Teure Öffis und Massentourismus: Der Verkehr in Salzburg ist kaputt

Salzburgs Straßen sind verstopft und überfüllt. Der Massentourismus und schlechte Öffis sind ein massives Problem. Die Politik kümmert sich darum nicht, sondern versucht stattdessen, noch mehr TouristInnen nach Salzburg zu locken. Eine zornige Problemanalyse und ein paar Vorschläge zur Verbesserung von Nikolaus Dimmel.

Salzburg ist die Stauhauptstadt Österreichs. 152.000 Menschen leben hier. Gleichzeitig besuchten 2017 neuneinhalb Millionen TouristInnen das „Weltkulturerbe“, also 26.000 am Tag. Doch die Stadtregierung denkt weder daran, diese Zahlen zu reduzieren, noch die Verkehrsüberlastung zu entspannen. Bis 2020 sollen es zwölf Millionen TagestouristInnen sein. Sie kommen vor allem mit dem Auto oder dem Bus. Unterdessen wird die Salzburger Innenstadt für die BewohnerInnen der Stadt immer unattraktiver. 18.000 selfie-manische Reisende drängeln sich täglich am Makart-Steg, einer Brücke für FußgängerInnen und RadfahrerInnen über die Salzach. Da ist kein Durchkommen, aber auch kein „Recht auf Stadt“ mehr.

Überall Luxus und Airbnb

Zwei Drittel aller SalzburgerInnen meiden die Innenstadt: zu laut, zu teuer, zu überlaufen, zu versnobbt. Die Zahl der im städtischen Kernbereich lebenden Menschen sinkt unaufhaltsam. So leben im geschützten Altstadtbereich nur noch 10.000 Menschen, im Festspielbezirk 54 und im Domviertel nur 73. Statt Menschen häuft sich hier der Müll, den die TouristInnen zurücklassen. Große Teile der Innenstadt sind schlicht unbewohnbar geworden, ihren Charakter hat sie ohnehin schon verloren. Von Ruhe kann keine Rede mehr sein, bis zwei Uhr früh ist quasi Hochbetrieb. Knappe 900 Airbnb-Wohnungen gibt es bereits in der Stadt. Das tourismus-industrielle Kapital und seine politische Dienstklasse schafft so urbane Segregation.

Und so ist der verfügbare Wohnraum in der Innenstadt völlig überteuert. Preise von bis zu 2.000 Euro pro Quadratmeter sind keine Seltenheit. Wohnraum bleibt Reichen und Schönen vorbehalten. Und während gemeinnützige Wohnbaugenossenschaften Luxusappartments bauen, stehen in Salzburg von den 86.000 Wohnungen in Salzburg 15.000 leer.

Zersiedeltes Salzburg

Diese Gentrifizierung hat dramatische Auswirkungen auf den innerstädtischen Verkehr. Weil sich immer weniger Leute die Miete im städtischen Kerngebiet leisten können, pendeln beinahe 50.000 Leute täglich in die Stadt ein. Salzburg wächst viel langsamer als andere Städte. Die PendlerInnen sind aber nicht die einzigen, die die Straßen verstopfen. Zwischen 2015 und 2017 stieg die Zahl der Reisebusse, die in die Stadt kamen, von jährlich 39.000 auf 51.000. Das macht 300 jeden, einzelnen Tag. Bei einem Bus mit durchschnittlich 50 Plätze entspricht das zweieinhalb Millionen Bus-TouristInnen; alleine den Christkindlmarkt besuchen über eine Millionen Leute, die meisten davon mit dem Bus. Diese Busse fahren direkt in die Stadt und sind wesentlicher Auslöser für Abgasbelastung und Dauer-Stau.

Zudem fahren fast vier Millionen motorisierte TagestouristInnen, aber auch PendlerInnen direkt bis in die Innenstadt. Sie bringen die Verkehrsinfrastruktur zum Kollabieren, verursachen Abgase und Lärm, vernichten die Nutzbarkeit des öffentlichen Raums für die StadtbewohnerInnen und produzieren enorme Zeitverluste. Die Parkgaragen in der Innenstadt sind an Hochfrequenztagen bereits zu Mittag ausgelastet, der Rückstau zieht sich durch alle Hauptverkehrsstraßen. Das unverbindliche Angebot der Park-and-Ride-Parkplätze am Stadtrand wird gar nicht oder kaum angenommen.

Überrannt und dysfunktional

Grund dafür ist die politische Entscheidung für eine ungesteuerte touristische Übernutzung der städtischen Infrastruktur. Ziel der Verkehrs- und Tourismuspolitik dieser Stadt ist die fortlaufende Steigerung der TagestouristInnen- und Nächtigungszahlen, sowie der Ausbau der Dominanz des motorisierten Individualverkehrs im Stadtgebiet. Sinnbildlich steht dafür die Mönchsberggarage. 150 neue Parkplätze entstehen dort, die Garage wird ausgebaut und so den immer größeren Autos gerecht werden. Statt der ursprünglich dafür veranschlagten 24 Millionen, rechnet man mittlerweile mit Kosten von 28 Millionen Euro.

Der schlecht organisierte, dysfunktionale und überteuerte öffentliche Verkehr wurde währenddessen unattraktiv gemacht. Er ist absurd langsam (teils 15-20 Minuten Intervalle), steht selbst im Stau und ist zu teuer: 2,70 Euro kostet ein Ticket, auch für eine Kurzstrecke. Stadtteile wie Leopoldskron sind nach 20:00 faktisch abgehängt, sodass man bei 30 Minuten-Intervallen abhängig von der Strecke zu Fuß ebenso schnell ist wie mit dem Bus. 2018 hat das kontinuierliche Disinvestment (Stadt und Land Salzburg als Teileigentümer schöpfen 25 Millionen Euro Gewinn ab) dazu geführt, dass ein Drittel der Flotte zur Servicierung außer Dienst gestellt war.

Es geht auch anders

Das zentrale Kriterium einer sozioökologisch-nachhaltigen und sozial-inklusiven Mobilitätslösung ist es, Wege möglichst platzsparend und energie-schwach mit dem öffentlichen Verkehr, dem Fahrrad, zu Fuß oder in Kombination verschiedener Verkehrsmittel (Modal Split) zurückzulegen. Das würde die Etablierung eines eines multi-modalen Mobilitätskonzeptes bedeuten, bei dem die Mehrheit der Alltagswege zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt wird. Notwendig für den Modal Split ist ein dichtes Netz an Bike-, Roller- und Car-Sharing-Standorten nach dem Prinzip „Nutzen statt Besitzen“.

Ebenso notwendig wäre ein Verbot des touristischen Individualverkehrs im städtischen Kernbereich. BesucherInnenströme können mit Drehkreuzen gedrosselt, Zugangsbeschränkungen verhängt und Nutzungsgebühren eingehoben werden, wie für den Salzburger Dom bereits geplant ist. Bedarfsdeckende, das tatsächliche Verkehrsaufkommen abdeckende Park & Ride-Plätze können an Autobahnabfahrten und Stadtzufahrten errichtet werden. Effektiv wird diese Steuerung nur, wenn TouristInnen gezwungen sind, diese zu nutzen. Hier könnte man Parkgebühren in Höhe von 50 Euro täglich für PKW und 750 Euro am Tag (also 15 pro Fahrgast) für Reisebusse einheben, ergänzt durch eine 20 € Tageskarten-Gebühr für den Besuch des Weltkultur-Erbes. Jeder dieser P&R-Plätze ist an das Bus-Netz anzubinden, wie dies bereits in Salzburg-Süd der Fall ist. Der Ertrag aus der Parkraumbewirtschaftung (zirka 237 Millionen Euro) könnten dafür ebenso verwendet, wie für einen Null-Tarif in den Öffis.

Das Geld ist da

Auch die Errichtung von Radverkehrsflächen, die baulich-technisch vom motorisierten Individualverkehr getrennt sind, wäre notwendig. Hierzu sind im bestehenden urbanen Raum Einbahnsysteme zu nutzen. Zweckmäßig wäre die Errichtung von Radschnellwegen vom Umland direkt ins Stadtzentrum. Zusammen mit E-Bikes leisten derartige Highways einen substanziellen Beitrag im Pendelverkehr. Im Vergleich zum PKW-Verkehr sind sie konkurrenzlos kostengünstig.

Schließlich braucht es eine radikale Umgestaltung der Bustarife und des Fahrplantaktes. Der Preis für die Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsmittel im Stadtbereich könnte NULL betragen, querfinanziert durch den motorisierten Tages- und Kurzzeit-Tourismus. Eine Jahresmobilitätskarte (365 Euro) könnte die Nutzung sämtlicher Mobilitätshilfen im Modal-Split (Sharing: E-Car, E-Rad, E-Roller; S-Bahn) abdecken. Zwischen 5:00 früh und 23:00 muss ein Intervall von zehn Minuten möglich sein.

Raum für das gute Leben

Die Salzburger Innenstadt, mehr touristisch-übernutzes Freilichtmuseum als Lebensraum, macht deutlich, was sich hinter der Forderung “Recht auf Stadt” wirklich bedeuten sollten: Die vorteilhafte Nutzung und Mitgestaltung des urbanen Raums durch jene, die dort leben und arbeiten. Stadt ist weder Ware noch Stauraum für “Stehzeuge”, sondern ein Lebensraum. Das gilt insbesondere für einen touristischen “hot spot”.  Stadt braucht als Raum für das Gemeinwesen kein Standortmarketing, sondern Raum für das gute Leben. Das aber ist nur mit einer sozial inklusiven und ökologisch nachhaltigen Mobilität zu haben.

Nikolaus Dimmel ist Universitätsprofessor am Fachbereich für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften der Rechtswissenschaftlichen Fakultät Salzburg.

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