Am Ende herrschte großes Durchatmen. Norbert Hofer wird nicht Bundespräsident – auch dank dem Einsatz vieler Linker. Wie bewerten sie das Ergebnis und wie kann es nun weitergehen? Wir haben uns am Wahlabend umgehört.
“Jetzt ist unsere Kraft dafür frei, etwas zu verändern”
“Das Ärgste wurde abgewendet. Wir haben alles dafür getan, Hofer zu verhindern. Ich bin froh, dass die ÖsterreicherInnen eine Person, wenn sie sich länger mit ihr auseinandersetzen, auch durchschauen.
Für Aufbruch heißt das Ergebnis: Statt gegen einen Rechtsextremen in der Hofburg kämpfen zu müssen, ist unsere Kraft dafür frei, die herrschende Politik zu verändern. Das betrifft für mich vor allem die soziale Frage. Wir brauchen da wirkliche Verbesserungen statt nur schöne Worte. Dafür müssen wir weiter an der Zusammenarbeit innerhalb der Linken arbeiten.”
“Gefahr einer FPÖ-Regierung besteht weiter”
“Ich bin erleichtert, aber die Gefahr einer FPÖ-Regierung nach der nächsten Wahl besteht weiter. Mich hat erschreckt, wie stark Van der Bellen dem Rechtsruck entgegengekommen ist. Sein Wahlkampf setzte auf Heimat und neoliberale Wirtschaftspolitik. In der ORF-Diskussion stellte er sich nicht einmal gegen den Akademikerball. Das zeigt die rechte Hegemonie.
Jetzt gilt es, die heterogene Van der Bellen-Mehrheit zu nützen. Die Linke ist ein substanzieller Teil davon und sie muss in Zukunft sichtbarer werden. Wir müssen wieder stärker antifaschistische Positionen in den Vordergrund rücken.”
“Van der Bellen gewann, wo Flüchtlinge aufgenommen wurden”
“Mir ist ein großer Stein vom Herzen gefallen. Jetzt ist klar: Österreich will keinen Rechtsdemagogen als Präsidenten. Auch Linke und ÖVPlerInnen haben sich überwunden, Van der Bellen zu wählen. Ich verfalle aber nicht in große Hoffnungen. Die Stimmung im Land ist erschreckend.
Die wahren Herausforderungen bleiben ungelöst. Wir haben Rekord-Arbeitslosigkeit und die Regierung redet über eine Kürzung der Mindestsicherung. Sie macht nicht das, was eigentlich nötig wäre.
Eine Lehre für die SPÖ: Van der Bellen hat in den Städten gewonnen, besonders in Wien – also genau dort, wo Flüchtlinge aufgenommen wurden.”
“Wir müssen anschlussfähiger werden”
“Ich bin glücklich und erleichtert! Erleichtert, weil wir Zeit gewonnen haben, um uns politisch neu aufzustellen. Glücklich, weil das auch ein Votum für den antifaschistischen Grundkonsens und die Menschenrechte ist.
In diesem Wahlkampf haben viele Gruppen zusammengearbeitet und voneinander gelernt – etwa, wann wir etwas runterschlucken müssen, um an einem gemeinsamen Ziel zu arbeiten. Ich war auch viel am Land unterwegs und habe schnell gemerkt, dass vieles, was wir Linke für sinnvoll halten, andere Leute nicht erreicht. Wir müssen lernen, anschlussfähiger zu werden.
Umgekehrt war es spannend zu sehen, was für unterschiedliche Frauen sich von ‘Frauen gegen Hofer’ angesprochen fühlten. In diesem Wahlkampf ist viel Energie entstanden, die wir weiterführen sollten.”
“Wir haben vermutlich ein Jahr gewonnen”
“Das ist kein Triumph, nur ein Zeitgewinn. Wir haben vermutlich ein Jahr gewonnen, um das zu tun, was eigentlich notwendig ist: die antirassistische Bewegung stärken, in den Gewerkschaften arbeiten, möglicherweise eine Partei aufbauen, um für eine neue Gesellschaft zu kämpfen. Wir müssen uns jetzt sammeln, um eine gemeinsame Praxis zu entwickeln.
Ich habe mich gegen Hofer und für Van der Bellen engagiert, weil es mir als das Radikalste erschien, das man derzeit tun kann. Der neue Präsident trägt aber die neoliberale Politik mit, die wir bekämpfen müssen.
Jetzt bin froh, dass der Wahlkampf vorbei ist. Es gibt letztlich nichts Langweiligeres in der Politik.”
“Dieses Mal ist es sich noch ausgegangen”
“Ich bin sehr erleichtert und zuversichtlich. Viele Bekannte waren extrem angespannt, die hat das wirklich mitgenommen. Jetzt wissen wir: Dieses Mal ist es sich noch ausgegangen. Van der Bellen steht als Präsident für solidarische, weltoffene Politik.
Wir haben weiterhin viele Baustellen, etwa bei der Mindestsicherung, und stehen am Vorabend von Neuwahlen. Ich frage mich, ob bei den Regierungsparteien der Wille da ist, etwas positiv zu verändern. Wir brauchen jetzt eine Phase der Überlegung und der Reflexion, um etwas Neues aufzubauen.”