Jetzt noch teurer: Wohnen in Wien

Mit 1. April 2017 erhöhte sich erneut der Richtwertmietzins. Zusätzlich steigen die sogenannten Lagezuschläge weiter an. Die Aktivist_innen der Mieter_innen-Initiative erklären, warum durch diese beiden Maßnahmen das Wohnen in Wien noch teurer wird.

Auch wenn andere Städte oft sehnsüchtig nach Wien blicken und die Mietpreise im Vergleich nach wie vor leistbar erscheinen, so ist das Grundbedürfnis Wohnen auch hier für immer mehr Menschen gefährdet. Bereits vor Jahrzehnten wurde der politische Grundstein dafür gelegt, Wohnraum zunehmend zum Spekulationsobjekt zu machen. Rund sieben Zwangsräumungen pro Tag allein in Wien sind dabei nur eine der vielen Folgen.

Erhöhter Richtwertmietzins

Bereits 1994 wurde der historisch erkämpfte und vergleichsweise starke Mieter_innenschutz in Österreich durch eine von sämtlichen Parlamentsparteien durchgeführte Mietrechtsreform massiv eingeschränkt. Die Einführung von befristeten Mietverträgen und das Richtwertmietsystem samt Lagezuschlägen treiben seither die Preise. Der viel gepriesene Richtwert gilt dabei nur für den „Altbaubestand“, also Mietshäuser, die vor über 70 Jahren gebaut wurden. Alle anderen Mietpreise richten sich ohnehin nach dem Markt und den Vorstellungen der Eigentümer_innen.

Aktuell bekommen wir die Orientierung des Richtwertes am Verbraucherpreisindex zu spüren. Nachdem 2016 aus wahlkampfstrategischen Gründen die übliche zweijährige Indexanpassung mittels „Mietrechtlichem Inflationslinderungsgesetz“ (MILG 2) ausgesetzt wurde, steht diese jetzt wieder ins Haus. In Wien bedeutet das konkret eine Anhebung des Richtwertes von 5,39 Euro auf 5,58 Euro pro Quadratmeter. Diese scheinbar niedrigen Summen werden jedoch durch willkürliche und teilweise völlig unzeitgemäße weitere Zuschläge ergänzt. So kostet beispielsweise ein Waschmaschinenanschluss extra.

Zu kritisieren ist dabei allerdings nicht nur konkret der Preisanstieg, sondern viel grundsätzlicher die Koppelung der Miethöhe an den Verbraucherpreisindex. Diese gesetzliche Regelung sichert den Wert von Eigentum, während die Differenz zwischen sinkendem Lohnniveau und steigenden Mieten weiter wächst. Die Sicherung von Wohnraum wird somit (wieder mal) der Sicherung von Eigentum untergeordnet.

Lagezuschlag als Spekulationsinstrument

Die offensichtlichste Förderung von Immobilienfirmen und Hauseigentümer_innen ist derzeit der sogenannte Lagezuschlag. Errechnet an den Immobilientransaktionen (also Kauf und Verkauf von Immobilien) in einem bestimmten Gebiet, wird dieser zum Richtwert hinzugefügt. Vereinfacht bedeutet dies: je mehr hochpreisige Transaktionen, je spekulativer der Immobilienmarkt, desto höher der Lagezuschlag. Damit führt Immobilienspekulation nicht nur direkt zum Preisanstieg, sondern auch zur Erhöhung der Lagezuschläge, womit die Preise nochmal ansteigen. Diese Spirale nach oben ist ein Geschenk an alle Immobilieninvestor_innen, die höhere Mieten verlangen dürfen, ohne irgendetwas am Wohnraum verbessert zu haben.

Einen Überblick über die aktuellen Lagezuschläge stellt die MA 69 (Immobilienmanagment der Stadt Wien) zur Verfügung. Um ein Beispiel zu nennen: Am Praterstern konnte 2012 noch 0,94 Euro pro Quadratmeter und Monat für „die Lage“ zusätzlich zum Richtwert verrechnet werden. Seit 1. April 2017 ist dieser Betrag auf 2,18 Euro pro Quadratmeter und Monat gestiegen. Diese Summen sind jedoch keine gesetzlichen Richtwerte, sondern dienen lediglich zur Orientierung. Im Streitfall werden von Sachverständigen Gutachten eingeholt. Erfahrungsgemäß ziehen diese oft selektiv einzelne, besonders hohe Immobilientransaktionspreise zur Berechnung heran. Auch wenn die erhöhten Lagezuschläge nur bei Neuvermietungen relevant sind, so betrifft dies durch die wachsende Anzahl an befristeten Mietverträgen dennoch immer mehr Menschen.

Aktionsplattform Wohnen

Um diese verdrängende Wohnpolitik nicht einfach hinzunehmen, sondern sich aktiv einzumischen, hat sich vor kurzem die Aktionsplattform Wohnen gegründet. Als Bündnis von verschiedenen wohnpolitischen Initiativen in Wien, wie unter anderem der Mieter_innen-Initiative, Zwangsräumungen verhindern, Mietenwahnsinn stoppen aber auch aufbruch, versucht die Aktionsplattform gemeinsam Druck aufzubauen, um der herrschende Wohnpolitik etwas entgegen zu halten und sich für gutes Wohnen für alle einzusetzen.

Mehr Infos zur Aktionsplattform Wohnen unter: plattform@aktionwohnen.org

Die Mieter_inneninitiative ist ein seit 2004 bestehender Verein in Wien. Sein Ziel ist die Stärkung der Rechte von Mieter_innen durch kostenlose Beratung, rechtliche Unterstützung und politische Arbeit.

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