„Mein Protest hat Schwarz-Blau am falschen Fuß erwischt“: „Wut-Mama“ Christiane Seufferlein im Interview

Als „Mühlviertler Wut-Mama“ wurde Christiane Seufferlein bekannt, weil sie gegen die Einführung von Kindergartengebühren protestierte. Was hat der Protest gebracht? Haben sich die Befürchtungen bestätigt? Und wie kann der Kampf für faire Bedingungen in der Kinderbetreuung weitergehen? mosaik-Redakteurin Sandra Stern hat sich mit Christiane Seufferlein darüber unterhalten.

Vergangenen November gab die oberösterreichische Landesregierung bekannt, Gebühren für die Kleinkindbetreuung einführen zu wollen. Christiane Seufferlein schrieb daraufhin einen Protestbrief an Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP): Da durch die Gebühren die Nachmittagsbetreuung im Kindergarten auszufallen drohe, schrieb Seufferlein, bringe sie ihre Tochter dann halt ins Büro des Landeshauptmanns – „mangels Alternativen“. Der offene Brief wurde allein auf Facebook über 5.000 Mal geteilt, alle Medien berichteten über die „Mühlviertler Wut-Mama“.

mosaik: Christiane, du bist Mutter einer dreijährigen Tochter, bist verheiratet und ihr teilt euch die Kinderbetreuung. Was bedeutet die Einführung der Kindergartengebühren für euch?

Christiane Seufferlein: Im Moment können wir uns auf gar nichts einstellen. Bis zum heutigen Tag ist unklar, ob die Nachmittagsbetreuung ganz wegfällt, nur an bestimmten Tagen angeboten wird oder ob es irgendeine andere Lösung in unserer Gemeinde geben wird. Unser Bürgermeister versucht bis zum Ende des Kindergartenjahres die Kosten irgendwie zu tragen. Ob ihm das gelingen wird, wissen wir nicht. Wir wissen also nicht, wie es im September weitergeht.

Diese Unsicherheit ist für uns wie für alle Eltern das größte Problem. Es ist unmöglich, sich selbst eine Alternative zusammenzubasteln, weil es keinerlei fixen Rahmen gibt. Das Wegfallen der Nachmittagsbetreuung würde für uns bedeuten, dass sowohl mein Mann als auch ich Arbeitsstunden reduzieren müssten. Es ist einfach ein riesiger Aufwand, mit dem niemand gerechnet hat.

Wie gehen denn die Beschäftigen im Kindergarten damit um?

Im Kindergarten meiner Tochter gibt es relativ viele Teilzeitkräfte. Manche davon sind Alleinerzieherinnen. Für sie ist diese Situation extrem bedrohend. Es tut mir weh zu sehen wie Menschen, die sich so toll um mein Kind kümmern, wegrationalisiert werden sollen. 

Und wie wirken sich die Kürzungen auf die Kinder aus?

Was mich an der Diskussion so stört, ist die Reduzierung des Kindergartens auf „böse Fremdbetreuung“. Niemand käme auf die Idee, den Schulbesuch als „Abschieben“ der Kinder zu brandmarken. Wir haben einen kleinen Kindergarten mit rund 30 Kindern in zwei Gruppen. Die Pädagoginnen kümmern sich liebevoll um jedes einzelne Kind.

Wenn Kürzungen kommen, wie wird es weitergehen? Kann sich eine Mutter oder ein Vater wirklich Zeit nehmen, oder würde ein Teil der Arbeit ins Homeoffice verlegt und das Kind nebenbei mitlaufen? Ist das Kind künftig bei einer Oma, die es mag oder muss es von einer Person betreut werden, zu der es keinen Bezug hat? Ich glaube, für viele Kinder ist erzwungene Betreuung zu Hause nicht unbedingt das Beste.

Was sagt deine dreijährige Tochter dazu?

Meine Tochter zum Beispiel liebt die Gesellschaft von Kindern und ist immer etwas unrund, wenn sie ohne andere Kinder zu Hause sein muss. Sie liebt es im Kindergarten zu spielen, zu toben und ihre Freunde zu sehen. Der Eingriff in den geregelten Alltag ist für die Kinder schwer zu verstehen. Klarerweise bekommt sie von alledem wenig mit. Sie erzählt aber, dass jetzt nicht mehr so viele Kinder zum Spielen am Nachmittag da sind, weil es ja viele Abmeldungen gab.

Von den Oberösterreichischen Nachrichten wurdest du als „Mühlviertler Wut-Mama“ bezeichnet. Warst du damit einverstanden?

Ich finde die Reduzierung auf einen solch reißerischen Begriff mühsam. Mir ist aber bewusst, dass Boulevardmedien auf diese Weise funktionieren und ich wohl nicht die breite Bühne erhalten hätte ohne den Boulevard. Ich kann also damit leben (lacht).

Warum ist dein Brief auf eine solch große Resonanz gestoßen?

Ich habe den Brief im November geschrieben, als die Landesregierung zwar bekannt gegeben hat, Gebühren einführen zu wollen, aber keinerlei Details. Die Verunsicherung und auch die Empörung bei den Eltern waren groß. Außerdem wurde auf Bundesebene zeitgleich die Regierungskoalition mit der FPÖ verhandelt und viele sahen in den Vorgängen in Oberösterreich einen Ausblick auf künftige österreichweite Zustände. Das alles hat dazu beigetragen, dass der Brief bei so vielen Menschen ins Schwarze getroffen hat.

ÖVP und FPÖ waren ja nicht so begeistert von deinem Brief. Landeshauptmann Stellvertreter Manfred Haimbuchner (FPÖ) reagierte auf deinen Brief indem er sagte, dass Kinderbetreuung in erster Linie in der Eigenverantwortung der Familien liege und nicht nur auf den Staat abgewälzt werden könne.

Mein Protest hat die FPÖ-ÖVP-Landesregierung offenbar am falschen Fuß erwischt. Möglicherweise dachte niemand, dass sich jemand wehren würde und schon gar nicht eine betroffene Mutter. Selbstbewusstes Auftreten kann nicht so leicht ignoriert werden. Ich erkläre mit die Reaktionen seitens der Landesregierung mit Unsicherheit. Die zuständigen Abgeordneten wirkten irritiert. Und genau das wollte ich – einen Nachdenkprozess einleiten.

Auch online gab es nicht nur positive Rückmeldungen, oder?

Ja, was für mich in dieser ganzen Diskussion absolut erschreckend war, war das Maß an Neid, Missgunst und Menschenverachtung, das in den vielen negativen Kommentaren hervorgekommen sind. Der Grundtenor war: „Ich hatte das auch nicht!“, „Warum sollst du es jetzt besser haben?“

Das ist in einer modernen Gesellschaft einfach fehl am Platz. Ich dachte immer, wir alle sollten darum kämpfen, dass es jede Generation besser und leichter hat als die Generation davor. Wenn meine Tochter einmal eine perfekt funktionierende Kinderbetreuung für ihre Kinder hat und dafür nichts bezahlen muss, würde ich mich freuen und ihr diese nicht neiden. Woher dieses negative Grundrauschen kommt ist mir ein Rätsel, aber es macht mir ein recht unbehagliches Gefühl.

Hattest du Menschen, die dich in dieser Zeit unterstützt haben?

Ja, eine recht breite Front sogar. Naturgemäß kam politische Unterstützung von sozialdemokratischer und grüner Seite. Aber auch viele unabhängige Vereine, Eltern, Großeltern und solidarische Menschen haben meinen Protest unterstützt. Das war auch enorm wichtig, sonst hätte ich die 14 „heißen“ Tage, in denen ich durch alle Medien gereicht wurde, inklusive unzähliger Hassmails, Briefe und Telefonanrufe wohl kaum durchgestanden.

Du hast die Facebook-Gruppe „Spielzimmerprotest“ gegründet. Was bezweckst du damit?

Zum einen möchte ich betroffene Eltern vernetzen und auch anregen, alternative Lösungen für das Betreuungsloch zu finden. Weil am Ende des Tages kann ich mir den Kindergarten noch so wünschen, wenn die Gruppe nicht mehr existiert am Nachmittag müssen Lösungen her, und die finden sich leichter in größeren Gruppen.

Zum anderen gebe ich meinen Kampf um faire Bedingungen im Kindergarten-Nachmittagsbereich nicht auf. Ich bin davon überzeugt, dass ein leistbares und vor allem sicheres, stabiles und planbares Betreuungsangebot für Kinder auch am Nachmittag Teil des öffentlichen Auftrags dieser Regierung sein sollte.

Ich verlange nicht, dass es gratis sein muss, für gute Betreuung gepaart mit guter Bezahlung der Pädagoginnen bin ich bereit, im Rahmen meiner Möglichkeiten zu bezahlen. Dann möchte ich aber auch die Sicherheit, dass ich jedes Jahr auf diese Betreuung zurückgreifen kann. Um das zu erreichen werde ich kämpfen und je mehr Eltern und solidarische Menschen das mit mir tun, umso besser! Darum diese Gruppe, die hoffentlich noch viel Zulauf bekommt.

 

Autor

 
Nach oben scrollen