Der Name ist Programm: „LINKS“. So heißt das neue Wiener Wahlprojekt. Schon im Dezember hatte die Gruppe klargestellt, was sie will: „Wien 2020 – wir treten an!“. Mit der Gründungskonferenz am vergangenen Wochenende fand der organisatorische Auftakt statt – und die erste Feuerprobe. Sonja Luksik, Camilo Molina und Franziska Wallner waren dabei und haben ihre Eindrücke festgehalten.
Über 600 Menschen waren zur Konferenz angemeldet, weit mehr als die Organisator*innen erwartet hatten. Zwischenzeitlich gab es sogar einen Anmeldestopp mitsamt Warteliste. Als wir am frühen Freitagabend zum ersten Tag der Konferenz eintreffen, ist die Stimmung neugierig bis motiviert. Viele bekannte, aber auch nicht wenige unbekannte Gesichter tummeln sich in der Volkshochschule Rudolfsheim-Fünfhaus am Schwendermarkt, um sich für die Konferenz zu registrieren, den Eröffnungsreden zu lauschen und erste Eindrücke zu gewinnen. Nach und nach füllt sich der Festsaal. Einige Sessel bleiben leer, von den 600 Angemeldeten sind ca. 400 gekommen. Als die Organisator*innen die Bühne betreten, applaudieren die Teilnehmer*innen – es kann losgehen.
„Diese Stadt wollen wir heute beginnen zu bauen!“
Die Konferenz beginnt mit vielen kurzen Redebeiträgen. Sie sollen einerseits die politischen Grundsätze, aber wohl auch den Anspruch von LINKS abbilden, eine Plattform der Vielen zu sein. Eingeleitet wird mit der Enttäuschung über das türkis-grüne Regierungsprogramm und der Notwendigkeit einer linken Stadtpolitik, für die laut Organisatorin Katharina Bruhn nun die Grundsteine gelegt werden. „Diese Stadt wollen wir heute beginnen zu bauen!“ Für Sprecherin Anna Svec braucht es eine schlagkräftige Linke, denn „nur wenn wir uns zusammentun, können wir für eine Gesellschaft kämpfen, in der ein gutes Leben für alle möglich ist.” Wichtig ist ihr, dass diese Linke auch in den Vertretungskörpern repräsentiert ist.
Die weiteren Redebeiträge behandeln verschiedene Themen und Perspektiven, die bei LINKS Platz haben sollen. Regina Amer und Gabu Heindl sprechen zum Thema Wohnen und das Recht auf Stadt für alle. Amer stellt die Frage, wie junge Menschen an Familie denken sollen, wenn sie sich nicht mal ihr eigenes Leben leisten können. Heindl fordert die Wiederaneignung von Wohn- und Kulturräumen sowie die Schaffung nicht-kommerzieller Freiräume. Mahsa Ghafari appelliert dafür, sich entschlossen gegen eine „Politik der Kompromisse” sowie eine Sündenbock-Politik zu positionieren.
Ein weiterer wichtiger Redebeitrag kommt von Rami Ali zu Rassismus. Er erzählt von seinen eigenen Erfahrungen, hält dann aber fest, dass rassistische Positionen kein Randphänomen mehr, sondern auf höchster politischer Ebene und in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind. Sein persönlicher Wunsch ist, irgendwann wieder über andere Themen reden zu können. Rami benennt es klar: „Es ist an der Zeit, sich diese Last zu teilen und gemeinsam gegen Rassismus anzukämpfen.“
Der Boden für einen linken Erfolg wäre ideal – wenn alle mitmachen
„Kräfte bündeln“, „gemeinsam für die Sache kämpfen“, „das Vereinende über das Trennende stellen“ – es sind Sätze, die für manche abgedroschen klingen und oft nur leere Phrasen bleiben. Bei der Gründungskonferenz fallen die Bemühungen auf, diesen Ansprüchen zu entsprechen. Mit dem ersten Antrag, der von der Konferenz angenommen wird, verpflichtet sich LINKS zu Gesprächen über einen gemeinsamen Antritt mit anderen wahlwerbenden Gruppen. Einer möglichen Zusammenarbeit mit der KPÖ wird der Weg schon auf der Konferenz geebnet: Das LINKS-Team dankt den bestehenden KPÖ-Bezirksrät*innen für ihre langjährige Arbeit. Landessprecher Didi Zach betont, “nicht skeptisch“ zu sein und dass er die „Bündelung linker Kräft“ für notwendig hält.
Dass tatsächlich ein Schulterschluss aller linker Kräfte in Wien gelingen könnte, überrascht und beeindruckt einige Konferenzteilnehmer*innen. Ein Teilnehmer fasst es so zusammen: „Wenn das gelingt – dann organisiere ich mich.“ Auch Jana zeigt sich positiv gestimmt: „Ich habe das Gefühl, dass jetzt etwas passieren muss und finde es cool, dass sich hier verschiedene Gruppen zusammentun und es mit LINKS im besten Fall etwas Übergeordnetes gibt, das diese Gruppen vereint.“ Dass etwas passieren muss und die Voraussetzungen gegeben sind, bejaht auch Rami: „Mit dem Versagen der Grünen und dem Ibiza-Gschichtl ist der Boden perfekt für eine solche Sache. Deshalb erwarte ich mir als Ergebnis auch mehr, als von früheren Versuchen dieser Art.“
Andere sind weniger euphorisch. Steffi findet zwar „alles was sich links von der SPÖ abspielt, interessant und spannend“, ist aber eher abwartend: „Ich schaue mir das ganze mal an. Mal sehen, was geplant ist und welche Debatten entstehen. Interessant ist ja, was am Ende des Tages davon übrig bleibt.“
Was für uns am Ende des ersten Tages übrig bleibt ist eine gute Einstimmung, einiges an Euphorie, aber auch abwartende Neugierde auf den herausfordernden zweiten Tag.
Einfache Sprache, Quoten und soziale Bewegungen
Am zweiten Konferenztag zählen wir rund 200 Teilnehmer*innen. Im Grundsatzpapier, das in Kleingruppen diskutiert wird, scheinen viele linke Ansatzpunkte auf: Die Arbeit an Perspektiven zur Überwindung „kapitalistischer Macht- und Ungleichheitsverhältnisse“, aber auch die Ausarbeitung eines politischen Programms mit „unmittelbaren sofortigen Verbesserungen“; vor allem aber den Aufbau einer demokratischen und inklusiven Organisation. Redebeiträge und angenommene Anträge versuchen zumeist, dieser oder jener Stelle des Papiers etwas hinzuzufügen oder ein bisschen zu nuancieren. Für konkretere Ansagen zu politischer Lage und Aufgaben für die Linke bleibt wenig Raum. Daher bietet die Debatte auch wenig Möglichkeit, die unterschiedlichen politischen Zugänge unter den Konferenzteilnehmer*innen zu messen.
Einige Teilnehmer*innen halten eine einfache und verständliche Sprache für besonders wichtig. Dem kann sich auch Boris anschließen: „Man sollte etwas aufbauen, was normale Menschen erreicht. Also in Sprache sowie Art und Weise, wie die Organisation ausschaut und auftritt.” Im Gespräch mit uns meint er außerdem: “Es braucht konkrete Politik, die nicht abgehoben ist.“
In jedem Bezirk
Eine Verankerung von LINKS in sozialen Bewegungen und Kämpfen fordern viele Teilnehmer*innen. Auch wenn er den Antritt bei der Wien-Wahl für notwendig und richtig hält, befürchtet Christoph, dass repräsentative Gremienarbeit das Projekt schnell fressen kann. „Es wird nicht reichen, ein paar Mandatar*innen zu haben.“ Er plädiert dafür, Wahlen nur als ein politisches Kampfmittel zu verstehen und die Organisation breiter aufzubauen.
Ein weiteres Thema, das öfter aufgegriffen wird, ist die Quote. LINKS legt in den Grundsätzen fest, dass in allen Vertretungsorganen zu 60 Prozent Frauen und zu 33 Prozent Migrant*innen und People of Color repräsentiert sein müssen. Offen bleibt, was passiert bzw. wie damit umgegangen wird, wenn diese Quote nicht erfüllt wird.
Am Nachmittag finden sich die Teilnehmer*innen schließlich in Bezirksgruppen zusammen und überlegen, wie und mit welchen Themen sie lokal aktiv werden wollen. Die Organisationsstruktur von LINKS sieht neben Bezirksgruppen auch Interessengruppen vor, bei denen sich Interessierte einbringen können.
„Es war richtig, sich das zuzutrauen!“
Am Ende der Konferenz wählen die Teilnehmer*innen drei Sprecher*innen und ein fünfköpfiges Koordinationsteam. Sprecher Can Gülcü zieht Bilanz: „Es waren intensive Tage. Doch jetzt haben wir noch mehr Motivation, Gewissheit und Zuversicht, dass wir das gemeinsam schaffen können.“ LINKS sei vor allem für jene da, die bis jetzt zu scheu waren, sich parteipolitisch zu engagieren.
Für die Teilnehmer*innen der Konferenz stellt sich nun die Frage, ob und wenn ja, wie sie sich bei LINKS einbringen werden. So kann sich Christoph gut vorstellen, aktiv zu werden. Allerdings hält er eine gewisse Breite und Stabilität für notwendig, damit die Arbeit nicht an einzelnen Personen hängen bleibt, sondern von der ganzen Organisation getragen wird.
Offensichtlich gibt es kaum einen besseren Zeitpunkt für den Aufbau einer schlagkräftigen linken Organisation und für einen Antritt zu den Wien-Wahlen: Die Grünen machen die neoliberale und rassistische Politik von ÖVP und FPÖ höchstens etwas CO²-schonender oder schweigen gleich ganz. Die SPÖ versinkt währenddessen in selbstverschuldeter Bedeutungslosigkeit und lässt wichtige stadtpolitische Themen wie leistbare Mieten, ausreichend Personal in den Spitälern oder Wahlrecht für alle in Wien lebenden Menschen links liegen. Wie für viele der Konferenzteilnehmer*innen bleibt auch für uns abzuwarten, wie es mit dem LINKS-Projekt weitergeht. Rege Debatten, gelingende Zusammenarbeit und vielleicht sogar einen Wahlerfolg wünschen wir den Initiator*innen auf jeden Fall.
WienTV hat einen Videomitschnitt vom ersten Tag der Konferenz hier hochgeladen.