Seit Jahren verschlechtern sich die Arbeitsbedingungen des Mittelbaus durch Wettbewerbsorientierung, Befristungen und mangelnde Finanzierung. Die Inflation treibt diese Entwicklung an die Spitze. Das „Netzwerk Unterbau Wissenschaft“ fordert eine Reform des österreichischen Hochschulsystems.
Vergangenes Jahr verschärfte sich die Situation des sogenannten Mittelbaus, des wissenschaftlichen Personals ohne Professur, drastisch. Mit der Novellierung des Universitätsgesetztes legte die türkis-grüne Bundesregierung die bestehende Kettenvertragsregelung (§109) neu fest. Befristet Angestellte sollen nunmehr nach acht Jahren auf Berufslebenszeit für weitere befristete Dienstverhältnisse an derselben Universität gesperrt werden. Das kommt im Endeffekt einem Berufsverbot gleich.
Am sechsten Dezember gingen daher in Wien über 700 Personen des Mittelbaus auf die Straße. Unmittelbarer Anlass für den Protest war der Beginn der Kollektivvertragsverhandlungen zwischen dem Dachverband der österreichischen Universitäten und der Gewerkschaft öffentlicher Dienst (GÖD). Für die zweiundzwanzig Universitäten fehlen derzeit insgesamt mehr als fünfhundert Millionen Euro, was an der Uni Wien einen sechsmonatigen Anstellungsstopp zur Folge hat. In Anbetracht der eklatanten Finanzierungslücken für die kommenden beiden Jahre forderten die Demonstrierenden einen inflationsdeckendem Gehaltsabschluss für die Universitätsbediensteten. Darüber hinaus richtete sich der Unmut zugleich gegen die vorherrschenden prekären Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisse.
Unterbau statt Mittelbau
Zu dem Protest aufgerufen hatte das Netzwerk Unterbau Wissenschaft (NUWiss). Wissensarbeiter:innen in verschiedenen prekären und befristeten Anstellungsverhältnissen gründeten das Netzwerk 2021. Die Bezeichnung Unterbau macht auf die Folgen des Universitätsgesetzes 2002 aufmerksam. Durch die damit verbundenen personalpolitischen Veränderungen wurde der einstige akademische Mittelbau praktisch durch einen sogenannten Unterbau ersetzt. Dieser stemmt seitdem auf Grundlage befristeter Beschäftigungsverhältnisse und ohne Aussicht auf eine dauerhafte Anstellung das Gros an Lehre, Forschung, Gremienarbeit und Drittmitteleinwerbung. Mittlerweile liegt der Anteil befristeter Beschäftigungsverhältnisse an österreichischen Universitäten bei rund 80 Prozent, so dass sich die Situation für die Betroffenen im internationalen Vergleich besonders prekär gestaltet.
Die Universität als Unternehmen
Diese Entwicklungen sind Ergebnis umfassender und unter neoliberalen Vorzeichen vorangetriebener Restrukturierungsprozesse des öffentlichen Sektors, wie sie sich in den vergangenen Jahrzehnten eben auch im Hochschulbereich manifestiert haben. Angesichts zunehmender Ökonomisierung, Wettbewerbsorientierung sowie der Ausrichtung an Exzellenz-Indikatoren verstehen sich Universitäten primär als Unternehmen denn als Forschungs- und Bildungsinstitutionen. Um unter verschärften Wettbewerbsbedingungen auf Bildungsmärkten bestehen zu können, setzen sie auf betriebs- und marktwirtschaftliche Prinzipien. Dem Faktor „Innovation“ wird dabei eine besondere Bedeutung beigemessen. Während Wettbewerb und Konkurrenz, so das neoliberale Credo, Innovation befördere, seien Fixanstellungen für ein Wachstum qua Innovation hinderlich. Noch dazu würden sie das universitäre System dauerhaft „verstopfen“. Letzteres – hierin scheinen sich Politik und Universitätsleitung einig zu sein – gelte es zu unterbinden, um nicht den Forschungsstandort Österreich zu gefährden.
Wider dem Wettbewerbs- und Innovationsdruck
Diesem scheinbar unausweichlichen Wettbewerbs- und Innovationsdruck, durch den befristete Anstellungsverhältnisse an Universitäten oftmals legitimiert werden, will NUWiss ein Ende machen. Im Vorfeld der Demonstration nahm der Mittelbau der Uni Wien deswegen einen breiten Forderungskatalog an. Neben kurz- und mittelfristigen Forderungen, die unter anderem die ersatzlose Streichung der Kettenvertragsregelung vorsehen, enthält der Forderungskatalog zugleich auch grundlegende Maßnahmen, mit deren Hilfe das österreichische Hochschulsystem entsprechend reformiert werden soll. Hierzu zählen etwa die Reduktion der ausufernden Wettbewerbsorientierung in der Wissenschaft, die Schaffung von Dauerstellen für Daueraufgaben im Sinne einer nachhaltigen Personalpolitik wie auch die generelle Demokratisierung der Universitäten.
„Hey GÖD sei nicht feig – höchste Zeit für Bildungsstreik“
Am vergangenen Dienstag setzte der Unterbau ein erstes, öffentlich sichtbares Zeichen. Mit Blick auf die aktuellen Lohnverhandlungen und die kaum wahrnehmbare Unterstützung durch die GÖD machten die Protestierenden vor der Gewerkschaftszentrale lautstark auf die grundsätzliche Streikbereitschaft des Unterbaus aufmerksam. Während in Wien heute ein weiteres Online-Treffen geplant ist, wurde mittlerweile auch an der Johannes-Kepler-Universität in Linz eine Unterbau-Initiative ins Leben gerufen. Es tut sich also etwas an den Universitäten. Vor dem Hintergrund der seit Jahren vorherrschenden prekären Verhältnisse an österreichischen Unis und den bereits angekündigten Einsparungen von Seiten der Universitätsleitungen haben betroffene Wissenschaftler:innen in der Tat nichts mehr zu verlieren als ihre Kettenverträge.
Foto-Credits: Raphael Deindl