Europäischer Polizeikongress: Wenn Polizei und Konzerne unsere Zukunft planen

Am 21. und 22. Februar findet in Berlin der Europäische Polizeikongress statt – organisiert von einer privaten Verlagsgesellschaft, dem Behörden Spiegel. Es ist ein Vernetzungstreffen von Führungsebenen aus Politik, Behörden und Vertreter*innen der IT-, Technologie- und Sicherheitsindustrie. Damit werden vor allem kapitalistische Interessen und autoritäre Politik befördert. Laura Grubner und Eva Riedelsheimer haben sich den Kongress für mosaik genauer angesehen.

Als selbsternannte größte Tagung für innere Sicherheit lädt der Europäische Polizeikongress dieses Jahr zum zwanzigsten Mal nach Berlin. Circa 1.500 ausgewählte Teilnehmer*innen erwarten Beiträge rund um die Frage „Europa – grenzenlos? Freiheit, Mobilität, Sicherheit“. Ein Blick ins Programm zeigt schnell, wie diese Themen betrachtet werden: Unter dem Deckmantel terroristischer Bedrohungsszenarien werden Datensammlung und Datenverarbeitung zur besseren Überwachung von Individuen, öffentlichen Plätzen und insbesondere Staatsgrenzen vorangetrieben. Fachvorträge loten zum Beispiel die Verwendung von Massendaten, verbesserter Gesichtserkennung und Fluggastdaten als neue Mittel der Polizeiarbeit innerhalb und außerhalb nationalstaatlicher Grenzen aus.

Der Polizeikongress als innen- und außenpolitische Vernetzungsstelle

Die Redner*innenliste zeigt die politische Stoßrichtung, die die zukünftige Polizei- und Armeearbeit nehmen soll. Auf dieser findet sich die Prominenz der rechts-konservativen Innen- und Europapolitik. Unter ihnen der deutsche Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), der österreichische Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) und der EU-Kommissar für Migration, Inneres und Bürgerschaft, Dimitris Avramopoulos (Nea Dimokratia). Alle drei sind nicht zuletzt für ihre Tendenz zu autoritärer Politik bekannt, zum Beispiel mit der Forderung nach Einschränkung des Demonstrationsrechts oder schnelleren Abschiebeverfahren. Durchgesetzt werden derlei Ideen von Polizei, Militär und Geheimdiensten. So trifft am Kongress zum Beispiel der Präsident des deutschen Geheimdienstes auf die Leitung der niederländischen, britischen und schweizerischen Polizei; bei Kaffee und Kuchen schütteln sie dem Frontex-Direktor die Hand.

Mehr Überwachung – mehr Sicherheit?

Dass sich der Polizeikongress vor allem um Fragen digitaler Überwachungsstrategien dreht, ist nicht überraschend. Unter dem Deckmantel der Sicherheit beschäftigt sich die Politik schon länger mit der Nutzung von privaten Daten. Die Themenfelder des Kongresses – Terrorismus und Migration – zeigen klar, wer überwacht werden soll. Schon im Einladungstext zur Tagung ist vom sogenannten „Flüchtlingszustrom“ und der „latenten Terrorgefahr“ die Rede. Im Eröffnungsblock und in mehreren Einheiten zu digitalen Techniken der Terrorismusbekämpfung wird weiter deutlich, dass vor allem geflüchtete und migrierte Personen kriminalisiert werden. Überwachung dient damit vor allem der Kontrolle und Repression gewisser Personengruppen.

Wer profitiert von der Überwachung?

Politische Mittel wie der Ausnahmezustand ermöglichen, dieses Feindbild jederzeit zu einem Generalverdacht auszuweiten und damit flächendeckende Überwachung zu ermöglichen. Durch die Speicherung von Telefon- und Emailverbindungsdaten können Persönlichkeits- und Bewegungsprofile erstellt sowie soziale Netzwerke sichtbar gemacht werden. Hinter diesen Prozessen steht bereits ein riesiges kapitalistisches Unterfangen, welches sich Kommunikationsindustrie nennt. Personenbezogenen Daten zu kaufen und verkaufen ist schon jetzt ein profitables Geschäft. Nun sollen die gleichen Daten staatlichen Behörden nutzen, um die Bevölkerung umfassend zu überwachen.

Daher ist es kein Zufall, dass Unternehmen diese Art der Datennutzung als neues Geschäftsmodell entdecken. In einer begleitenden Ausstellung präsentieren circa hundert solcher Kommunikationsfirmen spezifisch für die Polizeiarbeit entwickelte Technologien, wie Software, Apps und Ausrüstung. Mit dabei sind namhafte Konzerne wie IBM, die „intelligente Videoanalysen“ und „automatisierte Sprach- und Gesichtserkennung“ bewerben. Ein Vertreter von Microsoft stellt sich selbst als Freund und Helfer der Polizei dar, wenn er in einem Vortrag über „Industriepartnerschaften für ein sicheres Europa“ spricht. Auch Vodafone, Bosch und Mercedes finanzieren den Kongress mit einer Beteiligung an der Ausstellung.

Vom Marketing zur Überwachung

Die Grenze zwischen jenen Daten, die für gewinnorientierte Zwecke genutzt werden, und jenen, die für Repressionsorgane von Interesse sind, ist fließend und undurchsichtig. Smarte Technologien, die als Erleichterung des alltäglichen Lebens verkauft werden, bieten der Polizei in Zukunft die effizienteste Methode der Überwachung. Im autoritären Trend besteht die Gefahr, dass Überwachung, Kontrolle und Repression zu Selbstläufern werden. Dass die umfassende Kontrolle jede*n betrifft, sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Repression auf spezifische Gruppen abzielt. Der 20. Europäische Polizeikongress macht deutlich, wie sehr sich autoritäre Politik, behördliche Repression und wirtschaftliche Interessen gegenseitig stärken.

Laura Grubner hat Politikwissenschaften in Wien studiert. Derzeit studiert sie in Berlin.

Eva Riedelsheimer hat Internationale Entwicklung und Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaften in Wien studiert. Derzeit studiert sie in Berlin.

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