Warum eine Kundgebung gegen Hofer wichtig ist

Der deutschnationale Burschenschafter Norbert Hofer hat den ersten Durchgang der Bundespräsident_innenwahl gewonnen. Er wird kommenden Sonntag gegen den grünen Alexander Van der Bellen in die Stichwahl gehen. Trotzdem scheint laut Käthe Lichtner eine antifaschistische Demonstration zumindest einigen mehr Sorgen zu bereiten.

Das liberale Österreich ist ob des Wahlergebnisses der ersten Runde der Bundespräsident_innenwahl schockiert. Die „bildungsfernen Arbeiter_innen“ in den Außenbezirken Wiens wären es also schon wieder gewesen: Sie hätten ihr Kreuz bei den Freiheitlichen gemacht. Mit den Ursachen für den Erfolg der FPÖ hingegen setzen sich wenige Akteur_innen konkret auseinander. Einige Fans von Van der Bellen beschäftigt mehr die Ankündigung der Offensive gegen Rechts, dem größten antifaschistischen Bündnis Österreichs, eine Kundgebung gegen Norbert Hofer zu planen.

Gegen Norbert Hofer und die Stärke der FPÖ

Nikolina Franjkic ist auf mosaik schon eingehend auf Norbert Hofers deutschnationalen Hintergrund eingegangen. Seine Burschenschaft „Marko-Germania“ lehnt „die geschichtswidrige Fiktion einer ‚österreichischen Nation‘ ab“. Der FPÖ-Kandidat stellt das Verbotsgesetz infrage, zeigt Sympathien für die rassistische Pegida-Bewegung und definierte die „Wehrmachtsausstellung“, bei der die Verbrechen der Wehrmacht während des Nationalsozialismus aufgearbeitet wurden, als „perversen Exhibitionismus der staatssubventionierten Linken“. Er hat zudem damit gedroht, die Bundesregierung abzuberufen, wenn diese nicht in der Lage wäre, „der Völkerwanderung Herr zu werden“. Im Parlament trug Hofer selbst die blaue Kornblume, das Erkennungszeichen der illegalen Nationalsozialisten im Austrofaschismus.

Oft wird argumentiert, FPÖ-Wähler_innen seien dumm, sie gehörten der „unteren Bildungsschicht“ an. In Bezug darauf sei zum einen daran erinnert, dass das personelle wie ideologische Rekrutierungsfeld der FPÖ vor allem die Universitäten sind: Ihr Rückgrat sind die akademischen deutschnationalen und schlagenden Burschenschaften. Zum anderen zeigt die Meinungsforschung jedoch, dass 74 Prozent der Menschen, die sie mit der Kategorie Arbeiter_innen fasst, tatsächlich Norbert Hofer gewählt haben. Lediglich fünf Prozent der Arbeiter_innen wählten Van der Bellen im ersten Durchgang. Das sind auch in absoluten Zahlen nicht mehr, als Richard Lugner ihre Stimme gaben.

Das Personenkomitee Van der Bellens umfasst hingegen zahlreiche A-Promis, Künstler_innen, Schriftsteller_innen und Intellektuelle – oder wie Hofer es zusammenfasste: „Sie sind der Kandidat der Schickeria, ich der Kandidat der Menschen.“ Van der Bellen antwortete mit einem bildungsbürgerlichen Verweis auf das fehlende „Format“ der öffentlichen Hofer-Unterstützer_innen.

Die Linke wird von vielen, die am meisten von Kürzungspolitik und fehlender Umverteilung betroffen sind, als Teil des Problems und nicht als Lösung gesehen. SPÖ und Grüne sind zu einem Teil der Elite geworden. Wenn Arbeiter_innen die FPÖ wählen, dann tun sie das nicht aufgrund angeblich mangelnder Bildung, sondern wegen fehlender politischer Perspektiven und Alternativen. Weil sonst niemand da ist, der die dringenden Probleme aufzugreifen scheint. Wenn es um rassistische Gesetzgebung geht, übernimmt die Bundesregierung hingegen die Politik der FPÖ, ohne dass die auch nur einen Finger krümmen muss.

Aber die FPÖ inszeniert sich nur gerne als jene Partei, die sich der Sorgen von Arbeiter_innen annimmt. Tatsächlich stimmte sie im Parlament gegen die Mindestsicherung, gegen die Kürzung von Luxuspensionen, gegen das Gesetz zur Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping und gegen eine Unzahl weiterer Gesetze für sozial Schwächere wie auch für Lohnabhängige in Österreich. Vom Wirken der FPÖ in der Schwarz-Blauen-Bundesregierung (Stichwort: Pensionskürzungsreform, Privatisierung, Kürzungen im Bildungsbereich, Korruption und vieles andere) ganz zu schweigen. Die FPÖ ebenso wie ihre europäischen Schwesterparteien wie der Front National oder die Alternative für Deutschland (AfD) wachsen auf dem Humus der neoliberalen Krisenpolitik, die die Kosten der Wirtschaftskrise seit 2007 konsequent auf Arbeiter_innen in ganz Europa abwälzt.

Der wählbare Kandidat

Van der Bellens Wohlfühlwahlkampf soll bürgerliche Wähler_innen, die im ersten Wahlgang für die unabhängige aber ÖVP-nahe Irmgard Griss oder den ÖVPler Andreas Khol gestimmt haben, von der „hellen Seite der Macht“ überzeugen. Kurzfristig ist diese Strategie richtig, und es stellt sich die Frage, warum er sich nicht noch offensiver als der antifaschistische Kandidat positioniert. Dies könnte dazu beitragen, Hofer in das unwählbare rechtsextreme Eck zu stellen. Hier kann eine antifaschistische Kundgebung ansetzen und die Position Norbert Hofers als deutschnationaler, antidemokratischer Burschenschafter aufzeigen.

Um die FPÖ langfristig zu schwächen und ihr den Rang als „Arbeiter_innenpartei“ streitig zu machen braucht es aber mehr. Van der Bellens Personenkomitee umfasst neben den genannten Gruppen auch zahlreiche Vertreter_innen österreichischer Kapitalfraktionen sowie ehemalige ÖVP-Vorsitzende. Dass jene, die für den politischen Stillstand, die ungleiche Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums, die hohe Arbeitslosigkeit, die falsche Krisenpolitik, die sinkenden Reallöhne und den wachsenden Arbeitsdruck verantwortlich sind, eine Wahlempfehlung für Van der Bellen aussprachen, wurde von seinen aktiven Befürworter_innen nicht als Problem gesehen.

Der Wirtschaftsprofessor umgeht jedes politisch brisante Thema und liefert keine Antworten auf die Krise. Van der Bellen betont, dass zahlreiche europäische Staatschef_innen seine Wahl begrüßen würden. Seine Strategie ist klar: Er ist der einzig moralisch vertretbare Kandidat. Das ist zweifelsfrei richtig, aber nicht frei von Ironie. Die politischen und ökonomischen Eliten, die für den Aufstieg der FPÖ verantwortlich sind, wollen nun Norbert Hofer verhindern. Wir werden in unserem Umfeld dafür werben, zur Wahl zu gehen und sich gegen Norbert Hofer zu entscheiden. Aber das Kreuzerl bei Van der Bellen zu machen wird den gesellschaftlichen Rechtsruck nicht aufhalten.

Die heutige Kundgebung

In diesem Wahlkampf stört eine antifaschistische Kundgebung offenbar, denn sie würde Griss- und Khol-Wähler_innen abschrecken, warnte man die Offensive gegen Rechts. Eine Kundgebung nütze nur Norbert Hofer. Wähler_innen, die tatsächlich Andreas Khol gewählt haben, schrecken sich möglicherweise wirklich, wenn sie uns auf ihrem Weg zum Meindl am Graben sehen. Die, denen der Präsident im Kaffeehäferl schon braun genug ist, werden sich vom Schock erholen. Denen aber, den ein deutschnationaler Präsident in der Hofburg lieber ist als ein liberaler Wirtschaftsprofessor, die werden ohnehin Hofer wählen. Dass das ÖVP-Klientel seltener Distanzierungsbedürfnisse zur FPÖ hat, hat schon Schwarz-Blau gezeigt. Das gilt wohl auch für Teile der Griss-Wähler_innen.

Eine Kundgebung hat einen einfachen Zweck: Sie ist die Artikulation der Meinung der Menschen, die sich auf der Straße versammeln. Demonstrationen und Kundgebungen sind in diesem Sinn ähnlich wie Kommentare in der Zeitung oder Debatten im Fernsehen. Zusätzlich erlaubt uns eine Demonstration bzw. Kundgebung aber die Darstellung einer Meinung, die in der öffentlichen Debatte nicht ausreichend viel Platz findet. Über die Ursachen des FPÖ-Erfolges und den rechtsextremen Hintergrund von Norbert Hofer muss ehrlich und deutlich gesprochen werden. Wir wollen nicht unkommentiert lassen, dass ein deutschnationaler Burschenschafter die Wahlen mit 16 Prozent Vorsprung im ersten Durchgang gewonnen hat. Es geht darum zu zeigen, dass es hier viele Leute gibt, die sich dem klar entgegenstellen. Wir wollen gemeinsam mit den vielen antirassistischen und antifaschistischen Initiativen zeigen, dass wir nicht alleine, sondern dass wir viele sind: also raus aus der Lethargie und anpacken!

Die Offensive gegen Rechts ist der Meinung, dass wir und viele andere gegen den Rechtsruck aktiv werden müssen – und ja, eine Demonstration wird da allein nicht reichen. Wir dürfen nicht hoffen, dass das jene Politiker_innen wieder „nach links biegt“, die ständig rechte Politik machen. Zugleich aber wollen wir allein schon die Möglichkeit, dass ein Rechtsextremer Staatsoberhaupt wird, keinesfalls unkommentiert lassen.

Wir organisieren diese Kundgebung heute aus der Überzeugung heraus, dass nach drei Jahrzehnten Aufstieg der extremen Rechten die Alternative nicht darin bestehen kann, ihre Begriffe zu übernehmen und ihre Politiken umzusetzen. Unserer Einschätzung ist, dass es eine Kritik an den politischen Bedingungen braucht, die Hofer erst möglich gemacht haben. Das gilt auch für die Wahl selbst, denn es gibt viele, die nicht mehr so recht wissen, warum sie eigentlich einen wirtschaftsliberalen Kandidaten wählen sollen, um gefühlt das 15. Mal den Faschismus zu verhindern. Wir müssen nach dieser Stichwahl beginnen, nicht länger das „kleinere Übel“ in Kauf zu nehmen, sondern gemeinsam an Alternativen bauen.

Käthe Lichtner ist eine der Pressesprecherinnen der Offensive gegen Rechts und lebt in Eisenstadt und Wien.

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