Sieben Gründe warum der Linzer Westring eine Katastrophe ist

Der Linzer Westring ist ein innerstädtisches Autobahnprojekt der Asfinag in einer Länge von 4,7 Kilometer, rund vier davon sind Tunnel. Nach jahrelangen Diskussionen und Widerstand aus der Bevölkerung hat jetzt der Bau begonnen. Die zusätzliche Schnellstraße soll den städtischen Verkehr entlasten und PendlerInnen aus dem Mühlviertel schneller über die Donau und in die Stadt bringen. Doch das Projekt „Westring“ ist eine Katastrophe für öffentliche Budgets, die Lebensqualität und die Umwelt. Gerda Lenger hat sieben Gründe aufgeschrieben, warum das so ist.

1) Veraltet und unpopulär

Das Projekt einer „Westtangente“ besteht seit den 1970er Jahren. Wegen fehlender Finanzmittel und des Widerstands der Bevölkerung zogen sich die Planungen in die Länge. 2005 übergab man das Projekt nach jahrelangem Streit der Asfinag. Die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) beim Verkehrsministerium erfolgte 2008. In insgesamt mehr als 11.000 Einwendungen sprachen sich Betroffene im Zuge des UVP-Verfahren gegen das Projekt aus.

2) Zu teuer

Ursprünglich sollte das gesamte Projekt 225 Millionen Euro kosten, mittlerweile sind es 668 Millionen Euro – für das halbierte Projekt. Denn 2011 wurde der Nordteil, ein zusätzlicher Tunnel unter dem Pöstlingberg, aus Kostengründen (vorläufig) gestrichen. Obwohl nicht für Autobahnen zuständig, übernahmen Land Oberösterreich und Stadt Linz zehn bzw. fünf Prozent der Netto-Gesamtkosten mittels Blanko-Scheck. Zudem haben sich Stadt und Land dazu verpflichtet, für sämtliche Maßnahmen am sekundären Netz – etwa Rückbau und Lärmschutz – zur Gänze aufzukommen sowie deren dauerhafte Erhaltung zu übernehmen.

Für den dringend notwendigen Ausbau des öffentlichen Verkehrs und des Radverkehrs sind dagegen keine finanziellen Mittel vorhanden.

3) Die Umweltzerstörung

Das Naturschutzgebiet Urfahrwänd im Bereich der Linzer Donaupforte wurde per Landesregierungsbeschluss für den geplanten Westring durchlöchert. 4.652 Quadratmeter wertvolle Biotope wurden aus dem bestehenden Naturschutzgebiet herausgenommen und anderweitig durch ökologisch weniger wertvolle Flächen „ersetzt“. Große Teile des Bergschlößlparks, eines wertvollen innerstädtischen Ökosystems mit vielfältigem Baumbestand, müssen dem Westring weichen, ebenso die wertvollen Erholungsflächen am Freinberg. Auch große Flächen Bannwald sollen geopfert werden. Die hohe Schutzfunktion für die Hangbereiche auf beiden Seiten der Donau geht damit verloren, wichtiger Lebensraum für zahlreiche Tierarten wird unwiederbringlich zerstört.

4) Die Luft wird schlechter

Aufgrund der Grenzwertüberschreitungen drohen nicht nur hohe Strafzahlungen, sondern durch den verursachten zusätzlichen Verkehr vor allem gravierende Gesundheitsschäden. An den Tunnelöffnungen und aus einem „Lüftergebäude“ im Bereich des Linzer Hauptbahnhofs sollen Autobahn-Abgase in den Lebensraum zehntausender Menschen ausgeblasen werden.

Die Medizinische Universität Wien hat vor fast zehn Jahren für die Stadt Linz den Zusammenhang zwischen Luftqualität und Gesundheit untersucht. Die Ergebnisse zeigen: Mit steigenden Konzentrationen an Stickstoffdioxid und Feinstaub nehmen die täglichen Sterbezahlen zu.

Auch ein Feinstaub-Forschungsprojekt im Auftrag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften mit Unterstützung des Landes und in Kooperation mit dem Institut für Umwelthygiene der Universität Wien zeigt auf, dass selbst ein kurzfristiges Ansteigen der Feinstaubbelastung bereits leichte Störungen der Lungenfunktion auslöst. Je kleiner die Partikel, desto gefährlicher sind sie, da sie umso tiefer in die Lunge dringen. Dort werden chronische Entzündungen ausgelöst, die zu Bronchitis, Lungenblähung, Asthma und sogar Lungenkrebs führen können. Auch auf Leber, Herz und Kreislauf wirken sich die Staubteilchen negativ aus.

Das besonders gesundheitsschädliche Stickstoffdioxid schädigt die Atemwege, führt zu Entzündungen und Bronchitis. Bei länger andauernder, hoher Konzentration nimmt die Zahl der Herzrhythmusstörungen und Herzinfarkte zu. Auch Lungenödeme können die Folge sein. Nimmt die durchschnittliche Konzentration pro Tag um 100 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft zu, erhöht sich die Zahl der Todesfälle um 2 bis 7,6 Prozent.

5) Der ewige Lärm

Ewiger Dauerlärm: Zehntausende Menschen wohnen in Häusern, in denen Lärmschutzfenster und Schalldämmlüfter eingebaut werden müssen. Schlafen bei offenem Fenster ist dann nicht mehr möglich. Um im Nachhinein eine positive Rechtsbasis für nicht genehmigungswürdige Projekte wie den Westring zu schaffen, trat 2015 im Zuge einer Anlassgesetzgebung übelster Sorte eine neue Bundes-Lärmschutz-Verordnung in Kraft.

Laut WHO beeinträchtigt Verkehrslärm heute die Gesundheit fast jeden dritten Europäers. Die wichtigsten Gesundheitsrisiken: Schmerzen und Hörermüdung, Hörschäden – inklusive Tinnitus, Beeinträchtigung von Sprache und Kommunikation, Schlafstörungen mit allen kurz- bis langfristigen Konsequenzen, kreislaufbedingte Erkrankungen, hormonelle Reaktionen (z. B. Stresshormone) und ihre möglichen Konsequenzen für den menschlichen Stoffwechsel und das Immunsystem, Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit in Schule und Arbeit, Beeinträchtigung im sozialen Verhalten (Aggressivität, Hilflosigkeit etc.).

6) Konterkariert Klimaschutzziele

Österreich verbraucht immer noch zu viele fossile Brennstoffe und ist deshalb heuer beim jährlichen Klimaschutz-Index auf Platz 36 abgerutscht. Laut einer Entscheidung der Europäischen Kommission hat Österreich unter anderem nicht genügend politische und sonstige Maßnahmen für den Verkehrssektor vorgesehen. Die von Umweltschutzorganisationen erstellte Rangliste sieht Österreich noch hinter Ländern wie der Slowakei, Rumänien oder Indien. Die Errichtung des veralteten Autobahnprojektes steht den Klimaschutzzielen diametral entgegen.

7) Rechtliche Tricksereien

Bei den Planungen wurde bewusst auf eine „Strategische Umweltprüfung“ verzichtet. Dabei wären auch Alternativen wie öffentliche Verkehrsprojekte oder ein Nullvariante geprüft worden.

Bis zum Abschluss des UVP-Verfahrens verweigerten Asfinag und Ministerium die Offenlegung der Datengrundlagen und Matritzen, auf denen sämtliche Berechnungen betreffend Luftschadstoffe, Lärm usw. aufbauen. Nicht einmal der amtlich bestellte Sachverständige für Verkehr hatte diese wesentlichen Basisdaten, wie aus einer Verhandlungsschrift beim Bundesverwaltungsgericht hervorgeht.

Offensichtlich wissen die zuständigen Stellen ganz genau, dass bei Vorlage sämtlicher Daten-Grundlagen die Vorgaben für die Umweltverträglichkeit nicht einzuhalten wären. Nur eine minimale Änderung der Datengrundlagen würde das gesamte „Kartenhaus“ zum Einsturz bringen. Deshalb wählte man den Weg eines nachträglichen Monitorings, der den eigentlichen Sinn der UVP konterkariert. So soll erst nach Fertigstellung der Autobahn mittels genauerer Luftgütemessung festgestellt werden, ob die Tunnellüftungen mit teuren Filteranlagen nachgerüstet werden müssen. Dieses Monitoring führen nicht einmal die Asfinag, sondern andere Körperschaften durch, die weder Projektwerber sind noch rechtlich zum Monitoring oder zum Setzen allfälliger Maßnahmen verpflichtet werden können. Das Motto lautet: „Bauen wir mal, dann schauen wir mal“. Das ist unverantwortlich und skandalös.

Gerda Lenger ist biomedizinische Analytikerin. Von 1991 bis 2015 war sie für die Grünen im Linzer Gemeinderat.

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