Ist ja gerade noch einmal gut gegangen, könnte man meinen, wenn von der soeben noch abgewendeten „Verländerung“ der Schulverwaltung die Rede ist. Vor einer Woche noch hatte der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll bereits sehr siegessicher von einem unmittelbar bevorstehenden Durchbruch gesprochen. Sein burgenländischer Kollege, Hans Niessl, assistierte ihm dabei freudig. Die„Verländerung“ – was für ein unschönes Wort – im Bereich der Schulverwaltung heißt im Wesentlichen nichts anderes, als dass die Bundesländer auch die Zuständigkeit für die BundeslehrerInnen haben wollen. Ist es also wirklich noch einmal gut gegangen? Bleibt alles beim Alten, oder dürfen wir gar auf eine Lösung hoffen, die internationalen Maßstäben entspricht und neben Verwaltungsfragen auch pädagogische und inhaltliche Aspekte berücksichtigt?
Nun, wir dürfen getrost davon ausgehen, dass nichts ausgestanden ist, sondern dass das Ganze in nicht allzu ferner Zukunft wieder aufkochen wird. „Der Teufel steckt im Detail“, ließ Staatssekretär Mahrer in einer ersten Stellungnahme wissen. „Der Teufel steckt im Detail“, sagte dazu in der ORF-„Pressestunde“ vom 8.März auch die Bildungsministerin. Was genau sollen wir uns darunter eigentlich vorstellen? Welches Detail? Und welcher Teufel ist denn hier gemeint? Da bislang allerdings über Details nichts bekannt wurde, ist auch nicht davon auszugehen, dass wir diese in nächster Zeit von unseren gewählten VertreterInnen erfahren werden. Daher wenden wir uns der Frage zu, worum es eigentlich bei dem Ganzen geht.
Bürokratischer Wirrwarr
Österreichs Schulverwaltung ist in allerhöchstem Maße bürokratisch, unübersichtlich und in verschiedenste Zuständigkeiten zersplittert. Für die 75.000 PflichtschullehrerInnen etwa sind die Bundesländer zuständig, für die 50.000 BundeslehrerInnen hingegen das Bildungsministerium. Kompetenzen für die Schulen haben auch noch die Gemeinden, so dass auch lange im System Tätige den Wirrwarr nicht mehr durchschauen. Das wäre wiederum nicht so schlimm, wenn es nicht mit sich brächte, dass das Ganze höchst ineffizient, durch die Mehrgleisigkeit bedingt auch sehr teuer und schwer zu steuern ist. Dazu kommt, dass die Bundesländer über den Finanzausgleich ihre (Landes-)LehrerInnen bezahlt bekommen, ihre Budgets immer überziehen und sich nicht einmal nachvollziehen lässt, wo genau die Gelder versickern. Mit einem Wort: Der Bund zahlt, die Länder geben großzügig aus. Dieser Zustand wurde von den verschiedensten Stellen schon seit Jahren kritisiert, darunter immer wieder auch vom Rechnungshof, und es wurde übereinstimmend eine Zuständigkeit für alle LehrerInnen beim Bund eingefordert. Nichts ist passiert. Stattdessen wird jetzt von der so genannten Bildungsreformkommission, in der die Landeshauptleute überrepräsentiert sind, die Zuständigkeit der Länder für alle Schulen eingefordert.
Der 35-Millionen-Teufel
Dabei, so Landeshauptmann Pröll, würde man sogar 35 Millionen Euro einsparen können. Wie das gehen soll und woher die 35 Millionen herkommen sollen, hat uns bisher allerdings niemand erklärt. Aber das, so scheint’s, ist eben jener Teufel, der im Detail steckt. Das Gegenteil ist nämlich zu fürchten: Nach der geplanten neuen Regelung werden die Länder noch mehr Geld ausgeben, für das sie sich nicht rechtfertigen müssen. Der Bund zahlt ja… Und dass die geplanten Bildungsregionen auf der Ebene der Bundesländer angesiedelt werden sollen, verheißt auch nichts Gutes. Einerseits sind das keine sinnvollen Verwaltungseinheiten für die Schulen, und andererseits wird damit wieder der (partei-)politische Zugriff auf die Schulen, auf Postenbesetzungen und Lehrerauswahl gefestigt.
Noch ein Begriff geistert – ausgerechnet – in diesem Zusammenhang immer wieder herum, und das ist die Schulautonomie. Als jemand, die sich wie ich schon seit fast einem Vierteljahrhundert für eine selbstverantwortliche, selbstbestimmte, dezentralisierte Schule einsetzt, ist das eher eine Drohung als eine Verheißung. Der Begriff Autonomie wird auch von den politischen AkteurInnen ganz unterschiedlich verwendet und bleibt in der aktuellen Debatte seltsam vage. Für mich ist der Lakmustest für eine ernst gemeinte Schulautonomie, ob sich die Schulen ihr Personal selbst auswählen dürfen. Die ehemalige Unterrichtsministerin hat in diesem Zusammenhang von „Verantwortungskultur“ gesprochen, also Verantwortung am und für den Standort. Doch in der Frage der Personalauswahl heißt es von der zuständigen Ministerin ebenso wie von den Landeshauptleuten immer nur, dass die Schulen selbstverständlich mitreden sollen oder, so Erwin Pröll, die „Bildungsdirektionen Mitsprachrecht“ haben sollen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, doch liegt der Verdacht nahe, dass auf diese Weise der (partei-)politische Zugriff auf die Schulen gewahrt werden soll.
Macht und Machterhalt
Vielleicht versteht man besser, worum es bei der „Verländerung“ eigentlich geht, wenn man sich ansieht, worum es nicht geht. Man stelle sich vor, da gibt es eine Reformkommission, und die beschäftigt sich als allererstes mit der Frage, wer künftig die LehrerInnen bekommen soll. Sie beschäftigt sich nicht mit der ungelösten Thematik der sozialen Ungerechtigkeit des österreichischen Schulsystems, die uns unter allen vergleichbaren Ländern unrühmlich hervorhebt; nicht mit der gerechten Zuteilung von Ressourcen an Schulen; nicht mit der flächendeckenden Umsetzung von Ganztagsschulen (von der gemeinsamen Schule ganz abgesehen); nicht mit der Misere in der Elementarpädagogik; nicht mit den Herausforderungen der Migrationsgesellschaft an die Schule. Nein, mit all dem beschäftigt sich die Reformkommission nicht. Daher muss man eigentlich zum Schluss kommen: Bei der so genannten „Verländerung“ geht es nicht um die Zukunft der österreichischen Schule, nicht um die SchülerInnen, sondern es geht vielmehr und ausschließlich um Macht und Machterhalt.
Heidi Schrodt war Lehrerin für Deutsch und Englisch an einer Wiener AHS und langjährige Direktorin des Gymnasiums Rahlgasse in Wien. Außerdem ist sie in der LehrerInnenausbildung und -fortbildung tätig und Vorsitzende von „Bildung Grenzenlos“. 2014 erschien ihr Buch zum Themenkomplex Migration und Schule.