Während weder Bund noch Länder in der aktuellen Unterbringungskrise Verantwortung übernehmen, frieren Schutzsuchende in Zeltquartieren. mosaik-Redakteurin Sarah Yolanda Koss sammelt Eindrücke von Zelt-Bewohner*innen und Aktivist*innen aus Kärnten.
Pünktlich zu Herbstbeginn kreiert die österreichische Politik eine Unterbringungskrise. Es gäbe nicht mehr genug Quartiere für Asyl-Suchende, heißt es. Die Länder, bis auf Wien und das Burgenland, erfüllen ihre verfassungsrechtlich vereinbarte Aufnahmequote nicht. Obwohl sich die Asylantragszahl nur bedingt in der Grundversorgung oder der Beanspruchung von Quartieren niederschlägt.
Um den Druck zu erhöhen und im Einklang mit Österreichs Strategie der „hässlichen Bilder“ lässt die Bundesbetreuungsagentur zur Unterbringung Zelte aufstellen. Das sei ein vorrangig symbolischer Akt, um die Länder zum Handeln zu zwingen, so der allgemeine Tenor. In Kärnten, dem Bundesland mit der schlechtesten Aufnahmequote, schlafen noch heute 30 Schutzsuchende in Zelten. Die Temperaturen werden in der Nacht den Nullpunkt erreichen.
Anfang November machte ein Video die Runde in den sozialen Netzwerken. Die Tonaufnahmen sind aus Statements der Zelt-Bewohner in Villach zusammengeschnitten. „In den Zelten ist es nass“, sagen sie. Das Camp befindet sich auf dem Areal der Fremdenpolizei. Journalist*innen und Angehörigen ist das Betreten nicht gestattet.
„Ein unbekanntes Schicksal“
Der Zelt-Bewohner S. und seine Freunde berichten deswegen über einen Kurznachrichtendienst, wie die Situation Mitte November aussieht: „Wir können vor Kälte nicht schlafen. Das Zeltquartier ist unhygienisch und es gibt keinen trockenen Ort, um unsere Kleider aufzubewahren. Wir wollen aus dem Zelt heraus, an einen geeigneten Ort gebracht werden. Wir wissen nicht, wie lange wir hier bleiben werden. Ein unbekanntes Schicksal.“
S. schickt ein Video vom Außenbereich des Areals mit. Das Camp befindet sich direkt neben einem Fluss. Damit die Zelte nachts nicht geflutet werden, wurden Gräben um sie herum ausgehoben.
Aufnahmestopp in Klagenfurt
Auch für andere Schutzsuchende, die sich nicht in dem Camp befinden, schafft die aktuelle Situation Unsicherheiten. Kärntens Industriehallen sind als vorübergehende Unterkünfte gedacht. Inzwischen ziehen sich die Aufenthalte in die Länge. In der Wartezone in Klagenfurt wurde ein Aufnahmestopp verhängt.
Die Aktivistin E.H. hat, so ein Bericht der zivilgesellschaftlichen Organisation „Plattform Migration“, am Gelände des Klagenfurter Hauptbahnhofs einen jungen Mann getroffen, der von der Fremdenpolizei dem Quartier in Klagenfurt zugeteilt wurde. Im Camp wurde er abgewiesen.
Auszug aus einem Bericht der Plattform Migration
„Der junge Mann und ich sind dann mit meinem Auto zurück zur Fremdenpolizei gefahren, um zu klären, wo ein Quartier für ihn bestünde“, gibt E.H. an, „und dort hat man uns wieder nur mitgeteilt, dass alle Unterkünfte voll sind. Auch ein Zugticket haben wir nicht bekommen, da der Mann ja Klagenfurt zugewiesen ist. Ich fragte, ob er denn bei diesen Temperaturen auf der Straße schlafen soll, und die Beamten konnten uns keine Antwort geben.“
Die beiden kehren zum Bahnhof zurück, die Unterstützerin wendet sich schließlich an die Plattform Migration. „Ich empfand Wut, Trauer, Ohnmacht, Enttäuschung- alles zur selben Zeit. Zum Glück konnten wir den Mann schließlich im Haus einer karitativen Einrichtung unterbringen, zumindest für eine Nacht. Dort hat er ein Zimmer für sich, kann sich duschen, bekommt eine Mahlzeit und ein Frühstück am Morgen. Als wir getrennte Wege gingen, waren wir beide den Tränen nahe. Ich gab ihm meine Nummer, er hat sich nur noch bedankt. Und er lässt mich so unfassbar nachdenklich zurück.“
Die Zahl der Asylwerber*innen, die sich in Österreich in Grundversorgung befinden, ist weiterhin relativ stabil, wie Hilfsorganisationen seit Wochen betonen. Denn viele Antragsteller*innen verlassen Österreich binnen weniger Tage in Richtung anderer Zielländer. So auch Mohammad. Er hat nach seiner Weiterreise ein Statement hinterlassen.
Erzählung von Mohammad, der mittlerweile weitergereist ist
„Ich bin einer von denen, die ihr Land verlassen haben und zu Fuß nach Österreich gekommen sind. Über den Balkan. Ich bin über die ungarische Grenze nach Österreich gekommen. Dann ging es ins Zentrum nach Graz. Und dann haben sie mich zum Bahnhof geschickt, um nach Klagenfurt zu fahren. Am Bahnhof habe ich Leute kennengelernt, aus Österreich, die mir geholfen haben nach Klagenfurt zu fahren.
Vor dem Hauptbahnhof war ich überrascht, wie viele Leute gewartet haben, um uns zu helfen. Bei der Polizei habe ich meine Unterlagen abgegeben und eine Nummer zugewiesen bekommen. Ich war überrascht von der Anzahl der Menschen und auch vom Zustand des Camps. Das Essen ist nicht genug. Die Menschen, die in diesem Camp arbeiten, sind aber gute Menschen. Danach bin ich von Klagenfurt nach Wien- und dann mit dem Zug in die Schweiz gefahren. Abschließend möchte ich der österreichischen Bevölkerung meinen Dank, meine Wertschätzung und meinen Respekt für ihre Gastfreundschaft ausdrücken.“ (Übersetzt aus dem Hocharabischen, Anm. d. Red.)
In sieben Punkten zu Zimmern statt Zelten
Im September legten Hilfsorganisationen einen Sieben-Punkte-Plan vor, der die „Managementkrise in der Grundversorgung“ beenden könnte. Dazu gehören Schnellverfahren für Menschen mit hoher Anerkennungswahrscheinlichkeit, die Erweiterung des Sozialhilfesystems und finanzielle Unterstützung für private Quartiergeber*innen und Gemeinden. Das Zeltquartier in Villach ist mittlerweile das letzte in Österreich, das noch bewohnt ist.