Wohnungen statt Lager!

Ein Mitschnitt des LINKSTalks vom 16. Mai 2020.

Die Situation in Lagern für geflüchtete Menschen in Österreich ist wieder in den Blick der breiten Öffentlichkeit gerückt. Auslöser waren Berichte über skandalöse Zustände in Bergheim, Traiskirchen, Erdberg und kürzlich in den Wiener Messehallen im Zusammenhang mit der Corona-Krise. Bislang trauriger Höhepunkt der Situation ist eine Person, die an Covid-19 im Lager von Traiskirchen verstorben ist. Wochenlang wurden dort zuvor Menschen einem hohen Infektionsrisiko ausgesetzt.

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Proteste Geflüchteter während der Covid-19-Quarantäne in Wiener Messehallen, Mai 2020. Credits: Veröffentlicht durch die Initiative gegen Rückkehrzentren, fotografiert von Geflüchteten in Quarantäne
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Das Problem ist jedoch alles andere als neu: Lager machen krank. Körperlich wie psychisch. Eine demokratische Gesellschaft, die sich tatsächlich um Integration bemüht, bringt Menschen nicht in Lager unter, sondern lässt sie möglichst selbstbestimmt leben. Eine Gesellschaft hingegen, die Menschen rassistisch und nach Aufenthaltsstatus unterteilt, benötigt die Lager als Regime des Ein- und Ausschlusses sowie der Kontrolle. Diese Politik der Ausgrenzung und Isolierung verwehrt Menschen ihre Grundrechte. Egal ob im Roten Wien, in schwarzen oder auch grünen Gemeinden.

Proteste ohne Ende

Gegen dieses Lagerregime leisten geflüchtete Menschen und Migrant*innen seit Jahren immer wieder Widerstand, wie z.B.: In oft unsichtbar bleibenden Alltagskämpfen oder in Hungerstreiks; In Protestbewegungen wie dem Marsch 2012 von Traiskirchen nach Wien; den Protesten in Traiskirchen oder Linz im Sommer 2015; Im Protest gegen Abschiebungen von afghanischen Geflüchteten im Sommer 2017; oder etwa dem Hungerstreik im Rückkehrzentrum Fieberbrunn am Bürglkopf im Sommer 2019.

Proteste werden aber auch im Zuge der Corona-Krise sichtbar: Menschen in Traiskirchen oder im Quarantänelager in der Messehalle wehren sich, indem sie Bilder und Informationen über die gesundheitsgefährdenden Zustände und die Freiheitsbeschränkung in den Lagern an die Öffentlichkeit tragen.

Zuletzt wurde gemeinsam vor dem Gelände der Messehalle protestiert. Gefordert wurde eine dezentrale, sichere und menschenwürdige Unterbringung, in der Hygieneinfrastruktur und Privatsphäre sichergestellt sind.

Zwei Betroffene haben darüber hinaus Maßnahmenbeschwerden erhoben, nachdem Bewohner*innen das Lager Traiskirchen nicht verlassen durften. Sie versuchen damit gegen die diskriminierende Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Baden juristisch vorzugehen. Auch ganz aktuell kam es in Traiskirchen zu einer erneuten Massen-Quarantäne und Freiheitsbeschränkung nach einer Corona-Infektion.

Die DiskutantInnen

Es ist eine Herausforderung für antirassistische und migrantische Bewegungen gemeinsam für das Recht auf selbstbestimmtes und menschenwürdiges Wohnen Aller zu kämpfen. Wie das gehen kann und welche Forderungen LINKS in einem Wahlprogramm für Wien formulieren soll, diskutieren in folgendem Podcast:

Hussein, der in der Grundversorgungseinrichtung in Erdberg wohnt. Im Zuge von positiv getesteten Covid-19 Fällen in der Einrichtung musste er wie viele andere für eine 2-wöchige Quarantäne in die Messehalle übersiedeln. Im Links-Talk berichtet er über seine Erfahrungen.

Deler ist Bewohner des Erstaufnahmezentrums Traiskirchen. Er ist einer der zwei Bewohner, die mit anwaltlicher Unterstützung Maßnahmenbeschwerden eingebracht haben, die sich gegen die Ausgangsbeschränkungen im Lager richten.

Sajad – ist eine geflüchtete Person, die im Sommer 2019 im Rückkehrzentrum Fieberbrunn am Bürglkopf in Tirol untergebracht war. Dort hat er mit anderen gegen die Lagerbedingungen protestiert. Er war Teil eines Hungerstreiks, der auch sehr viel mediales Echo erfahren hat. Im Linkstalk berichtet er über die Situation im Rückkehrzentrum und die Proteste im Sommer 2019. Sajad war übrigens bei der Veranstaltung selbst nicht „live“ anwesend. Sein Beitrag wurde vorab aufgenommen und während der Veranstaltung eingespielt.

Nina – ist eine Aktivistin von der Initiative gegen Rückkehrzentren und aktiv im Aufbau einer österreichweiten Vernetzung gegen Flüchtlingslager. Sie unterstütze die Proteste in Fieberbrunn am Bürglkopf und berichtet im Links-Talk von ihren Erfahrungen.

Was ist LINKS?

Organisiert und moderiert wurde die Veranstaltung von Katarzyna Winiecka und Katerina Anastasiou. Beide sind Teil der Interessensgruppe „Antirassimus, Flucht und Migration“ von LINKS. Sie sind darüber hinaus bei „Cross Border Solidarity Wien“ aktiv, einer bundesweiten Initiative gegen Lager- und Grenzregime.

Das Wahlprojekt Links hat sich übrigens Anfang dieses Jahres gegründet, um bei den Wiener Gemeinderatswahlen 2020 anzutreten. Darüber hinaus arbeitet LINKS an dem Aufbau einer neuen linken politischen Organisation in Österreich. Bei den wöchentlichen LINKSTalks, die jeden Samstag stattfinden, werden Themen diskutiert, die für die Wien Wahl relevant sind, um dabei aktuelle Forderungen für die Linke zu erarbeiten. Diese Diskussionen finden online statt und stehen allen interessierten Menschen offen. Links dazu finden sich unten. Außerdem können in Zukunft alle Ausgaben hier im Mosaik-Podcast nachgehört werden.

Die technische Bearbeitung dieses Beitrags verdanken wir Janina Scheibenpflug, die Anmoderation stammt von Veronika Reidinger.

https://www.rueckkehrzentrenschliessen.org/

https://crossbordersolivienna.noblogs.org/

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https://gesundheitfueralle.noblogs.org/

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