Wer ist Barbara Kolm? Die Markt-Fundamentalistin an der Spitze der Nationalbank

Alles lacht über Harald Mahrer, der bereits viele Posten angehäuft hat und nun auch noch Nationalbank-Präsident wird. Schlimmer ist aber seine zukünftige Vizepräsidentin Barbara Kolm. Benjamin Opratko und Valentin Schwarz haben recherchiert, wie die neoliberale Fundamentalistin den Sozialstaat zerschlagen und die Reichen reicher machen will – und warum es nur folgerichtig ist, dass sie von der FPÖ unterstützt wird.

Barbara Kolm ist im Sozialismus aufgewachsen – aber nicht hinter dem Eisernen Vorhang, sondern in Österreich. Hierzulande, meint sie, herrsche seit „60 Jahren Sozialismus“. „Sozialismus“ bedeutet für Kolm, dass es einen Sozialstaat, Gewerkschaften und ein öffentliches Pensions- und Gesundheitssystem gibt.

Dagegen kämpft sie wacker. Seit 2000 tut sie das als Präsidentin des neoliberalen Fundi-Think-Tanks „Friedrich August von Hayek Institut“ und demnächst auch in offizieller Mission: an der Spitze der Österreichischen Nationalbank. Zu deren Vizepräsidentin hat die schwarz-blaue Bundesregierung Kolm diese Woche bestellt.

Hayek: Ideologe der Reichen und Mächtigen

Kolms Institut bezeichnet sich stolz als „Österreichs einzige Organisation, die dem wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Denken F. A. v. Hayeks“ verpflichtet ist. Worin besteht dieses Denken? Hayek gilt als der Vater des Neoliberalismus. Er betrachtete jeden Eingriff in den Markt, jede politische Beschränkung der Willkür der Reichen und Mächtigen, als Schritt in die Diktatur.

Nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Menschen sich noch lebhaft an das Massenelend erinnerten, das marktradikale Politik in der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre verschuldet hatte, waren Hayeks Ansichten nicht sonderlich beliebt. Er setzte also auf Zeit, baute ein Netzwerk von neoliberalen Intellektuellen auf.

Für den „liberalen Diktator“

Ein erstes Experimentierfeld fanden Hayeks Ideen in Chile. Dort putschte der faschistische General Augusto Pinochet 1973 gegen den gewählten sozialistischen Präsidenten Salvador Allende. Pinochet errichtete ein Schreckensregime, ließ tausende politische GegnerInnen ermorden – und setzte wirtschaftspolitisch Hayeks Vorstellungen um, etwa weitreichende Privatisierungen.

Hayek besuchte Chile mehrmals und verteidigte Pinochets Regime so: „Ich persönlich würde einen liberalen Diktator gegenüber einer demokratischen Regierung, der es an Liberalismus mangelt, bevorzugen.“ Mit den Wahlsiegen von Thatcher und Reagan in Großbritannien und den USA traten Hayeks Ideen schließlich einen weltweiten Siegeszug an.

Lieber Geld anzünden als Arbeitsplätze retten

Marktradikale Hayek-Fans wie Barbara Kolm sind eine besonders fanatische Glaubensgemeinschaft. Ihr Gott ist der Markt und Gott ist gerecht. Wer sich gegen sein Urteil stemmt, wird bestraft. Finanz- und Wirtschaftskrisen können in diesem Weltbild nur entstehen, weil Menschen in die Ordnung des Marktes eingreifen.

Die nach dem Bankencrash 2008 beschlossenen Regulierungen sind für Kolm Teufelswerk. Sie „tragen nicht dazu bei, dass sich Unternehmen und die Finanzindustrie frei bewegen und Wachstum generieren können. Diese überbordende Kontrolle führt einfach zu nichts.

Noch fataler ist für Kolm, dass in der Krise neben den Banken auch Unternehmen gerettet wurden, die realwirtschaftlich tätig sind und viele Menschen beschäftigen: „Dort wurde Geld in kaputte, nicht innovative Unternehmen gesteckt, die am Markt nicht bestanden haben, nur um Arbeitsplätze zu halten und um die Volksseele nicht zum Kochen zu bringen. Das Geld hätte man auch gleich anzünden können.

Das Recht des Stärkeren

Die schlimmste aller Todsünden ist für eine Markt-Fundamentalistin wie Barbara Kolm der Sozialstaat. Sein umverteilender Effekt – Reiche zahlen mehr ein, Arme bekommen mehr heraus – „schwächt zwangsläufig die Leistungs- und Risikobereitschaft der Individuen und gefährdet damit mittelfristig den wirtschaftlichen Fortschritt“, meint Kolm.

Der Sozialstaat ist für sie nichts weiter als ein „massives Schuldenpaket“. Nur wer sich am Markt durchsetzt, soll etwas vom Wohlstand abkriegen. Alle anderen müssen schauen, wo sie bleiben. Diese Ansichten laufen auf eine Gesellschaft hinaus, in der nur das Recht des Stärkeren gilt.

Klimakrise bekämpfen? Bloß nicht!

Auch an der Klimakrise hat Barbara Kolm ihre Zweifel. Das Klima unterliege einem ständigen Wandel, das sei nichts Neues, schrieb sie 2007. Sinnvolle Gegenmaßnahmen, etwa das Ende von Energiegewinnung aus Kohle, würden „für die Menschheit viel schlechtere Auswirkungen haben als jede mögliche Klimaänderung“. Der Einsatz dafür, dass unser Planet für Menschen bewohnbar bleibt, hat für Kolm „nur noch ideologischen Charakter“. Eine solche Politik würde „freie Märkte und freie Gesellschaften untergraben und sie in einen grünen globalen Sozialismus führen.“

Zu all dem passt, dass Kolm sich für die Gründung eines europäischen Ablegers der Tea Party einsetzen soll. Die US-Bewegung setzt sich mit dem Geld rechter Milliardäre für eine Zerschlagung des Sozialstaats ein, verbreitet Rassismus und Verschwörungstheorien, zerrte die Republikanische Partei weit nach rechts und ermöglichte die Wahl von Donald Trump wesentlich mit.

Begünstigt durch Finanzminister und Cayman Islands

Die Vorstellungen des Hayek-Instituts begeistern naturgemäß jene Reichen, die der Gesellschaft weniger zurückgeben wollen als bisher. Wenn es um deren Unterstützung geht, nimmt Kolm ihr Eintreten gegen staatliche Förderungen plötzlich nicht mehr so genau. Seine Spenden lässt das Hayek-Institut nämlich vom Finanzminister steuerlich begünstigen. Dieses Privileg ist sonst in erster Linie karitativen Organisationen vorbehalten.

Um sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung zu entziehen, verschieben viele Superreiche ihr Vermögen nach Bermuda, Jersey oder auf die Cayman Islands. Barbara Kolm ist ein großer Fan solcher Steuersümpfe, „weil sie für ein Minimum an Steuerwettbewerb sorgen. Ansonsten würden die Steuern wohl ins Unermessliche steigen“.

Als im Rahmen des Lux-Leaks-Skandals öffentlich wurde, dass Luxemburg systematisch Konzerne mit günstigen Steuerdeals anlockte und damit EU-Partnerstaaten um Steuereinnahmen brachte, verteidigte Kolm das so: „Luxemburg hat einen attraktiven Standort geschaffen. Das ist ein Wettbewerbsprozess, den jeder andere Staat auch hätte nachvollziehen können.“ Diese Praxis kostet die EU-Staaten bereits jetzt 50 bis 70 Milliarden Euro pro Jahr und lässt die Superreichen immer reicher werden.

Laut dem Schweizer Tagesanzeiger profitierte Kolm sogar selbst vom internationalen System des Steuerbetrugs und der Steuerminimierung. Eine Stiftung auf den Cayman Islands soll die „Free Market Road Show“ des Hayek-Instituts mitfinanziert haben.

Verbündet mit der FPÖ

Das große Problem von Barbara Kolm ist, dass ihre Glaubensgemeinschaft in Österreich nicht übermäßig beliebt ist. Wer alles zerschlagen will, was sich die arbeitenden Menschen im Laufe der Jahrhunderte erkämpft haben, muss mit Gegenwind rechnen. Kolms Lösung: Das ungläubige Volk muss umerzogen werden. „Wir haben hier einen hohen Erklärungs- und Erziehungsbedarf.“

Politische Verbündete haben die Markt-Fundis ausgerechnet bei der selbsternannten „sozialen Heimatpartei“ FPÖ gefunden. Auf blauen Vorschlag hin wurde Barbara Kolm zur Nationalbank-Vizepräsidentin gemacht. Zuvor saß sie bereits mit Unterbrechungen neun Jahre lang für die Rechtsextremen im Innsbrucker Gemeinderat.

Als die FPÖ 2000 in die Bundesregierung einzog, setzte ein staatlicher Geldregen für das Hayek-Institut ein. „Von 2002 bis 2004 und 2006 stellte das Wissenschaftsministerium dem Institut jährlich 200.000 Euro zur Verfügung – um mithilfe von Stiftungsprofessuren an den Universitäten Innsbruck und Wien das ‚Ideengut der Österreichischen Schule der Nationalökonomie zu fördern‘. Die Zuwendungen durch das Finanzministerium stiegen von 32.000 Euro im Jahr 2003 auf 106.000 Euro 2006“, schreibt Die Zeit.

Marktradikal und Blau teilen ein Menschenbild

Die Politik der Hayek-Fans ist vor allem für Menschen mit niedrigem Einkommen und unsicheren Jobs eine Gefahr – also ausgerechnet für jene „kleinen Leute“, für die die FPÖ angeblich eintritt. Doch bei genauerer Betrachtung ist das Bündnis zwischen der Lobbyistin der Superreichen und der Fake-Arbeiterpartei FPÖ schlüssig.

Sie teilen ein Menschenbild: Wer nicht in unsere Vorstellung von Leistung passt, verdient es auch nicht zu leben. Das blaue Wirtschaftsprogramm beschreibt ganz im Sinne Kolms ausführlich, wie das bestehende Sicherheitsnetz für Kranke, Alte und Arbeitslose zerschnitten werden soll.

Die Arbeit für so eine menschenverachtende Gesellschaft teilen sich Hayek-Fans und FPÖ geschickt auf: Kolm und KollegInnen lobbyieren unter den Eliten, Strache und Co. sorgen für die Unterstützung der Massen. Was passiert, wenn diese Allianz an die Macht kommt, erleben wir seit dem Antritt der schwarzblauen Regierung beinahe täglich.

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