Die wunderbare Welt des Industriellen Georg Kapsch

Georg Kapsch, Vorstand der Kapsch AG, Kopf des gleichnamigen reichen Familienclans und Chef der Industriellenvereinigung, meldet sich wieder mit neoliberalen Ideen zu Wort. Im Interview mit dem Wirtschaftsblatt spricht er sich für TTIP und gegen KonsumentInnenschutz aus. Lohndumping hält er für ein „Hirngespinst“. mosaik-Bloggerin Sonja Grusch über die wunderbare Welt des Georg Kapsch.

Die Welt des Georg Kapsch ist einfach: Die Wirtschaft schafft Arbeitsplätze. Der Staat soll den Rahmen dafür schaffen, sich dann aber bitte nicht mehr zu viel einmischen. Der Rest der Bevölkerung soll als fleißiges und duldsames Arbeitskräftereservoir zur Verfügung stehen. Alles andere regelt der Markt. Und alle leben glücklich und zufrieden.

Mag sein, dass die Welt des Georg Kapsch eine angenehme ist. Immerhin gehört seine Familie zu den reichsten des Landes. Geschätzte 750 Millionen Euro Vermögen hat der Clan, auch wenn Kapsch selbst das natürlich leugnet und gerne den armen, unverstandenen Unternehmer gibt. Doch er ist, was er ist: ein engagierter Verfechter des Neoliberalismus. Zwar ist die Hochphase neoliberaler Phantastereien spätestens seit dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise auf der Propagandaebene vorbei, doch in der praktischen Politik leiden immer mehr Menschen unter den Folgen neoliberaler Politik, die von Regierungen unterschiedlichster Farbkombinationen recht einheitlich umgesetzt wird.

Neoliberale Phantasie und trübe Realität

Doch unterziehen wir die Kernaussage von Georg Kapsch einem Folgen-Check:

Beschäftigte, die Unternehmen nach Österreich schicken, würden „ohnehin zum österreichischen Kollektivvertrag beschäftigt … Diese ewige Angst vor Lohndumping ist paranoid“. Ignorieren wir mal die Tatsache, dass die Zahl der „schwarzen Schafe“ unter den Unternehmen, die Beschäftigte schwarz anstellen, Überstunden nicht bzw. nicht korrekt bezahlen und Milliarden an Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen unterschlagen, ganze Schafherden umfasst. Tatsache ist, dass abgesehen von den alles andere als üppigen Löhnen bzw. Gehältern der Mehrheit der Beschäftigten es hierzulande laut Studien 266.000 Personen gibt, die zwar einen Job haben, aber so wenig verdienen, dass sie armutsgefährdet sind. Das sind immerhin 7 Prozent der Erwerbstätigen. Die Löhne und Gehälter sind in Österreich keineswegs so unglaublich hoch, wie die Wirtschaft gerne lamentiert. Entscheidend sind nämlich die „Lohnstückkosten“, bei denen auch Produktivität, Qualifikation und effektiver Output gezählt werden. Und hier war Österreich nie ein Hochpreisland und hat weiter aufgeholt – oder ist abgefallen. Sprich: Die neoliberalen Maßnahmen der letzten Jahrzehnte haben die österreichische Arbeitskraft international „wettbewerbsfähiger“ gemacht.

Das alte Märchen, dass weniger staatliche Regulierung die Wirtschaft „entfesseln“ (Spindelegger) würde, hat sich in der Realität immer und immer wieder als Lüge herausgestellt. Lohnverzicht schafft keine Arbeitsplätze. Mehr Flexibilität und längere Arbeitszeiten helfen nicht dabei, die Jobs zu retten. Der Abbau von Schutzbestimmungen für Beschäftigte kurbelt die Wirtschaft nicht an.

Tatsache ist, dass gerade die großen Unternehmen aktuell auf enormen Finanzreserven sitzen, die nicht investiert werden. Weil es sich nicht rentiert. Weil der Kapitalismus eben weltweit in der Krise steckt. Eine zusätzliche Portion Neoliberalismus wird daran nichts ändern.

Aber ganz unrecht hat Kapsch natürlich nicht – von seinem Standpunkt aus gesehen. Wenn die heimische Wirtschaft die Beschäftigten länger und billiger einsetzen kann, dann verschafft ihr das einen Wettbewerbsvorteil. Das hilft natürlich einer Wirtschaft, die stark auf Export ausgerichtet ist. Allerdings nur kurzfristig. Weil die anderen haben nämlich dasselbe Wundermittel parat. Die Dumpingspirale ist also in vollem Gang. Wieder einmal sollen die Beschäftigten (und die Arbeitslosen) für die Krise des Kapitalismus zahlen. Die Propaganda, dass mit einem kurzen „Gürtel enger schnallen“ die ganze Wirtschaft stimuliert, der stockende Motor wieder mit Sprit versorgt und dann die Wirtschaft wieder volle Fahrt aufnehmen würde – ist eben nur Propaganda. Die Aufschwünge der letzten Jahrzehnte haben die der ArbeiterInnenklasse abgerungenen Verschlechterungen nicht wieder wettgemacht. Die Krisen folgen immer rascher aufeinander, echtes Wachstum gibt es kaum.

Wirtschaftsbosse – keine FreundInnen der Flüchtlinge

Ein weiterer gefährlicher Aspekt versteckt sich im Interview mit Georg Kapsch. Er gibt sich humanistisch und weltoffen in Bezug auf Flüchtlinge – wer wirklich verfolgt sei, müsse aufgenommen werden, sagt er in der ORF-Pressestunde im Februar. Die Industrie forderte schon 2015 die Öffnung des Arbeitsmarktes für Flüchtlinge. Mit Menschlichkeit hat das allerdings nichts zu tun. Vielmehr geht es darum, Flüchtlinge oder Beschäftigte aus Osteuropa zum Drücken der heimischen Löhne zu missbrauchen. Die, die am meisten benachteiligt sind, werden als Rammbock gegen die restlichen Beschäftigten eingesetzt. Das passiert täglich und hat mit Paranoia nichts zu tun. Kapsch & Co. sind möglicherweise keine RassistInnen – das ist so nicht zu beurteilen –, aber sie spielen mit ihrem Neoliberalismus den rechten HetzerInnen in die Hände. Es ist kein Zufall, dass es gerade die Industriellenvereinigung war, die durch ihr besonderes (und finanzkräftiges) Engagement für den neoliberalen FPÖ-Wirtschaftsminister Karl-Heinz Grasser in die Schlagzeilen geriet.

Doch eine nationalistische Politik, die auf „Grenzen dicht machen“ oder auch auf „Schutz des heimischen Arbeitsmarktes“ setzt, wird das Problem nicht lösen. Standortlogik ist nur die andere Seite des Rassismus. Wenn Menschen der legale Zugang zum Arbeitsmarkt verwehrt wird, werden sie illegale Wege finden – und viele Unternehmen, die gerne darauf zurückgreifen. Niedrige Löhne und Rassismus müssen daher Hand in Hand bekämpft werden. Die Spitzen des ÖGB lassen dabei bisher weitgehend aus und erweisen damit migrantischen und österreichischen Beschäftigten einen Bärendienst. Eine neue Linke muss daher auch und besonders den Kampf in den Gewerkschaften führen, um die Unterstützung und Organisierung von migrantischen Beschäftigten (egal ob legale oder illegale) und einen gemeinsamen Kampf für höhere Löhne für alle, die hierzulande arbeiten, auf die Beine zu stellen.

Die Welt des Georg Kapsch hat der großen Mehrheit nichts zu bieten außer Armut, Arbeitslosigkeit und Krise. Gegen sie und ihre kapitalistische Logik müssen wir gemeinsam kämpfen.

Sonja Grusch ist Bundessprecherin der Sozialistischen LinksPartei und aktiv in vielen sozialen Bewegungen, Protesten und Kampagnen der letzten Jahrzehnte. Sie hat für verschiedene Wahlbündnisse kandidiert und beschäftigt sich unter anderem mit Wirtschaftsfragen, linken Formationen sowie der Geschichte der Linken in der SPÖ.

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