Mit diesen 5 Punkten verstehst du die Bankenkrise

Bank

Neben FED und EZB lenkt vor allem eines den Finanzmarkt: Nervosität. Bibi Ka versucht zu beunruhigen.

1. Die Zentralbanken entscheiden aktuell zwischen Preiskrise oder Wirtschaftskrise

Die Finanzwelt verfolgt gerade jeden noch so kleinen Huster von FED (US-amerikanische Zentralbank) und EZB (Europäische Zentralbank). Das liegt daran, dass diese eine immer wichtigere Lenkungsfunktion haben: Beschließen sie niedrigere Zinsen, können sich Unternehmen, Staaten und Private günstiger Kredite holen, und geben dieses Geld aus. Man spricht davon, dass die Zentralbank „Geld in den Markt pumpt“. Es ist Kreditgeld. Das kurbelt die Wirtschaft an – zumindest theoretisch. Seit der Finanzkrise gab es niedrige Kreditzinsen. Die weltweite Verschuldung ist daher so hoch wie nie. Trotzdem sanken Investitionen und Produktivität, das Wachstum stagnierte  – und damit die Lust, Waren zu produzieren. Und danach kamen erst Lieferkettenengpässe und der Krieg.

Viel Geld im Markt, viel Nachfrage aber wenig Angebot – das führt zu Preissteigerungen. Um diese Inflation zu bekämpfen, versuchen Zentralbanken einen Kurswechsel zur Niedrigzinspolitik: Nachfrage senken und Geld „aus dem Markt ziehen“. Das machen sie durch Zinserhöhung. Dadurch werden Kredite für Staaten, Unternehmen und Private wieder teurer. Sie müssen bestehende Schulden zurückzahlen, anstatt einfach einen neuen Kredit dranzuhängen. Und haben dadurch weniger Geld zur Verfügung, um zu investieren, zu produzieren, zu konsumieren. Die Zentralbanken „bremsen“ alle WirtschaftsteilnehmerInnen also gezielt, und nehmen sogar eine kleine Rezession in Kauf. Denn dann bremsen sich höchstwahrscheinlich auch die Warenpreise wieder ein. 

Ist der weltweite Schuldenstand aber einmal so hoch wie aktuell, kann jede Zinserhöhung die Kreditbedingungen so verschlechtern, dass SchuldnerInnen zahlungsunfähig werden. Zinsschritte waren schon Trigger für die Wirtschaftskrise 1980 und für die Japankrise 1990. Bei jedem Schritt besteht aktuell die Gefahr, dass er zu viel ist, und die Welt in eine Kreditkrise stürzt. Aber erhöht die Zentralbank die Zinsen nicht, bleibt nach gängigem Verständnis die Inflation hoch. Ein dramatisches Dilemma, wie es nur ein sehr dummes Wirtschaftssystem hervorbringen kann.

2. Diesmal ist die Liquidität das Problem. Liqui… was?

Punkt Eins ist Hintergrund für die derzeitige Mini-Banken-Krise. Die 16.-größte US-Bank, die Silicon Valley Bank, hatte viele Bankeinlagen von Start-Ups. Im Zuge der Zinserhöhungen nahmen diese Geld aus der Bank. Weil sie es brauchten, und/oder weil es bei höheren Zinsen lukrativer ist, Anleihen oder Geldmarktfonds zu kaufen, als es auf der Bank zu haben. Alles, was danach in den Medien kompliziert klingt – die Bank musste Wertpapiere plötzlich anders bilanzieren, neues Kapital konnte nicht beschafft werden – sind nur Folgen. Die Bank hatte zu einem bestimmten Zeitpunkt einfach nicht genug Geld flüssig (liquide), um die KundInnen auszuzahlen.

Als der Markt davon Wind bekam, breitete sich das Misstrauen in die gesamte Bankenwelt aus. Drei weitere Finanzinstitute wurden fast zeitgleich illiquide. So brauchte es auch nicht viel, um die kapriziöse Bank Credit Suisse in ein Problem zu manövrieren. Dort hatte es schon seit Ende 2022 gebrodelt – über das Jahr hinweg hatten große KundInnen aus Misstrauen 120 Milliarden USD Einlagen abgezogen. Nun rutschte der Kurs der Credit Suisse so ab, dass es zu einem „Bank Run“ kam: Alle wollten schnell ihr Geld in Sicherheit bringen. Wenn das passiert, ist jede (!) Bank binnen Stunden pleite.

3. Was gleich wie- und was anders als 2008 ist

Anders als 2008 geht es also nicht um faule Kredite, um mangelnde Bonität von SchuldnerInnen und um windige Derivate. Die Silicon Valley Bank hatte vor allem sichere Staatsanleihen. Es geht aktuell um Liquidität. Muss eine Bank auf die Schnelle zu viel zahlen, wird sie zahlungsunfähig.

Die Nervosität der Märkte ist sehr viel höher als 2008. Eine strenge Bankenregulierung soll beruhigen. Sie müssen viel mehr Eigenmittel halten (das ist Vermögen, das der Bank wirklich kurzfristig zur Verfügung steht, z.B. die Einlagen ihrer AktionärInnen). Sie müssen Liquiditäts-Puffer halten und ihr Geschäftsmodell wird laufend gescreent.

Und doch ist einiges ganz genauso wie 2008. Der aufgeblasene Immobilienmarkt beispielsweise, dessen Preise in vielen Ländern gerade sinken – vor allem jene von Geschäftsimmobilien. Wenn gleichzeitig die Zinsen steigen, bringt das variabel (also nicht fix-) verzinste Kredite in die Bredouille. Und damit ihre Banken. Hinzu kommt, dass Banken weiter massig Wertpapiere auf Immobilienkredite halten, insbesondere Mortgage Backed Securities (hypothekenbesicherte Wertpapiere). Diese waren maßgeblicher Auslöser der Finanzkrise.

Doch langsam werden auch die Bonitäten von Unternehmen, Staaten und Privaten angesichts inflationärer Kosten und teurer Kredite wieder zum Problem. Hier ist es nur eine Frage der Zeit, wann die ersten Unternehmen zahlungsunfähig sind, und ihre LieferantInnen, deren ArbeitnehmerInnen, und all deren Banken mitrunterziehen. Die Zahlungsunfähigkeit von Staaten wie Ghana oder Sri Lanka ist  bereits auf einem Rekord-Wert.

4. Banken und Realwirtschaft sind gekoppelt

Wir sehen also, der Finanzmarkt tanzt zwar oft seinen eigenen Tango. Aber immer aufbauend auf die „reale“ Sphäre. WEIL in den letzten zehn Jahren nicht so profitabel produziert werden konnte, floss viel Geld in den Finanzmarkt. WEIL Immobilienpreise sinken, wackeln Kredite, wackeln Wertpapiere. WEIL Start-Ups wieder mehr Cash benötigen, wackeln die Einlagen bei einer Bank.

Was hingegen entkoppelt wirkt, sind die selbstverstärkenden Effekte. Eine Befürchtung, eine unbedachte Äußerung wichtiger MarktvertreterInnen, können Tatsachen schaffen. Die Deutsche Bank erlebte gerade einen Kursverlust von 15 Prozent, einfach weil ein paar SpekulantInnen und der Markt einander mit der Angst gegenseitig abwärts trieben. Mit realen Fakten in der Bank hatte das nichts zu tun.

Auch von großen Unternehmen wie Tesla wirken die Börsekurse häufig entkoppelt. Weil seit Jahren so viel Geld im Finanzmarkt unterwegs ist, das im Niedrigzinsumfeld verzweifelt Profite suchte, sind einige Unternehmenswerte durch Spekulation massiv aufgeblasen. Diese können sich genauso massiv wieder „korrigieren“. Das könnte Banken, aber vor allem große Publikums-Fonds ins Taumeln bringen, die in den letzten Jahren sehr stark auf genau solche Werte gesetzt haben. Was ein Unternehmen wirklich wert ist, ist genauso „real“, wie spekulativ.

5. Na gut, niemand versteht die Bankenkrise

ExpertInnen sind sich uneinig, ob es in den nächsten Monaten erst richtig los geht. Das ist abhängig davon, welche Banken und Fonds ähnliche Liquiditätsprobleme bekommen können; was davon abhängig ist, ob weiter Einlagen abgezogen werden. Aber z.B. auch davon, ob die Zinserhöhungen die älteren, schlechter verzinsten Wertpapiere von Banken und Fonds abwerten und diese Verluste in den Bilanzen realisiert werden müssen. Allein für US-Bankbilanzen werden unrealisierte Verluste derzeit auf 620 Milliarden USD geschätzt. Eine Ansteckung ist dann davon abhängig, wer wo drinsteckt. Die letzten zwei Wochen waren MitarbeiterInnen bis hinauf zur Weltbank damit beschäftigt, herauszufinden, ob die Credit Suisse Geld hat. All das kann – anders als 2008 – Monate dauern. Eine langsam rollende Krise wird befürchtet.

Nichts ist so reguliert und zugleich intransparent wie der Finanzmarkt. Nur die BankenaufseherInnen kennen ungefähr die großen KundInnen, Kredite und Wertpapiere einer Bank. Die Öffentlichkeit, die Politik, kennt sie nicht und muss sich ihren eigenen Reim drauf machen. Auch aus einer Bilanz gehen die Risiken einer Bank nicht hervor. Wozu haben wir das alles dann? Daher: Nimm diese fünf Punkte, erfinde fünf neue und erzähl sie fünf FreundInnen weiter. Mal schauen, ob du damit eine Bank zu Fall bringst.

Autor

 
Nach oben scrollen