Vergangene Woche haben sich Aktivist*innen aus ganz Europa der European Gas Conference 2025 entgegengestellt – dieses Mal in Bukarest. Tomas Wurz aus Wien war dabei und erzählt mosaik-Redakteur Hannes Grohs im Interview von Repression, Erfahrungen der Selbstermächtigung und kommenden Pläne.
Die European Gas Conference (EGC) macht keinen Hehl daraus, was sie ist. Auf ihrer Website beschreibt sie sich als „closed-door forum“und „Europe’s most exclusive, invite-only gathering for senior decision-makers in gas, LNG, and green gas“. Wie problematisch es ist, dass hier hinter unter Ausschluss der Öffentlichkeit über die Energiezukunft Europas gemauschelt wird, haben Aktivist*innen in Wien 2023 und 2024 lautstark unterstrichen. Auf Einladung der OMV konnten CEOs und Politiker*innen über 15 Jahre lang ungestört in Österreichs Hauptstadt tagen. 2023 war damit Schluss. Mit einer Gegenkonferenz, diversen, kreativen direkten Aktionen und einer großen Demonstration zerrten die Aktivist*innen die EGC erfolgreich in die Öffentlichkeit. Die Akteur*innen des fossilen Kapitalismus fühlten sich in der Stadt mit der Donauinsel plötzlich nicht mehr so wohl.
Als sich 2024 ein ähnliches Bild des Widerstands ankündigte, sagten die Veranstalter*innen die Konferenz wegen angeblicher Sicherheitsbedenken kurzer Hand ab. Im Spätsommer 2024 dann die Ankündigung: Die EGC zieht für ihre nächste Ausgabe nach Bukarest um; Veranstaltungsdatum 20.-22. Jänner. Der Aktivist Tomas Wurz ist mit einigen anderen mit umgezogen und berichtet von den Protesten aus Bukarest und darin anschließenden Überlegungen.
mosaik: Mehr als 40 Menschen aus Deutschland, Kroatien, Österreich, Tschechien und Ungarn saßen am 17. Jänner in einem Bus nach Bukarest, um an den Protesten gegen die European Gas Conference (EGC) teilzunehmen. Du warst mit dabei. Warum?
Tomas Wurz: Im Wesentlichen gab es zwei Gründe. Zum einen war es uns wichtig, den Protest gegen die EGC nach 2023 und 2024 aufrechtzuerhalten. Wir wollen der Gasindustrie deutlich machen, dass wir es ernst meinen: Wenn ihr umzieht, ziehen wir mit. Der andere Punkt war, den rumänischen Genoss*innen vor Ort Solidarität zu zeigen und auch zu schauen, inwieweit wir hilfreich sein können – sowohl auf einer pragmatischen Ebene des direkten Supports, als auch wo Skillshare und Wissensweitergabe stattfinden können. Das zweitere hat sicher überwogen, weil klar war, dass wir in Bukarest nicht Wien 2023 wiederholen können.
Warum war klar, dass das Ausmaß des Protests nicht an Wien anschließen wird?
Die Mobilisierung war im Vergleich zu 2023 viel kleiner. Und natürlich spielt die geographische Distanz eine Rolle. Wir saßen 18 Stunden im Bus – die Genoss*innen aus Deutschland noch einmal zehn Stunden länger. Da ist es klarerweise leichter, wenn etwas in Wien stattfindet. Zusätzlich sind die lokalen Gegebenheiten ein springender Punkt: Es gibt vor Ort keine ausgeprägte Klimagerechtigkeits- oder generell radikal-linke Bewegung, an die in dem Ausmaß anzuknüpfen wäre.
Wie liefen die Proteste in Bukarest dann konkret ab?
Es gab den Plan, eine unangekündigte Spontandemonstration von einem 30 Minuten entfernten Treffpunkt zum Konferenz-Hotel zu machen. Spontan deswegen, weil uns gesagt wurde, dass es unmöglich sei, eine Demo anzumelden, die direkt am Hotel vorbeigeht. Allerdings kam es nicht zu dieser Sponti. Bereits am Treffpunkt waren Polizist*innen, die ID-Kontrollen durchführten, Genoss*innen festhielten und einige sogar mit auf die Wache nahmen und befragten. Das machte den eigentlichen Plan hinfällig. Wir formierten uns neu und stellten in unterschiedlichen Treffen neue Überlegungen für Kleingruppen-Aktionen an. Den restlichen Tag füllten wir dann tatsächlich noch mit sehr kreativen Protesten: Menschen haben sich vors Hotel gewagt, andere sind mit Karton-Schildern losgezogen und haben Bilder vor der österreichischen Botschaft oder mit der Konferenz verknüpften Gebäuden gemacht.
Geendet hat der Tag in einem langen Debrief. Und das schließt an den zweiten Grund an, warum wir nach Bukarest gefahren sind: Viele Menschen vor Ort erlebten die Proteste an diesem Tag als neue Form der Selbstermächtigung – vor allem auch jene, die sich selbst nicht als Aktivist*innen verstehen. Es war sehr schön zu sehen, dass wir von dem ursprünglichen Plan – der nicht kollektiv ausgearbeitet war – übergegangen sind zu einem gemeinsamen „Wie tun wir jetzt?“, „Was machen wir jetzt?“. Da war viel Drive drinnen.
Gleichzeitig bleibt ein nicht unwesentliches Ausmaß an Repression. Wie bewertest du das?
Das waren Einschüchterungsversuche. Es gab auch keine konkreten Vorwürfe. Es war auch sehr willkürlich, wen die Polizei mitgenommen hat. Von Leuten, die sich ein bisschen hartnäckiger gegen Kontrollen und Mitnahme ausgesprochen haben, wurde schnell wieder abgelassen. Es hat sich auch gezeigt, dass die Beamt*innen sehr schlecht vorbereitet waren – etwa was die Rechtslage betrifft.
Was aber natürlich schon beunruhigend ist, ist, dass auch in dem Hostel, in dem wir geschlafen haben, immer wieder Polizist*innen aufgetaucht sind – sowohl nachts als auch tagsüber. Sie wollten unsere Namen und Informationen, warum wir uns hier aufhalten. Die Eigentümerin des Hostels ist dem aber nicht nachgekommen. Sie hat die Polizist*innen sehr direkt abgewiesen. Lokale rechtskundige Personen haben uns gesagt, dass es in Rumänien systematische Repression gegen linke Gruppen bislang nicht wirklich gibt – auch weil es die entsprechenden Gruppen nur im eingeschränkten Ausmaß gibt. Insofern – und das sind auch die Worte der Genoss*innen vor Ort – ist das ein Level der Repression, das für Rumänien sehr hoch ist und bislang unbekannt war. Das weist schon darauf hin, dass da bis in die höchsten Ebenen ein großes Interesse bestand, möglichst viel in Erfahrung zu bringen.
Wie in den zwei vergangenen Jahren in Wien, gab es auch in Bukarest eine aktivistische Gegenkonferenz, die in den Tagen vor der EGC stattfand. Wie war hier dein Eindruck?
Die Gegenkonferenz war sehr gut besucht. Mehr als 160 Personen nahmen teil. Bei der Konferenz stand insbesondere das Projekt Neptun Deep an der rumänischen Schwarzmeerküste im Fokus. Es handelt sich dabei um das größte aktuell geplante Gasförderungsprojekt der EU – vorangetrieben von der rumänischen Tochtergesellschaft der OMV „OMV Petrom“ und dem rumänischen Staatsunternehmen „Romgaz“. Verschiedene Gruppen leisten gegen das Projekt Widerstand. Da hat das Knowledge Sharing auf der Gegenkonferenz sehr gut funktioniert.
Ansonsten gab es viel Raum, um sich kennenzulernen. Die Leute waren ziemlich begeistert. Auch hier war das Ausmaß kleiner als in Wien. Aber rumänische Genoss*innen haben uns gesagt, dass es die erste klimabezogene Konferenz war, die aus Graswurzelbewegungen kam.
Im mosaik strategy summer reflektierten Aktivist*innen aus Wien über die letzten zwei Jahre Protest gegen die EGC. Sie sprechen von einem „Internationalismus entlang der Pipeline“. Wie internationalistisch hat sich der Protest angefühlt?
Was klar gesagt werden kann, ist, dass EU-Länder westlich von Österreich – mit Ausnahme von Deutschland – nicht vertreten waren. Außerdem war es in Wien ja gelungen, auch Genoss*innen von der Kampagne „Don’t Gas Africa“ oder auch aus Texas, USA einzubinden. Das war dieses Mal auch nicht der Fall. Das hat aber auch einfach mit den Grundvoraussetzungen zu tun, dass der Protest dieses Mal anders aufgezogen wurde. Ansonsten war es sehr schön, dass Menschen aus mehreren europäischen Ländern da waren – etwa auch eine Person aus Georgien.
Von einem „Internationalismus entlang der Pipeline“ würde ich also nicht zwingend sprechen. Aber natürlich müssen wir überlegen, was gemeinsame zukünftige Ansatzpunkte sind. Wenn die EGC noch einmal in Bukarest stattfindet, gibt es die Chance noch einmal stärker Neptun Deep zu skandalisieren. Die rumänische Regierung ist da stark darin verstrickt und hat das Projekt mit umfangreichen PR-Kampagnen auch gut vor Unmut abgeschirmt. Kritischen Stimmen wie Greenpeace droht sie mit Kriminalisierung. Gleichzeitig ist klar, dass die richtig krassen fossilen Lock-ins aktuell im LNG-Bereich passieren.
Die nicht-flüssig Gasprojekte sind natürlich auch schwerwiegend genug und sprengen Klimaziele. Aber wenn man sich ansieht, was mit LNG-Förderungen in den USA und mit LNG-Import-Terminals in Europa passiert, ist das überschaubar. Insofern ist es wichtig, in diesem Bereich zu verhindern, was noch zu verhindern ist.
Was heißt das im Umkehrschluss für Aktivist*innen, die in Österreich aktiv sind?
Was das Thema Gas betrifft hat sich die Lage in Österreich in den letzten Jahren wesentlich verändert. Österreich hatte bis zum Jahreswechsel 24/25 eine Drehscheiben-Funktion für russisches Gas und war mit dem Baumgarten-Hub dafür verantwortlich, dass Gas von Osten nach Westen geflossen ist. Nachdem der Transit-Vertrag zwischen der Ukraine und Russland mit Jahresende ausgelaufen ist, hat sich das endgültig erledigt. Auch aus dieser Sicht macht die Verlegung der EGC nach Rumänien übrigens Sinn. Das Land wird 2027 für die Gasversorgung Europas wichtiger sein als Österreich. Auch weil die ganzen österreichischen Gasprojekte – Stichwort Molln – gefloppt sind bzw. es danach aussieht. Das heißt Österreich wird weder für eine Durchleitung von Gas relevant sein, noch in der Förderung.
Das bedeutet konkret?
Das bedeutet konkret, dass wir natürlich aufmerksam bleiben müssen, was insbesondere die OMV macht – einerseits mit Neptun Deep in Rumänien und andererseits im Hinblick auf russisches Gas. Es kann passieren, dass russisches Gas nach Aserbaidschan geliefert und dort umgelabelt wird. Und dann kommt es doch durch die Ukraine nach Europa. Das sind alles keine Ansatzpunkte für direkte Interventionen in Österreich, sondern betrifft eher die diskursive Ebene. Wir werden den entsprechenden Akteur*innen aber nichtsdestotrotz auf die Finger schauen.
Was wir in Österreich – unabhängig davon – auf jeden Fall tun können, ist eine Brücke zwischen Genoss*innen in West- und Osteuropa darzustellen. Da gibt es aus den letzten Jahren viel, worauf wir aufbauen können. Einerseits haben wir Genoss*innen aus Osteuropa besser kennengelernt. Gleichzeitig sind wir gut mit Organisierungsweisen in Westeuropa – insbesondere Deutschland und teilweise Frankreich – vertraut. Aber es braucht immer eine lokale Verankerung. Insofern bleibt auch abzuwarten, ob etwa die Erfahrung jetzt in Bukarest eine Initialzündung gesetzt hat oder etwas Singuläres für die Personen vor Ort war. Da liegt es auch nicht an uns, etwas zu pushen. Da sollten und können wir nur bedingt eingreifen. Aber ich sehe es schon als unsere Aufgabe, dass – wenn der Call aus Osteuropa kommt – wir hier in Wien das dann ernst nehmen, unterstützen und mobilisieren.
Zwei Fragen zum Schluss: Die EGC 2026 ist schon angekündigt, wie sehen dahingehend eure Pläne aus? Und inwiefern macht euch die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten das Leben zusätzlich schwer?
Unklar ist, ob die EGC auch nächstes Jahr wieder in Bukarest stattfindet. Wenn ja, geht es darum, die Fühler nach Rumänien auszustrecken und deren strategischen Einschätzungen abzuholen. Andere Szenarien werden wir in den kommenden Wochen und Monaten diskutieren.
Was Trump betrifft, denke ich, dass sich nicht viel ändern wird. Die Fördermengen sind auch unter Biden extrem gestiegen. Natürlich sind diese neuen Dekrete und der Energienotstand bull crap. Gleichzeitig wird es an der materiellen Lage nicht so viel ändern. Die Überkapazitäten sind ohnehin schon da. Auch die EU hat LNG-Import-Überkapazitäten. Von dem her war vor Trumps Antritt schon alles schlimm genug. Aber natürlich spitzen sich Fragen des Widerstands gegen LNG-Projekte – gerade in indigenen Gebieten – noch einmal zu.
Interview: Hannes Grohs
Foto: privat