Warum die 3. Flugpiste in Schwechat gestoppt werden muss

Es ist ein fast 20 Jahre altes und folgenreiches Projekt – die 3. Piste Wien-Schwechat. Dennoch weiß bisher kaum jemand davon. Die Klimagerechtigkeitsbewegung „System Change, not Climate Change!“ will die Debatte um die Flughafenerweiterung wieder anfachen – denn die Zeit drängt, der Bau könnte kurz bevorstehen.

Alles begann im Jahr 1998 mit einem „Masterplan“ für den Flughafenausbau. Wien brauche eine 3. Flugpiste, um dem Wachstum des Flugaufkommens gerecht zu werden, hieß es. Inzwischen weiß man durch eine neue TU-Studie: Es besteht kein Bedarf an der 3. Piste, es gibt ausreichend Kapazitätsreserven. Der geplante Ausbau soll das Flugaufkommen vielmehr ankurbeln und Wien als relevante Drehscheibe am europäischen Markt durchsetzen. Transferflüge werden durch Anreize wie die hierzulande erlaubten Nacht-Starts und Landungen angelockt. Auch will Wien als „Air Cargo“ Flughafen mithalten – immer mehr Güter werden weltweit per Flugzeug transportiert.

Klimasünder Verkehr

Was man inzwischen auch besser weiß als noch vor 18 Jahren: Der Klimawandel schreitet noch schneller voran als gefürchtet. Einer der stärksten Treiber der Erderwärmung ist das auf fossilen Brennstoffen beruhende Verkehrssystem. In Österreich ist der Transportsektor mit einem Anteil von 28 Prozent der größte Verursacher von Treibhausgasen. Laut Verkehrsclub Österreich (VCÖ) müssten die Emissionen in diesem Sektor im Vergleich zu 2013 um 76 Prozent verringert werden, um die vereinbarten Klimaziele für das Jahr 2050 zu erreichen. Doch bisher fließen jährlich 4,7 Milliarden Euro Subventionen in umweltschädliche Bereiche, etwa die Hälfte davon in den Verkehrssektor. Etwa 500 Millionen werden dem Flugverkehr geschenkt: Die Flughäfen sind zum Beispiel grundsteuerbefreit. Am meisten fällt jedoch ins Gewicht, dass Kerosin als einziger Treibstoff nicht besteuert wird – übrigens weltweit. Dass Fliegen billiger kommt als zum Beispiel Zugfahren ist also kein Zufall.

90,7 Prozent aller Flüge in Schwechat sind Kurzstreckenflüge. Diese haben wegen des hohen Treibstoffbedarfs bei Start und Landung eine besonders schlechte Klimabilanz und könnten problemlos durch Zugverkehr ersetzt werden. Doch Appelle an individuelles Konsumverhalten reichen nicht aus, wenn die Rahmenbedingungen fehlen und sich niemand an die Macht der Flugindustrie herantraut. Diese ist eng mit dem Militärapparat und der Erdölindustrie verknüpft. Das zeigt zum Beispiel das globale Duopol der Flugzeug- und Rüstungskonzerne Boeing und Airbus. Die Forderung vieler Umweltorganisationen, endlich eine Kerosinsteuer einzuführen, stößt weiter auf taube Ohren. Stattdessen heißt es, man wolle zukünftig den Flugverkehr „nachhaltig“ gestalten: Agrartreibstoffe, technologische Lösungen und vor allem Emissions-Ablasshandel stehen auf der Agenda der UN-Sonderorganisation für Luftfahrt (ICAO). Eine globale zivilgesellschaftliche Kampagne kritisiert dies als höchst problematisches „Greenwashing“.

Bis 2050 erwartet die ICAO einen drei- bis siebenfachen Anstieg der Emissionen durch Luftfahrt. Weltweit gibt es hunderte Neu- oder Ausbauten von Flughäfen. In China wurden beispielsweise allein in den letzten 10 Jahren über 50 neue Flughäfen gebaut, viele weitere sind geplant. Am Flughafen Wien würde eine 3. Piste den zwei- bis dreifachen Anstieg der CO2-Emissionen gegenüber 2003 verursachen. Werden die anderen klimaschädlichen Auswirkungen des Fliegens mit einberechnet (Rußpartikel, Stickoxide, Zirruswolken), so kommt man laut Gutachten von BürgerInneninitiativen gar auf etwa 10 Millionen Tonnen klimawirksame Emissionen pro Jahr. Zum Vergleich: Der gesamte österreichische Straßenverkehr produziert derzeit etwa 22 Millionen Tonnen pro Jahr. Der Flughafen Wien wäre damit gleich hinter der Voest der zweitgrößte Emittent in Österreich.

Mehr Lärm, mehr Asphalt

Der Plan einer 3. Piste hatte von Anfang an Unmut bei den Betroffenen von Fluglärm hervorgerufen. Der Flughafen liegt verglichen mit anderen Großstädten sehr nahe an den Ballungszentren. Die geplante 3. Flugbahn ist so ausgerichtet, dass die Flüge noch mehr als zuvor direkt über den am dichtest besiedelten Ballungsraum Österreichs geleitet würden. In Liesing hätte das laut BürgerInneninitiativen beispielsweise dreimal so viele Überflüge als jetzt zur Folge. Auch in Favoriten, Hietzing, Penzing, Simmering und im Naherholungsgebiet Wienerwald würde es lauter werden.

Der gesamte Ausbau würde rund 760 Hektar Fläche in Anspruch nehmen, darunter landwirtschaftliche Flächen, Wald und biodiversitätsreiche Trockenrasenflächen. Mehrere LandwirtInnen sehen ihre Ackerflächen bedroht oder mussten diese schon verkaufen. Knapp 200 Hektar müssten für Landebahn und Rollwege mit Beton und Asphalt versiegelt werden – das entspricht achtmal der Wiener Ringstraße.

Ein Auf und Ab um die 3. Piste

Über 1000 Einwendungen wurden bisher von AnrainerInnen eingereicht. Aufgrund des zähen Widerstands fand von 2001 bis 2005 ein vom Flughafen initiiertes Mediationsverfahren statt. Doch wenn Zwerge mit Riesen sprechen, ist eine gleiche Augenhöhe schwierig. Diejenigen BürgerInneninitiativen, die nicht am Verfahren teilnahmen oder es aus Protest verließen, sehen das Ergebnis als faulen Kompromiss, der auf die öffentliche Legitimation der 3. Piste hinauslief und die Aufmüpfigen per Vertrag zum Schweigen verpflichtete.

Die Flughafen Wien AG (FWAG) ist einer der wenigen börsennotierten Flughafenbetreiber Europas. 38 Prozent gehören inzwischen der Tochterfirma eines australischen Pensionsfonds, 20 Prozent der Stadt Wien, weitere 20 Prozent dem Land Niederösterreich und 10 Prozent der flughafeneigenen Mitarbeiterstiftung. AktionärInnen wollen bekanntlich Dividenden und die 3. Piste verspricht Wachstum. So war es vielleicht ungewöhnlich, doch nicht sonderlich überraschend, dass das Land Niederösterreich als 1. Instanz der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) letztendlich sich selbst das Projekt genehmigte. Trotz vielzähliger Mängel im Verfahren. So wurde beispielsweise „übersehen“, dass auch Treibhausgasemissionen ein Umweltfaktor sind und somit nicht aus der UVP ausgespart sein dürfen. Auf die 1. Instanz folgten zahlreiche Beschwerden, Gutachten und Gegengutachten. Nun wird der Bescheid der 2. Instanz (Bundesverwaltungsgericht) jederzeit erwartet. Trotz voraussichtlich folgender 3. Instanz steht dem Baubeginn dann nichts mehr im Weg.

Widerstand wächst

Die weiterhin aktiven AnrainerInnen raufen sich die inzwischen ergrauten Haare. „Große Aktionen und politischen Druck brauchen wir jetzt – aber uns fehlen die engagierten jungen Leute“, meint Brigitte Buschbeck, langjähriges Mitglied der Antifluglärmgemeinschaft und der BürgerInneninitiative Liesing. Die Freude war groß, als sich im Frühjahr die junge Klimagerechtigkeitsbewegung „System Change, not Climate Change!“ einschaltete. Diese begann, Unterschriften für ein Positionspapier und eine Petition gegen die 3. Piste zu sammeln und fordert stattdessen den Umbau hin zu einer zukunftsweisenden Mobilität. Für den 1. Oktober organisiert sie eine große Rad-Demo zum Flughafen, eine Kundgebung vor Ort sowie das erste Klimacamp in Österreich (28. September bis 2. Oktober). Der Aktionstag ist zudem eingebettet in eine Welle globaler Aktionen gegen Flughafenprojekte. Das Motto: „Stay grounded. Aviation growth cancelled due to climate change.“ (“Bleib am Boden, Zunahme des Flugverkehrs wegen Klimawandel abgesagt”)

Magdalena Heuwieser setzt sich wissenschaftlich, aktivistisch und im Rahmen ihrer Arbeit bei Finance & Trade Watch mit den Themen Klimapolitik und Finanzialisierung der Natur auseinander. Sie engagiert sich in der Bewegung für Ernährungssouveränität und ist aktiv in der Solidarität mit sozialen und indigenen Bewegungen in Honduras.

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