„Gesicherte Informationen haben wir nicht“

Der österreichische Journalist und Aktivist Max Zirngast wurde am 11. September in Ankara verhaftet. Was dahinter stecken könnte und warum Max dem türkischen Regime ein Dorn im Auge war, haben wir mit seinem Mitstreiter Alp Kayserilioğlu besprochen.

Am frühen Dienstagmorgen wurde Max Zirngast von der türkischen Polizei in Ankara festgenommen, seitdem sitzt er im Gefängnis. Der 29-Jährige wohnte seit 2015 in der türkischen Hauptstadt, zuletzt studierte er an der Technischen Uni in Ankara politische Theorie. Davor hat Max auch in Wien und Toronto studiert. Er ist vor allem aber Journalist und politischer Aktivist. Max war Teil der Redaktion des das re:volt magazine, regelmäßig veröffentliche auch im US-amerikanischen Jacobin. Er schrieb oft gemeinsam mit seinem Freund und Genossen Alp Kayserilioğlu. Mosaik hat sich mit Kayserilioğlu über Max Zirngasts Aktivismus, die Bedeutung seiner Verhaftung und die aktuelle Situation unterhalten.

mosaik: Wie hast du von der Verhaftung von Max Zirngast erfahren?

Alp Kayserilioğlu: Mir wurde das am Dienstagvormittag über persönliche Kontakte übermittelt. Wir haben dann relativ schnell Gewissheit gehabt, dass das auch stimmt, weil es auch ein Foto von der Verhaftung gibt. Max wurde nicht alleine festgenommen. Parallel zu ihm wurden zwei weitere Jugendliche mit türkischer Staatsangehörigkeit festgenommen. Vermutlich wird allen dreien das selbe vorgeworfen werden.

Weiß man mittlerweile, was der Grund für die Verhaftung ist?

Nein, gesicherte Informationen haben wir da nicht, die Akte ist unter Verschluss. Wir vermuten aber, dass es mit den Sommerschulen, die Max zuletzt in Tuzluçayır, einem Stadtteil von Ankara, mitorganisierte, zu tun hat. Leute, die auf den Durchsuchungsbefehl der Polizei geschaut haben, haben uns das bestätigt. Andere Quellen von vor Ort reden von „politischen Publikationen“ als Grund.

Aktuell schreiben regierungsnahe türkische Presseagenturen davon, dass die Sommerschulen angeblich im Zusammenhang mit einer terroristischen Organisation in Nordsyrien stehen würden. Da diese Agenturen quasi die Revolverpresse des Regimes sind, könnte das darauf hindeuten, dass sie eine solche absurde Terrorismus-Konstruktion bemühen werden. Aber ganz gesichert ist nichts davon. Mehr wissen wir vermutlich erst am Freitag oder Samstag, wenn sie dem Haftrichter vorgeführt werden und eventuell Anklage erhoben wird.

Hast du Kontakt zu ihm?

Nein, das ist nicht möglich, aber sein Anwalt kann zu ihm. Das ist wichtig, dadurch können wir seine Situation zumindest ein bisschen einschätzen.

Hat dich das alles überrascht?

Man weiß ja von der Situation der JournalistInnen in der Türkei, wir waren uns alle dieser Gefahr bewusst. Das Regime arbeitet darauf hin, alle restlichen oppositionellen Stimmen mundtot zu machen. Es hätte auch vor einem halben Jahr passieren können. Der Zeitpunkt jetzt ist etwas merkwürdig. Präsident Recep Erdoğan hatte sich zuletzt ja wieder um eine Annäherung an die EU bemüht. Vermutlich hat sich das Regime verkalkuliert und eine solche Reaktion, wie sie derzeit in Medien und Politik stattfindet, nicht erwartet. Ich im Übrigen auch nicht.

Anders als Deniz Yücel ist Max Zirngasts Name nicht derart bekannt. Ist die Verhaftung ein Indiz dafür, dass die Repression schlimmer wird?

Klar, der Fall von Yücel wurden in den Medien sehr umfassend thematisiert und das er ist auch sicher ein größerer Name. Ich denke aber, dass Max dem Regime auch einfach ein Dorn im Auge war. Er hat sehr gute Verbindungen nach Europa, kann aber auch fließend Türkisch, kennt türkische Geschichte und Kultur sehr gut und ist in der Türkei sehr gut vernetzt. Max ist nicht nur Journalist, sondern auch sozialistischer Aktivist. Da störst du schnell einmal jemanden.

In welchen Gruppen war Max aktiv?

Ich habe da irgendwann den Überblick verloren, er war sehr umtriebig. Er ist auf der Uni engagiert und bei verschiedenen Kulturinitiativen bis hin zur Tierbefreiuungsszene ist er aktiv. Für die HDP hat er auch Wahlarbeit betrieben. Zuletzt hat er sich eben an diesen Sommerschulen beteiligt, die als alternatives und kritisches Bildungsangebot für ärmere Kindern in der Stadt ausgelegt war. Gleichzeitig schrieb er auch regelmäßig für die Monatszeitschrift der sozialistischen Organisation Toplumsal Özgürlük (dt.: Soziale Freiheit) und gab Vorträge und Seminare zu Marxismus. Der Vorwurf der Unterstützung einer terroristischen Organisation dient in diesem Zusammenhang natürlich ausschließlich dazu, seinen politischen Aktivismus zu kriminalisieren.

Was können wir alle tun, um Max zu unterstützen?

Dass der Fall von den großen Medien aufgegriffen wurde, ist sicher hilfreich. Es gibt öffentlichen Druck und das kann ihm helfen. Ich glaube nicht, dass die politischen Machthaber in Ankara damit gerechnet haben, dass es eine derartige Reaktion gibt. Sollte es tatsächlich dazu kommen, dass gegen Max Anklage erhoben wird, müssen wir Strukturen aufbauen. Da braucht es dann eine breite Solidaritätsarbeit.

Interview: Moritz Ablinger

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