Die letzten Tage haben gezeigt, dass es für Griechenland innerhalb des Euroraums nur Unterwerfung und Demütigung mit unsicherem Ausgang geben kann. mosaik-Redakteur Josef Falkinger geht der Frage nach, wie eine Alternative aussehen könnte.
Immer wieder wird von KommentatorInnen der Ausstieg Griechenlands aus dem Euro als Art Armageddon beschworen. Die neue Währung würde dramatisch abwerten, die Wirtschaft zusammenbrechen, Importe unleistbar und vieles mehr. Wie ein Mantra klingt es durch: There is no alternative – es gibt keine Alternative. Rente mit 67, Privatisierung der Stromversorgung, weitere Zerschlagung von Arbeitsrechten, Abschaffung von Kollektivverträgen, Kontrolle der Troika über den Gesetzgebungsprozess und die Besetzung des öffentlichen Dienstes. All das sei alternativlos. In Wirklichkeit sind diese Forderungen der Gläubigerländer aus gewerkschaftlicher und demokratischer Sicht absolut unannehmbar. Ein Euro-Ausstieg wäre zwar kein Honiglecken. Für Griechenland wäre er aber die einzige Möglichkeit, seine Würde zu bewahren.
Übergangsgeld
Ohne Einigung mit den GläubigerInnen bekommen die griechischen Banken kein frisches Geld mehr von der Europäischen Zentralbank. In diesem Fall müsste die griechische Zentralbank die griechischen Banken mit Übergangsgeld versorgen und die Leitung der Banken übernehmen. Auch öffentlich Bedienstete würden mit diesem Übergangsgeld bezahlt. Aber damit beginnen die Schwierigkeiten erst. Die Frage ist, ob UnternehmerInnen bereit sind, für dieses Übergangsgeld Waren zu verkaufen. Um die neue Währung als Zahlungsmittel durchzusetzen, muss der Staat zentrale Güter des täglichen Gebrauchs wie Brennstoffe und Strom in neuer Währung anbieten. Ansonsten hat diese neue Währung schlicht keinen Wert.
Notverstaatlichungen
Die Hauptgefahr einer neuen Währung besteht darin, dass der gesamte private Sektor lieber die Produktion einstellt, als zu Übergangsgeld zu verkaufen. Die Folge wäre ein Schwarzmarkt, wo weiter nur in Euro gehandelt wird. Springt die Ökonomie nicht an, wären weitreichende Verstaatlichungen der Industrie, der Bauwirtschaft und des Wohnungsmarktes unabdingbar. Solche Verstaatlichungen wären auch eine Chance, Arbeitsplätze für die unzähligen Arbeitslosen zu schaffen. Naheliegend wäre beispielsweise auch die Bildung von landwirtschaftlichen Genossenschaften auf dem Gebiet des riesigen Kirchenbesitzes.
Devisen
Damit der Staat zumindest Medikamente und Brennstoffe importieren kann, braucht er Devisen, d.h. eine internationale Währung. Um diese zu lukrieren, müsste eine Solidaritätsabgabe für BesitzerInnen von großen Euro-Vermögen eingeführt werden. Dies wird dadurch erschwert, dass große Teile des Vermögens reicher GriechInnen inzwischen im Ausland liegen.
Selbstorganisation
Bei der Umsetzung des Notprogramms kann sich die griechische Regierung nicht auf die Unterstützung des BeamtInnenapparats verlassen, der weitgehend von den alten Parteien besetzt ist. Es gilt an die Fähigkeit der Menschen in den Betrieben und Stadtteilen zur Selbstorganisation zu appellieren. Die beeindruckenden Solidaritätsstrukturen, die die Menschen in Griechenland in den letzten Jahren aufgebaut haben, wären ein wichtiger Ansatzpunkt dafür. Aufbauend auf ihren Erfahrungen könnte die gesellschaftliche Versorgung mit Nahrungsmitteln und Medikamenten organisiert werden. Das Kleinunternehmertum und die BäuerInnen müssen jedenfalls von den Verstaatlichungsmaßnahmen ausgenommen werden. Sie können nur dafür gewonnen werden, Produkte zu Übergangsgeld zu verkaufen, wenn sie sehen, dass sie für das Geld ihrerseits Waren kaufen können.
Isolation
Um die Versorgung der Bevölkerung nach einem Euro-Austritt sicherzustellen wären also Maßnahmen wie Verstaatlichungen und die staatliche Rationierung und Verteilung von Gütern nötig. Diese Maßnahmen würden mit zentralen kapitalistischen Mechanismen brechen. Der Weg aus dem Euro ist kein einfacher, er ist riskant und macht große Opfer notwendig. Er bietet aber auch enorme Chancen für die Neuorganisation der griechischen Wirtschaft und Gesellschaft. Wenn die griechische Regierung aber zeigen kann, dass sie auf diesem Weg wirklich die äußerste Armut und die Massenarbeitslosigkeit beseitigen kann, wird es ihr nicht nur die Unterstützung der Mehrheit der Bevölkerung bringen, sondern auch NachahmerInnen in Südeuropa und Nordafrika.
Josef Falkinger ist Ökonom und Vorsitzender der FSG (Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen) Statistik Austria.