So liefen die Warnstreiks im Sozialbereich, so geht es weiter

Der 15. und 16. Februar 2018 waren für viele der 100.000 Beschäftigten in der Sozialwirtschaft Österreichs keine gewöhnlichen Arbeitstage. An mehr als hundert Standorten legten sie die Arbeit für bis zu drei Stunden nieder. Was hat es gebracht, was kann noch erreicht werden? Peter Haumer, Werkstättenbetreuer bei Jugend am Werk, blickt zurück auf zwei besondere Tage – und voraus auf kommende Kämpfe.

Die Forderungen der Gewerkschaften sind unter anderem: Einstieg in die Arbeitszeitverkürzung auf 35 Wochenstunden bei vollem Lohn- und Personalausgleich, deutliche Lohn- und Gehaltserhöhungen und bessere Bezahlung für die neuen Tätigkeiten in den GuKG-Berufen (Gesundheits- und Krankenpflegegesetz).

Da die Verhandlungen nach der fünften Runde ergebnislos abgebrochen worden waren, sahen sich der ÖGB und seine Teilgewerkschaften genötigt, die Gangart zu verschärfen. Die Unternehmensseite sieht sich nicht in der Lage, die Forderungen zu erfüllen. Sie sei von der Regierung abhängig, könne nicht mehr verteilen, als sie von den politischen Verantwortlichen erhält. Hier wird eine altbekannte Arbeitsteilung praktiziert. Regierung und Unternehmen schieben sich gegenseitig den schwarzen Peter zu. In Wirklichkeit handeln sie in der Regel abgestimmt und im Einvernehmen.

Die Streikbereitschaft ist groß

Nach den Betriebsrätekonferenzen, Betriebsversammlungen und Demonstrationen wurden die Belegschaften daher aufgerufen, Streikbeschlüsse zu fassen. Schon bei den Demonstrationen war aufgefallen, dass nicht nur die Unzufriedenheit der Beschäftigten zugenommen hat, sondern auch die Kampf- und Streikbereitschaft. Dies bestätigte sich dann auch bei den Streikabstimmungen, die durchwegs positiv ausgefallen waren, meistens sogar einstimmig. In Wien fiel lediglich bei einem Verein der Streikbeschluss negativ aus.

Die Beteiligung an den Warnstreiks war entsprechend groß. Zwar versuchten mancherorts Leitungen, die Durchführung zu behindern. Sie blieben dabei aber erfolglos. Die von den Warnstreiks betroffenen KlientInnen mussten teilweise von ihren Angehörigen oder durch Notbetriebe des jeweiligen Vereines betreut werden. Die Notbetriebe waren vom Streikbeschluss ausgenommen.

Streik: Eine positive Erfahrung

Für die Beschäftigten waren die Erfahrungen des Warnstreiks durchwegs positiv. Der Warnstreik hatte eine gewisse Leichtigkeit, die den Kolleginnen und Kollegen die Angst vor dem Streiken nahm. Nicht nur, dass der Streik sich als problemlos durchführbar zeigte, waren die Stunden der Arbeitsverweigerung auch vergnüglich. Man sprach über den Streik, dessen Erfolgsmöglichkeiten und über vieles andere mehr. Die Streikenden waren befristet befreit vom beruflichen Stress und konnten sich in gewisser Weise den schönen Seiten des Lebens zuwenden.

Auf vielen Betriebsversammlungen zeigte sich, dass die Streikbereitschaft höher ist, als der Gewerkschaftsapparat und viele Betriebsratskörperschaften bereit waren zuzulassen. Da dies ein ÖGB-Streik ist, beschließen auch der ÖGB und seine Teilgewerkschaften, wer, wann und wie lange zu streiken hat. Während dieser Zeit bekommen die von der Arbeitsniederlegung betroffenen Gewerkschaftsmitglieder Streikgelder.

Doch der Organisierungsgrad ist im Sozialbereich zwar im Steigen, aber noch immer sehr gering. Viele werden daher nicht einmal in den Genuss von Streikgeldern kommen. Wer noch dazu länger als die vorgesehenen drei Stunden gewillt war zu streiken, hätte sich in die Grauzone eines „wilden Streiks“ hineinbegeben, mit ungewisser Unterstützung durch den ÖGB.

Die nächste Eskalationsstufe

Es wäre schade, wenn die Kreativität, Spontaneität und Selbstständigkeit der Beschäftigten im Sozialbereich ungenützt bliebe und der Streik nur als Manöver des ÖGB geführt würde, um in eine etwas bessere Verhandlungsposition zu kommen. Bei den Warnstreiks am Donnerstag und Freitag letzter Woche wirkte sich das noch nicht negativ aus. Aber die Auseinandersetzung ist bei weitem noch nicht ausgestanden, und auf der nächsten Eskalationsstufe könnte sich dies bereits als ein großes Hindernis herausstellen.

Durch die erfolgreichen Warnstreiks ist die Unternehmerseite zu einem neuen Verhandlungstermin bereit, der Ende dieser Woche stattfinden soll. Die Chefitäten haben mitbekommen, dass sich zunehmend Widerstand in ihren Einrichtungen formiert. Es ist noch nicht absehbar, ob dies alleine ausreicht, die Arbeitgeber zu essentiellen Zugeständnissen zu bringen.

Deshalb sind auch die Planungen im vollem Gange, dass im Falle eines erneuten Scheiterns der Verhandlungen sofort wieder mit Streiks geantwortet werden kann. Doch diese Streiks sollen flächendeckender und auch länger dauern als die letzten Warnstreiks.

Kreativität von unten gegen Klassenkampf von oben

Die Gewerkschaftsführung zeigt sich im Moment empört, dass die Arbeitgeberseite eigentlich noch gar nicht verhandelt hat, sondern die Gewerkschaftsforderungen als nicht einmal verhandlungswürdig hingestellt hat.

Unsere Gewerkschaftsführung radikalisiert sich nicht so sehr, weil unsere Lebensbedingungen immer schwerer zu ertragen sind, sondern weil sozialpartnerschaftliche Spielregeln von der Gegenseite nicht mehr eingehalten werden. Oft zeigt sie sich schon zufrieden, wenn die Unternehmer wieder scheinbar seriös mit ihr spricht. Sogenannte „ökonomische Sachzwänge“ werden dann nur allzu schnell von der Gewerkschaftsführung oben bis zu den Betriebsräten unten akzeptiert.

Es bleibt abzuwarten, ob dieses Szenario sich in den nächsten Tagen bewahrheiten wird. Sollte die Unternehmerseite jedoch weiter ihren Kurs des „Klassenkampfes von oben“ fahren, so wird eine neue Streikwelle im Sozialbereich mehr als wahrscheinlich. Die Kreativität der Betriebsräte, aber vor allem der Beschäftigten ist dann mehr als gefragt. Sie sollten den Streik in ihre Hände nehmen und selbstbestimmt zu einem hoffentlich erfolgreichen Ende führen.

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