Der schwarz-blaue Familienbonus: Wer profitiert, wer leer ausgeht

1,5 Milliarden Euro will die Regierung für Familien aufwenden. Aber nicht für jene, die es am dringendsten brauchen. Käthe Knittler und Lisa Bolyos analysieren, wer vom schwarz-blauen Familienbonus profitiert, wer leer ausgeht – und was man mit dem vielen Geld stattdessen machen sollte.

Die schwarz-blaue Regierung hat angekündigt, 1,5 Milliarden Euro für den „Familienbonus Plus“ zu verwenden. 1,2 Millionen Kinder sollen von dem Steuerabsetzbetrag von maximal 1.500 Euro pro Jahr und Kind profitieren. Das Problem: Als Steuerabsetzbetrag kommt der Familienbonus nur jenen zugute, die Lohn- bzw. Einkommenssteuer bezahlen. 500.000 Kinder gehen völlig leer aus.

Ein exklusiver Bonus

Wer – etwa als Golflehrerin, Polizist oder Kellnerin – weniger als 1.700 Euro brutto im Monat verdient, bekommt keinen oder nicht den vollen Bonus. Das betrifft auch viele, die aufgrund einer Teilzeitbeschäftigung unter die Steuergrenze fallen.

Und natürlich gehen nicht nur Niedrigverdiener_innen, sondern auch alle Familien leer aus, die ihr Auskommen über Arbeitslosenversicherung, Notstandshilfe oder Mindestsicherung bestreiten. Anders als der Kinderabsetzbetrag, wird der Familienbonus nämlich nicht als Negativsteuer ausgezahlt.

863 Euro für alle anstatt 1500 Euro für manche

Vergleichen wir den Familienbonus mit den bestehenden Instrumenten der Familienförderung: Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag sind das zentrale Element der Geldleistungen. Sie gehen an alle Familien, die Zugang zum österreichischen Sozialsystem haben.

Der Kinderabsetzbetrag (58,40 Euro pro Kind und Monat) kann von der Steuer abgesetzt oder als Negativsteuer geltend gemacht werden und wird automatisch gemeinsam mit der Familienbeihilfe ausbezahlt. Würden auch die 1,5 Mrd. Euro, die für den Familienbonus vorgesehen sind, allen Familien mit Kindern zugutekommen, würde das die Familienbeihilfe um 863 Euro pro Kind und Jahr erhöhen.

Familienbonus und Kinderarmut

In Österreich lebt rund jedes sechste Kind in einem armutsgefährdeten Haushalt. Das sind insgesamt fast 300.000 Kinder. „Armut verbreitet sich unter Kindern und Jugendlichen stärker als in anderen sozialen Gruppen“, so die Präsidentin der Volkshilfe Österreich, Barbara Gross. Und Armut betrifft Kinder in migrantischen Familien aufgrund der Erwerbssituation ihrer Eltern ungleich öfter.

Was wird der Familienbonus an diesen Problemen ändern? „Für die akut von Armut betroffenen Kinder leider gar nichts“, meint Gross, „weil die meist in Haushalten mit sehr geringer Erwerbsbeteiligung der Eltern leben, die keine Lohnsteuer bezahlen und damit auch nicht in den Genuss des Familienbonus kommen.“

Unzureichende Korrekturvorschläge

Um den Vorwürfen der Schlechterstellung für alle, die den Bonus nicht bekommen, zu entgehen, haben  ÖVP und FPÖ eine Personengruppe herausgegriffen, die ihn trotz zu geringer Einkommen bekommen sollen: Alleinverdiener_innen und Alleinerzieher_innen. Hierzu gibt es bis jetzt zwei Vorschläge: 1) die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zu senken (Regierungsprogramm) oder 2) den jetzt schon bestehenden Alleinverdiener_innen- bzw. Alleinerzieher_innenabsetzbetrag, der auch als Negativsteuer ausbezahlt wird, anzupassen (Ministerratsbeschluss).

Die erste Maßnahme wäre ein Nepp: Die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung für Einkommen bis 1.648 Euro wurden bereits 2008 verringert. Die reduzierten Arbeitslosenversicherungsbeträge weiter zu senken bietet also extrem wenig Spielraum: Würde beispielsweise der Beitrag für ein Einkommen von 1.600 Euro von derzeit 2% auf 1% reduziert, entspräche dies einer Einsparung von 16 Euro im Monat. Also im Vergleich zu 125 Euro ein Nepp.

Potentiell umfassender wäre der zweite Vorschlag: Wie und in welcher Höhe die Auszahlung als Negativsteuer genau erfolgen soll, ist allerdings noch offen. Bei der konkreten Umsetzung gibt es viel Spielraum. Es kann sich um eine kosmetische Pseudomaßnahme handeln oder um eine Ausgestaltung in der Höhe des Familienbonus. Dann stellt sich aber die Frage, warum der Familienbonus nicht an alle mit zu niedrigen Einkommen als Negativsteuer ausbezahlt wird. So wie es beim Kinderabsetzbetrag bereits der Fall ist. Das würde die Schere zwischen Arm und Reich nicht verringern, sondern auf einem höheren Niveau aufrechterhalten. Aber es würde sie zumindest nicht vergrößern, wie es der Familienbonus tut.

Ungleiche Verteilungseffekte

Mit der Einführung des Familienbonus sollen zwei familienpolitische Maßnahmen abgeschafft werden: der Kinderfreibetrag und die Absetzbarkeit der Kinderbetreuungskosten. Beide Maßnahmen kommen vor allem höheren Einkommensschichten zu gute. Diese zwei volumensmäßig vergleichsweise sehr kleinen Maßnahmen sollen – soweit die gute Nachricht – entfallen.

Mit dem Familienbonus wird aber eine viel größere Maßnahme eingeführt, von der die unteren Einkommen gar nichts haben. Insgesamt verschiebt sich der Verteilungseffekt der familienpolitischen Maßnahmen also zugunsten der mittleren und höheren und geht zu Lasten der unteren Einkommen. Das führt zu einer etwas anderen Verteilungsstruktur, in Summe aber zu einer stärkeren Ungleichverteilung.

Innerfamiliäre Verteilung, ein Bonus für Männer

Ob direkte Geldleistungen (wie die Familienbeihilfe) oder indirekte Geldleistungen (durch Steuererleichterungen) eingeführt werden, ist auch frauenpolitisch relevant, weil dabei über die Verteilung zwischen bezahlter und unbezahlter Arbeit mitentschieden wird. Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag werden in den meisten Fällen an Frauen ausgezahlt. Und somit an die Personen, die den überwiegenden Teil der unbezahlten Betreuungsarbeit leisten. Das trägt zu ihrer finanziellen Autonomie und einer gestärkten innerfamiliären Verhandlungsposition bei.

Der Familienbonus hingegen wird deutlich häufiger von Männern in Anspruch genommen werden. Was diese mit dem höheren Nettoeinkommen machen, bleibt ungewiss. Potentiell sind rund 25% der Arbeitnehmerinnen, aber nur rund 13% der Arbeitnehmer vom Familienbonus ausgeschlossen, weil ihre Gehälter unter der Lohnsteuergrenze liegen.

Europa war gestern

Finanzminister Hartwig Löger möchte Österreich zwar „zum familienfreundlichsten Land Europas“ machen, an europäisches Recht will er sich dabei aber nicht halten. Eltern, die hier leben und arbeiten,  deren Kinder aber nicht hier hauptgemeldet sind, sollen keinen Familienbonus bekommen. Dass das nicht europarechtskonform ist, wird der EuGH bestätigen. Denn wie auch die Indexierung der Familienbeihilfe (durch die Anpassung an die Lebenserhaltungskosten in dem Land, in dem das Kind sich aufhält) widerspricht die geplante Einschränkung des Familienbonus auf Personen, deren Kinder in Österreich leben, dem Grundsatz des Diskriminierungsverbotes im Rahmen der Arbeitnehmer_innenfreizügigkeit.

In beiden Fällen  geht es  vor allem darum, die rechten Wähler_innen zu bedienen. Sollte später mit Erfolg beim EuGH dagegen geklagt werden, wird die Regelung ohne viel öffentliche Aufregung novelliert – oder die blau-schwarze Regierung kann einmal mehr rassistisch motiviert gegen die EU wettern.

Reiche Eltern für alle – oder ein besseres Fördersystem

Österreich zählt in der EU zu den Ländern mit den höchsten Ausgaben für Familienförderung. Davon wird aber überdurchschnittlich viel – rund drei Viertel – für Geldleistungen verwendet. Doch gerade von unentgeltlichen Sachleistungen, die von allen in Anspruch genommen werden können, profitieren untere Einkommen am meisten. Das gilt insbesondere für Familienleistungen.

Nach wie vor mangelt es in Österreich an Kinderbetreuungsplätzen. Mit 1,5 Mrd. Euro mehr für öffentliche Kinderbetreuung ließen sich Betreuungsangebot, Öffnungszeiten und Betreuungsschlüssel – vor allem im ländlichen Raum – deutlich verbessern. Es könnten mehr mehrsprachige Pädagog_innen eingestellt und mehr gendersensibel Kindergärten eröffnet werden. Und es ließen sich höhere Gehälter für Pädagog_innen und Helfer_innen zahlen. Das sind übrigens jene, die, so sie selber Kinder haben, vom Familienbonus nicht (oder nicht in vollem Umfang profitieren) profitieren.

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