Schwerpunkt Wohnen V: Wohnungslosigkeit – Denkt doch mal an die Kinder!

Wenn von Obdachlosigkeit die Rede ist, haben viele ein bestimmtes Bild im Kopf. Oft wird aber vergessen, dass Obdachlosigkeit in vielen Fällen nicht sichtbar ist und sowohl Frauen, Männer als auch Kinder betroffen sind.  Gerade Personen mit Kindern (fast immer Frauen) sind durch Obdachlosigkeit mehrfach betroffen. Ich habe mit einigen Sozialarbeiterinnen der Mutter-Kind-Einrichtung Kolping Favoriten gesprochen, um einen Einblick in die Problematik zu bekommen.

Das MuKi Kolping ist eine private Einrichtung für wohnungslose Alleinerzieherinnen und Alleinerzieher – da die Lebensrealität allerdings zeigt, dass es mehrheitlich Frauen betrifft, seien die Männer im Folgenden „mit gemeint“ – der Wiener Wohnungslosenhilfe und wird vom Fonds Soziales Wien (FSW) gefördert. Es dient dazu, Menschen mit Kindern aus der untragbaren Situation der Wohnungslosigkeit nachhaltig heraus zu helfen, nach dem Motto „So viel wie nötig, so wenig wie möglich.“

Von struktureller Gewalt und Mehrfachdiskriminierung

In einer Zeit, in der das neoliberale Paradigma „Jede_r ist ihres_seines Glückes Schmied_in“ weitgehend verinnerlicht ist und überall gepredigt wird, wird das Wort „strukturelle Gewalt“ nicht gerne gehört. Es meint, dass es Strukturen in unserer Gesellschaft gibt, die, bei aller gesetzlichen Gleichstellung,   Diskriminierung produzieren oder fördern. Dennoch existiert sie, das sieht man auch beim Thema Wohnungslosigkeit. Hauptgründe sind bei den Betroffenen leicht zu identifizieren: Abhängigkeit vom (Ex-)Partner, keine finanzielle Absicherung , häufig  hatten die Betroffenen keine Möglichkeit einer „guten“ Bildung, kein (ausreichender) Zugang zum Arbeitsmarkt, dadurch prekäre Arbeitsverhältnisse, keine (ausreichende) Kinderbetreuung, etc. Die Liste ließe sich lange fortsetzten. Sichtbar wird, dass Frauen aus niederen Einkommensschichten und Migrantinnen speziell betroffen sind.
Die derzeitigen Staatliche Regelungen und Förderungen können nicht vor Wohnungslosigkeit schützen, sie stabilisieren diese eher, wenn Ansprüche beispielsweise an die Staatsbürgerschaft gekoppelt werden. Diese Ungerechtigkeiten können nicht durch Mutter-Kind-Einrichtungen behoben werden, die nur da ansetzten können, wo es um konkrete Hilfe und Krisenbewältigung geht. Diese Aufgabe ist in einem System, in dem viel auf Selbstverantwortung, nicht aber auf Selbstbestimmung gesetzt wird, dennoch von größter Wichtigkeit.

Empowerment statt Entmündigung

Das zentrale Anliegen ist es, den Frauen so gut wie möglich zu helfen, ihre Situation selbst zu ändern. Das bedeutet, dass nicht auf Bevormundung, sondern auf Unterstützung gesetzt wird. Ziel der Frauen ist es, sich einen Lebensalltag aufzubauen, um stabil und nachhaltig in einer eigenen Wohnung leben zu können. Durch die prekäre Situation die sich aus einer Wohnungslosigkeit, vor allem mit einem Kind, ergibt, ist dieses Ziel schwer zu erreichen, wenn Unterstützung nur ambulant angeboten wird. Abgesehen davon ist eine sicherere Wohnsituation an sich bereits eine Maßnahme für einen geregelten Alltag der Frauen und Kinder und daher ein erster Schritt zur Eigenständigkeit. Die Sozialarbeiterinnen fungieren dabei als verschiedenste Anlaufstellen. Die Tätigkeiten reichen von rechtlicher Auskunft über Kinderbetreuung, Begleitung bei Amtsangelegenheiten, Vermittlung von Arbeitsmöglichkeiten, bis hin zu persönlicher, emotionaler Unterstützung.

Die Grenzen und darüber hinaus

Doch das Angebot des MuKis greift nicht genug. Zum einen steht die Unterstützung nicht allen zu: Nur Personen mit österreichischer Staatsbürgerschaft (oder Gleichgestellte) haben Anspruch auf einen Platz im MuKi. Außerdem muss ein Anspruch auf finanzielle Mittel gegeben sein (Mindestsicherung, Arbeitslosengeld etc.). Hier werden auch schon die Grenzen der Hilfe sichtbar. Gerade  Personen, die ohnehin bei allen staatlichen Förderungen durchfallen, können auch hier keine Hilfe erlangen. Durch die Auflagen der Wiener Wohnungshilfe müssen zahlreiche Anfragen von Frauen abgelehnt werden.

Bekommt man allerdings einen Platz, lebt einige Zeit in einer Einrichtung wie dem MuKi und ist dann an dem Punkt angelangt, an dem man ausziehen, und ein selbstgestaltetes Leben führen möchte, stößt man auf die Grenzen des privaten Wohnungsmarktes, sofern man keine Gemeindewohnung bekommt. Gerade hier,  bei staatlich geförderten Wohnungen,  wurden letzte Woche neue Regelungen bekannt, die die Chancen auf eine Wohnung durch die „Soziale Wohnungsvergabe“ (Vergabe von Gemeindewohnungen an Personen, welche derzeit in einer betreuten Einrichtung – wie etwa das MuKi – wohnen) maßgeblich verringern. Die gravierendsten Änderungen sind hier: mindestens 2 Jahre lückenlos nachweisbare Meldung in Wien und maximal 2 malige vorhergegangene Delogierung. Alle neuen Regelungen zusammen betreffen im konkreten Fall des MuKis etwa die Hälfte der Frauen. Die Wiener Wohnungslosenhilfe hat bereits reagiert und Anzahl und Ausmaß der Betroffenen erhoben und wertet diese gerade aus.
Abseits des staatlich geförderten Wohnungsmarktes ist es für die KlientInnen allerdings nur schwer oder gar nicht möglich, leistbare Wohnungen zu finden. Auch hier greift die staatliche Unterstützung also zu kurz.
Zum anderen sollte der Fokus auf präventive Maßnahmen gesetzt werden. Das heißt mittelfristig, Emanzipation, finanzielle Unterstützungen und Bildungsangebote voranzutreiben. Langfristig bedeutet es allerdings, ökonomische Rahmenbedingungen zu schaffen, die es allen Menschen ermöglichen, ein eigenes, selbstbestimmtes und gutes Leben zu führen.

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