Wer früher für Dollfuß war, wählt Khol in diesem Jahr

Der Bundespräsidentschaftskandidat der ÖVP gilt als einer der Chef-Ideologen der ÖVP, der nun als Ersatz für Erwin Pröll herhalten muss. Wofür Andreas Khol steht ist schnell gesagt: erzkonservative Positionen und ein Hang zur Verschleierung des Faschistischen im Austrofaschismus. Flora Petrik und Hanna Lichtenberger nehmen den 12. Februar und das Gedenken an die KämpferInnen des Februars 1934 zum Anlass, um Andreas Khol die Rache des Internetarchivs zu Teil werden zu lassen. 

In den Morgenstunden des 12. Februar 1934 versuchten 20 Polizisten ein Linzer ArbeiterInnenheim zu durchsuchen, weshalb sich der Republikanische Schutzbund gezwungen sah, das Gebäude mit Waffengewalt zu verteidigen. Die Proteste griffen bald auf andere Bundesländer und Wien über. Die Kämpfe, die sich regional unterschiedlich bis zum 15. Februar  zogen, wurden mit großer Aggressivität von Polizei, Bundesheer und Heimwehren niedergeschlagen. Nach dem bereits 1933 erfolgten Verbot des Schutzbundes und der KPÖ wurden alle sozialdemokratischen Organisationen verboten. Noch am 12. Februar wird für „Aufruhr“ das erweiterte Standrecht verhängt und neun Schutzbund-Kämpfer standesrechtlich hingerichtet.

Die Errichtung des Austrofaschismus – die spätestens die Niederschlagung der Kämpfe am 12. Feburar 1934 markiert – und die Abschaffung der Demokratie stellten den Versuch dar, die Entfaltung der Weltwirtschaftskrise in Österreich durch autoritäre Mittel von oben zu bearbeiten. So konnte eine Kürzungspolitik durchgesetzt werden, die die Errungenschaften der Frauen-, Räte- und ArbeiterInnenbewegung wieder rückbaute. Gleichzeitig muss sie als „Faschisierung“ der Gesellschaft begriffen werden, die die rasche Durchsetzung des Nationalsozialismus ermöglichte. Während die zentrale Forschung daran keinen Zweifel hegt, gibt es im politischen Feld heute noch andere „Erklärungsmodelle“.

Erzkonservativer Ideologe

Eine zentrale Figur im geschichtsrevionistischen Lager um den Austrofaschismus ist das Mitglied der Cartvellverband-Burschenschaft Raeto-Bavaria (Innsbruck) Andreas Khol – unter Bundesbrüdern auch Welf genannt. Der erzkonservative Politiker war von 1994 bis 1999, sowie von 2000 bis 2002 Klubobmann der ÖVP, wo er insbesondere als schwarz-blauer Scharfmacher galt. Nach dem Erdrutschsieg Schüssels wurde er Nationalratspräsident und löste Heinz Fischer ab. Khol war zuletzt Sprecher des ÖVP-SeniorInnennclubs und ist seit dem sagenumwobenen Nichtantreten des niederösterreichischen Landeskaisers Bundespräsidentschaftskandidat der Österreichischen Volkspartei.

Mit Andreas Khol schickt die ÖVP einen Mann ins Rennen um das Amt des formalen Staatsoberhauptes, der Gott in die Verfassung heben will, um zu zeigen, „dass die Autorität des Gesetzgebers Grenzen hat“ und der bis heute keine abgegrenzten Positionen zum Austrofaschismus vertritt. Auch wenn man ihm im Gegensatz zu anderen ÖVP-PolitikerInnen zugestehen kann, dass er zumindest den Willen besitzt, die großkoalitionäre Diskussion um den Charakter des Austrofaschismus zu führen. Ihm  fällt es vermutlich auch zu, dass der austrofaschistische Terminus „Selbstausschaltung des Parlamentes“ in der ÖVP jedenfalls nicht mehr  öffentlich verwendet wird.

Er selbst kann sich den Begriff „Regierungsdiktatur“ abringen – eine Beschreibung, die für die ÖVP über lange Zeit hinweg unmöglich erschienen war.

Weiche Diktatur und richtige WiderstandskämpferInnen

Wenn Andreas Khol über den Austrofaschismus spricht, so ist dies für ihn stets ein „Gegenstand höchst kontroversieller Bewertungen“. Hinter dieser Formulierung versteckt steht die Nichtanerkennung der Opfer des Austrofaschismus und die mangelnde Bereitschaft, die Bedeutung für die fortschreitende Durchsetzung des Antisemitismus, die Abschaffung der bürgerlich-parlamentarischen Demokratie und die Durchsetzung des Nationalsozialismus zu akzeptieren. Für ihn ist die Zeit zwischen 1933 und 1938 „die faszinierendste Zeit unserer Geschichte“. Vor dem Hintergrund muss es auch verstanden werden, dass der damalige Nationalratspräsidenten Khol den bekannten Geschichtsrevisionisten Kindermann 2003 in die Räumlichkeiten des österreichischen Parlamentes einlud, um ihn sein Buch „Österreich gegen Hitler – Europas erste Abwehrfront“ vorzustellen zu lassen – ein Buch, dass der Zeithistoriker Siegfried Mattl „Fabel“ und „Geschichtsverdrehung“ nennt.

Den Austrofaschismus, dem er den Namen „Regierungsdiktatur“ gibt, bezeichnet er als „weiche Diktatur“, welcher er zwar undemokratische Methoden attestiert, aber gleichzeitig hervorhebt, sie sei nicht als „faschistisch“ zu charakterisieren. Schließlich habe der Austrofaschismus „weder eine totalitäre noch eine völkische Gesinnung und auch keine Gewaltverherrlichung“.

Den Begriff „Austrofaschismus“ selbst, dessen Stärke unter anderem im Aufzeigen von Kontinuitäten und Gemeinsamkeiten der Entwicklungen in Österreich, Italien, Spanien und Deutschland liegt, hält Andreas Khol auch im Jahr 2014 noch für einen „ideologischen Kampfbegriff“.

Vor drei Jahren schrieb der Bundespräsidentschaftskandidat in einem umstrittenen Kommentar in der Tageszeitung „Die Presse“: „dass viele österreichische Historiker wie Payne der Meinung sind, Dollfuß habe die parlamentarische Demokratie in einem Staatsstreich  gleichsam aus Notwehr beseitigt. Ähnlich wie in Deutschland drohte auch in Österreich eine nationalsozialistische Machtergreifung. Das wollte  Dollfuß verhindern“. Die Mär der Notwehr reiht sich ein in die begriffliche Bezeichnung des Februars 1934 als „Putschversuch der Sozialisten“. Dabei muss gerade die Abschaffung der Demokratie, die gewaltsame Niederschlagung der Arbeiter_innenbewegung und ihre Illegalisierung sowie der austrofaschistische Umbau der österreichischen Gesellschaft als Prozess der Faschisierung verstanden werden.

Der Konservatismus sitzt tief

Nicht nur in geschichtspolitischen Fragen scheint Khol in den 1930ern festzustecken. Seit Jahrzehnten ist er dafür bekannt, die Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare mit allen Mitteln zu verhindern. Für Khol gilt die Ehe als unantastbar, sie solle von allen rechtlichen Neuerungen „in Ruhe“ gelassen werden, wie er 2007 in einem Interview mit dem Standard festhielt. Im vergangenen Jahr schien es so, als würde ein Kurswechsel bei Khol anstehen: Gleichgeschlechtliche Paare sollen eingetragene Partnerschaften am Standesamt schließen dürfen. Doch der Schein trügt: Die Ablehnung bleibt, nur die Strategie ist neu. Hinter Khols Kalkül steht die Überlegung, homosexuelle Paare so weit wie möglich gleichzubehandeln, ohne die Ehe für sie zu öffnen. Denn wenn die Gleichbehandlung von Homo- und Heterosexuellen den europäischen Kriterien weitgehend entspricht, kann die Ehe ohne Angst vor einem Urteil des Verfassungsgerichtshofs ein Privileg für Hetereosexuelle bleiben. Auch bremst Khol die Ausweitung der eingetragenen Partnerschaft auf heterosexuelle Paare, um keinerlei Gleichstellung von Ehe-ähnlichen Formen zu ermöglichen.

Doch nicht nur bei der Diskussion um die Öffnung der Ehe für alle steht Khol auf der reaktionären Seite der Geschichte: jahrelang blockierte er die Entkriminalisierung von Sex zwischen schwulen Männern. In der Diskussion um den „Schutzalterparagraf“ 209, der erst 2002 zu Fall gebracht wurde, setze sich Khol gemeinsam mit dem erzkonservativen Flügel der ÖVP für ein höheres Schutzalter bei schwulem Sex ein, als bei Sex zwischen heterosexuellen oder lesbischen Personen. Mit dieser Kriminalisierung von sexuellen Handlungen zwischen Schwulen ordnet sich Khol ganz klar in ein reaktionäres, erzkonservatives Weltbild ein.

Andreas Khol steht in gesellschafts- und geschichtspolitischen Fragen wohl immer auf der antiquierten, konservativen Seite. Gerade am Tag des Gedenkens an die FebruarkämferInnen und die Opfer der Austrofaschisten reicht es nicht, Khol als Überbleibsel erzkonservativer, reaktionärer Kräfte darzustellen. Deshalb bleibt zu hoffen, dass sich auch ein Andreas Kohl am Wahlzettel wieder findet.

Flora Petrik studiert Bildungswissenschaften und Germanistik an der Uni Wien und ist Sprecherin der Jungen Grünen Wien. Gemeinsam suchen sie Andreas Kohl

Hanna Lichtenberger ist Historikerin, aktiv in der Offensive gegen Rechts Burgenland und mosaik-Redaktuerin.

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