Kohle verschrieben – eine grüne Energiezukunft schien greifbar.

Dean Bhebhe: Dann gab es aber drei Schlüsselereignisse, die dazu geführt haben, unsere Kampagne zu starten. Zuerst fand ein SEforAll-Gipfel (Sustainability for All; Nachhaltigkeit für Alle) statt, der Gas- und Atomenergie als prioritäre Energiequellen für Afrika pushte. Bald darauf begann die Energiekrise in Europa. Die Europäische Union änderte ihre Steuerbestimmungen, so dass Gas- und Atomenergie in bestimmten Fällen als grüne Investments gelten können. Und dann gab es ein Bündnis innerhalb der Afrikanischen Union, das sich zum Ziel setzte, einen gemeinsamen Vorstoß zu Gunsten fossiler Energien auf dem COP 27 zu machen.  

In dem Moment erkannten wir, dass sich Afrika gerade an einem Scheideweg befindet. Auf der einen Seite sitzen Öl- und Gas-Industrie, ausländische Regierungen und die afrikanische Elite, die versuchen, ihre Agenda durch verschiedene Institutionen zu verwirklichen. Auf der anderen Seite wir. Diese Verdichtung von Ereignissen anzugreifen, sahen wir als eine Chance.

Lorraine Chiponda: Bei der Gas-Extraktion in Afrika geht es nicht nur um steigende Emissionen. Es geht um den Verlust von Lebensgrundlagen, gewaltvolle Umsiedelungen, Verarmung, Wasserknappheit. Don’t Gas Africa wurde zu einem gemeinsamen Kampf der unterschiedlichen Gruppen, die sich aus verschiedenen Gründen gegen fossile Energien einsetzen.

Du sprichst die Folgen der Gas-Förderung an. Auf eurer Website beschreibt ihr Klima-Politiken in Afrika als „Energie-Apartheid“. Was versteht ihr darunter?

Lorraine Chiponda: Das geförderte Gas ist zu großen Teilen nicht für Afrika-, sondern für den Export bestimmt. Trotz der vielen Energieprojekte auf dem afrikanischen Kontinent herrscht fast überall Energiearmut. Die afrikanische Bevölkerung wird von ihren eigenen Ressourcen ausgeschlossen und dann mit den Klimaschäden zurückgelassen.

Als Charakteristika von Kolonialisierung und Apartheid verstehen wir unter anderem, dass afrikanische Menschen von demokratischen Prozessen ausgeschlossen wurden, umgesiedelt wurden und als Arbeitskräfte missbraucht wurden. All das passiert immer noch.

Werfen wir einen Blick nach Saint-Louis in Senegal. Das Mineralölunternehmen BP nimmt Menschen dort ihre Lebensgrundlagen und -räume, um Gas zu fördern. Die Wünsche der dortigen Community ignoriert es, stattdessen beruft es sich auf Absprachen mit der Regierung. Erst letzte Woche haben uns Berichte erreicht, laut denen BP Fischerboote der lokalen Bevölkerung zerstört hat. Die Fischer hatten versucht, ihre Fischereigründe zurückzufordern – durch den BP-Standort hatten sie ihre Lebensgrundlage verloren.

Dean Bhebhe: Der Sprint auf Gas ist ein politisches Thema, ein Thema demokratischer Kontrolle. Wenn wir die Energie-Debatte führen, sollte die afrikanische Bevölkerung im Zentrum der Debatte stehen. Dazu muss auch die europäische Politik endlich aufhören, Afrikas Energiequellen auszunutzen. Damit Afrika dekolonialisieren kann, muss es dekarbonisierien.

Fordert ihr deswegen eine „Energie-Demokratie“?

Dean Bhebhe: Ja. Energie-Demokratie gibt es momentan nicht. Deswegen brauchen wir auch eine Energie-Revolution. Einen von Menschen geleiteten Prozess, der schnelle, soziale, ökonomische und politische Veränderung bringt, um Energie-Demokratie in ganz Afrika zu schaffen.

Ihr kritisiert, dass beinahe die Hälfte der Menschen in Afrika wegen dem Fokus auf fossile Energien keinen Zugang zu modernen Energiequellen hätte. Wäre das denn wirklich anders, wenn sich Afrika mehr auf erneuerbare Energien konzentrieren könnte?

Lorraine Chiponda: Das ist natürlich von Land- zu Land unterschiedlich, aber ein großer Teil der Menschen auf dem afrikanischen Kontinent lebt in ländlichen Gebieten. Diese Gebiete erreichen nur erneuerbare Energieformen. Wenn wir die umsetzen, ermächtigen sie Communities, sich ihre eigenen, lokalen Energiequellen anzueignen. Diese Dezentralisierung ermöglicht es den Menschen, den Energiehaushalt vor Ort selbst zu kontrollieren.

Ein weiterer wichtiger Punkt, den es immer wieder zu unterstreichen gilt: Afrika ist durchaus in der Lage, eine Vorreiterrolle im Bereich erneuerbarer Energien zu spielen. Afrika hat immense Ressourcen und ist nicht nur ein „Opfer des Klimawandels“.

Eure Bewegung hat offene Briefe geschrieben. Einerseits an afrikanische Minister:innen – sie habt ihr aufgefordert eine gemeinsame Position jenseits fossiler Energien zu finden – und an die Europäische Kommission, die ihr aufgefordert habt, alle Deals, die die Gasproduktion in Afrika steigern zu beenden und stattdessen gemeinsam mit Afrika in erneuerbare Energie zu investieren. Habt ihr darauf Reaktionen erhalten?

Dean Bhebhe: Nein, wir haben weder eine schriftliche noch eine mündliche Antwort erhalten.

Lorraine Chiponda: Es gab einen kleinen Sieg auf dem COP 27 – die Afrikanische Union hat nicht öffentlich Position für die vermehrte Förderung von Gas bezogen, wie ursprünglich geplant. Gleichzeitig steigt die Anzahl der Gas-Projekte in den letzten Jahren aber immer mehr, im Senegal, Namibia, Zambia…

Ihr habt bereits im Oktober den Protest gegen die „African Energy Week“ in Südafrika organisiert, eine ähnliche Konferenz wie der Europäische Gasgipfel. Wo seht ihr Gemeinsamkeiten und Unterschiede?

Dean Bhebhe: Auf der African Energy Week waren viele Politiker:innen und Firmen vertreten. Die Idee hinter der Konferenz war, wie sie es formulierten, eine gemeinsame Position gegen die europäische Energiewende und eine eigene Lösung für die Energiekrise zu formulieren. Sie nutzten eine Rhetorik, als würden sie sich für soziale Gerechtigkeit einsetzen. Ihrer Meinung nach ist, was Afrika braucht, Investitionen in Kohle, Öl und Gas.

Im Sinne der afrikanischen Menschen ist das nicht. Es ist nicht im Sinne der Menschen in Saint-Louis in Senegal, wo 80 Prozent der Menschen jetzt unter Ernährungsunsicherheit leiden. Nicht im Interesse der Menschen in Limpopo in Südafrika, wo viele wegen der Förderung fossiler Energien umgesiedelt wurden. Es ist nicht im Interesse unserer Kamerad:innen in Mozambik, die täglich aufgrund der Folgen der Gas-Förderung sterben. Bestimmt nicht im Sinne der Menschen im Niger-Delta, deren Ökosystem wegen Gas zu Grunde gegangen ist. Nicht im Interesse der Menschen des Bezirks Keta in Ghana, die ihre Lebensgrundlagen wegen der zerstörten Fischereigebiete verloren haben. Nicht im Sinne der Menschen in Malawi, die gerade Überschwemmungen wegen der Klimakrise erleben. Diese Energiewende, die sie propagieren, ist nicht die „Afrikanische Agenda“.

Konferenzen wie die African Energy Week oder die Europäische Gaskonferenz sind Kriegserklärungen an die afrikanische Energiesicherheit.

Wie liefen die Proteste in Kapstadt denn ab?

Dean Bhebhe: Gut, die Konferenzteilenehmenden haben sich aber nicht um uns geschert. Sie haben uns Essen angeboten, das war lächerlich.

Wie können wir uns das vorstellen?

Dean Bhebhe: Wir haben vor den Gebäuden der Konferenz demonstriert und sie haben die Kellner:innen angewiesen, uns Tabletts mit Sandwiches, Saft und Wasser zu bringen. Zu einem Gespräch haben sie uns nicht eingeladen. Das Essen haben wir nicht angenommen. Wir essen kein schmutziges Geld.

Warum habt ihr euch jetzt dazu entschieden, an den Protesten gegen die Europäische Gaskonferenz teilzunehmen?

Dean Bhebhe: Afrika ist ein ressourcenreicher Kontinent und wird bestimmt Thema auf der Gas Konferenz sein. Wieder wird also über Afrika gesprochen, ohne die Bevölkerung miteinzubeziehen. Wir wollen klar machen, dass die Maßnahmen, die auf diesem Gipfel diskutiert werden, dem afrikanischen Kontinent in keiner Weise helfen. Und wir möchten Afrikas Möglichkeiten aufzeigen.

Lorraine Chiponda: Wir wollen zeigen, was Afrika braucht und was die Welt braucht. Wir suchen Solidarität von europäischen Gruppen, damit wir gemeinsam das Narrativ einer fairen Energieentwicklung vorantragen können. Die Agenda der fossilen Energien ist weder die der europäischen noch der afrikanischen Menschen, sondern die der Konzerne und Eliten, die davon profitieren.

Uns ist bewusst, dass Europa gerade eine Krise durchläuft. Aber es gibt viele andere wichtige Aspekte, denen wir ebenfalls Aufmerksamkeit schenken müssen.

Wie stellt ihr euch die Kooperation afrikanischer und europäischer Kämpfe für erneuerbare Energien vor?

Lorraine Chiponda: Ein gemeinsamer Kampf wäre unser Ziel. Es gibt bereits viele Gruppen in Europa, die für Energiegerechtigkeit kämpfen. Gemeinsam könnten wir so viel mehr erreichen und alternative Lösungen präsentieren. Es gibt ein afrikanisches Sprichwort: „Ich bin – weil du bist“. Das ist ein Konzept, das wir unseren europäischen Kamerad:innen näher bringen wollen.

Interview: Sarah Yolanda Koss
Foto: espinozr

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