“Voll organisiert” – Unter Palmen über linke Medienarbeit und ihre Grenzen

Illustration Unter Palmen Redaktion

Die Zeitung “Unter Palmen” ist eines der drei Projekte des Vereins “Argument Utopie“. Mit ihr, sowie mit ihrem Podcast und einem Handy-Newsletter, wollen die ehrenamtlichen Redakteur*innen kritische Bildungsarbeit leisten und alternative Formen des Zusammenlebens diskutieren. mosaik hat sich mit Laura und Tobi aus der Zeitungsredaktion getroffen und über Ziele und Herausforderungen von linker Medienarbeit gesprochen.

mosaik: Hallo ihr beiden! Was ist denn das Thema eurer neuen Ausgabe und was kann man sich davon erwarten?

Tobi: Das übergeordnete Thema ist politische Organisation. Im weitesten Sinne. Wir arbeiten mit einem relativ weiten Politikbegriff, also versuchen uns jetzt nicht nur in parteipolitischen Organisationen, sondern auch in abstrakteren oder weitergefassten Formen von Organisation zu bewegen. Der Titel ist „Voll organisiert“.

Laura: Es sind individuelle Perspektiven drin, wie man selber politisch agieren oder ein Ohnmachtsgefühl überwinden kann, und es werden spezifische Organisationen und deren Arbeit vorgestellt.

mosaik: Habt ihr ein Beispiel aus der Ausgabe, dass einem nicht sofort einfallen würde, wenn man an eine politische Organisation denkt?

Tobi: Spontan fällt mir ein: In der letzten Radiosendung auf Radio Orange wird die „Union für die Rechte von Gefangenen“ interviewt. Das ist eine politische Gruppe, die eben für Rechte von Menschen im Gefängnis eintritt. Die kannte ich vorher auch nicht und das ist cool, dass sich die Redaktionen dann auch gegenseitig andere Perspektiven bringen.

mosaik: Wie lief der Prozess hinter der Ausgabe ab? Wie seid ihr auf das Thema gekommen?

Laura: Grundsätzlich ist es so, dass Personen Ideen haben und das dann in die Plena bringen. Dann wird diskutiert, ob das schon ein paar Leute interessiert. Dann werden die Pitches im gesamten Plenum vorgestellt und dann entscheiden alle zusammen, ob das Thema gut passt. Also ein sehr kollektiver Prozess eigentlich.

Tobi: Ich glaube, für diesen Pitch war die Perspektive auf dieses Superwahljahr ausschlaggebend. Das war, denke ich, ein wichtiger Punkt für viele von uns, dafür zu stimmen.

mosaik: Alle Redaktionen heißt die Zeitungsredaktion und die Podcast-Redaktion?

Laura: Ja, Zeitung, Radio, Podcast, Newsletter.

Tobi: Genau, grundsätzlich arbeiten die Redaktionen schon separat. Es gibt aber auch viele Überschneidungen von Leuten, die in mehreren Redaktionen sind.

mosaik: Wie läuft denn eure eigene politische Organisierung momentan? Seht ihr euch selbst als politische Organisation, und wie geht es euch gerade in eurem Prozess?

Tobi: Ohnmacht war sowohl in der Zeitung als auch in unserer Gruppe ein großes Thema in dieser Season. Ich glaube grundsätzlich versteht sich Unter Palmen schon ganz klar als politische Organisation, auch wenn wir jetzt nicht direkt agitieren. Aber unsere Medienarbeit hat immer einen politischen Anspruch und der Verein heißt auch Argument Utopie, weil das Ziel war, damit irgendwo hinzukommen. Es gibt in der Ausgabe auch einen Text über uns, den wir zusammen geschrieben haben. Darüber, wie wir uns organisieren, was die Schwierigkeiten und was die Stärken von unseren Strukturen sind.

Laura: Ich würde auch sagen, dass wir eine politische Organisation sind. Eben mit ein paar Änderungen. Es ist nicht so klassisch vielleicht.

mosaik: Ihr habt erwähnt, dass ihr viel Fluktuation hattet in den letzten Jahren. Das ja ein Phänomen, dass es in vielen politischen Kontexten gibt. Was macht das mit eurer Arbeit oder auch mit der Zeitung an sich?

Tobi: Gerade jetzt bei dieser Ausgabe sind viele neue Leute dazu gekommen. Für mich als Person, die schon vorher dabei war, würde ich in der Reflektion sagen, dass wir uns vielleicht ein bisschen zu viele Freiräume gegeben haben. (lacht) Es gibt eine Art Fundament, weil es diesen Verein seit zehn Jahren gibt, und mit der Zeit wurde sich erarbeitet, wie es funktionieren kann, mit dieser Fluktuation umzugehen. Und ich habe am Anfang dieser Season vielleicht etwas blauäugig gesagt: „So, jetzt sind wir mal neu zusammengestellt, jetzt können wir mal ein bisschen machen, worauf wir Bock haben“. Das war dann manchmal ein bisschen schwierig.

Laura: Ich hatte auch das Gefühl, wir haben teilweise nicht so ganz klar eingeteilt, wer für was zuständig ist. Es war schon ein bisschen unstrukturiert. (beide lachen)

mosaik: Kann denn theoretisch jeder bei euch mitmachen oder gibt es dafür bestimmte Voraussetzungen?

Tobi: Die Idee ist schon, dass eigentlich alle Leute mitmachen können. Es müssen natürlich ein paar Sachen passen, zum Beispiel, dass wir uns verstehen und halbwegs aligned sind. Aber grundsätzlich melden sich auch immer wieder Leute bei uns einfach per Mail oder auf Instagram und dann treffen wir uns mal. Auch wenn dieser Prozess manchmal ein bisschen dauert, freuen wir uns grundsätzlich immer. Unter Palmen lebt auch von dieser Fluktuation, weil eben immer wieder Leute aufhören. Und die Idee ist auch, dass es für die externen Autor*innen, die wir betreuen, auch eine Möglichkeit ist, ohne journalistische Erfahrung Textarbeit zu machen.

Laura: Diese Zugänglichkeit, dass auch jeder die Zeitung versteht, dass zum Beispiel nicht so viele akademische Begriffe in den Texten sind, das ist schon wichtig bei uns.

mosaik: Das leitet perfekt zur nächsten Frage über: Es gab 2020 schon mal ein Interview mit Unter Palmen, da wurde darüber geredet, dass man versucht, ein bisschen aus der akademischen Bubble herauszukommen. Würdet ihr sagen, da hat sich etwas verändert, beziehungsweise ist das etwas, das ihr nach wie vor ändern wollt?

Laura: Grundsätzlich sprechen wir glaube ich schon Personen in der Bubble an. Aber es war auch bei dieser Ausgabe ein Anspruch, dass eben nicht zu viele akademische Begriffe vorkommen oder dass Dinge erklärt werden, die man nur weiß, wenn man das und das gelesen hat.

Tobi: Ich glaube wir kommen dem Unikontext nicht ganz aus, auch weil wir alle Studierende sind, mehr oder weniger. Und weil wir natürlich nur aus unserer Perspektive arbeiten können, auch wenn wir versuchen, eine gewisse Zugänglichkeit zu schaffen. Gleichzeitig kommt der Großteil unserer Finanzierung auch aus Unikontexten oder Studierendenvertretungen, für die wir dann auch argumentieren müssen, warum unser Medium relevant für Studierende ist – was dann diesen Zyklus wiederum weiterführt. Ob das jetzt gut oder schlecht ist, ist die Frage.

mosaik: Würdet ihr sagen, sich politisch organisieren zu können ist ein Privileg oder ist das etwas, das jeder tun kann?

Laura: Wenn man sich-politisch-organisieren auf einer individuellen Ebene denkt, dann kann jede Person politisch handeln. Zum Beispiel auf Demonstrationen gehen, sich politisch informieren, et cetera. Wenn es um Organisationsarbeit, zum Beispiel in einem Verein geht, gibt es schon noch andere Faktoren zu bedenken.

Tobi: Ich glaube, es gibt sicher Intersektionen mit einer Menge anderer Faktoren. Allein Klassenfaktoren und auch Lohnarbeitszwang ist bei uns ein großes Thema, weil wir ehrenamtlich arbeiten. Ich finde man kann immer relativ klar sehen, wer gerade mehr Kapazitäten hat. Und das sind meistens Leute, die nicht so einen großen ökonomischen Zwang haben, zumindest nicht in dem Moment. Und es gibt noch ein paar andere komplizierte Faktoren, wir sind beispielsweise schon noch ein sehr weißes Medium und das müssen wir reflektieren und damit arbeiten.

mosaik: Wenn ihr jetzt zurückblickt auf die letzten Monate, seid ihr insgesamt zufrieden mit eurer Arbeit und gibt es noch etwas, das noch besser laufen könnte oder wo ihr Unterstützung benötigen könnten?

Tobi: Ich glaube es ist immer wieder krass zu sehen, dass dann am Ende wirklich eine Ausgabe da ist. Also ich glaube, es ist ein Teil des Prozesses zu denken: „Wie soll das alles jemals fertig werden?“. Und jetzt die fertige Zeitung zu sehen ist schon sehr nice und erleichternd. Ich glaube die größten Probleme die letzten Monate waren Finanzierungsfragen, weil eine große Förderung weggebrochen ist, und Kapazitätsfragen.

mosaik: Letzte Frage – Nachdem politisch momentan alles ziemlich scheiße aussieht, woher zieht ihr eure Motivation, eure Arbeit weiter zu machen?  

Tobi: In der neuen Ausgabe hat eine Person aus unserer Redaktion einen Text geschrieben, der heißt „Argument kontra Utopie“. Da bringt er statt der Utopie die Fabulation ein, als etwas, das wir ständig zusammen neu erzeugen, um da hin zu arbeiten. Und dass das auch nur in so ganz kleinen Geschichten entstehen kann. Das fand ich ganz schön und auch passend für Unter Palmen. Persönlich ist meine Perspektive darauf, wie scheiße das Jahr war, dass es keine Alternative gibt, als weiter zu machen.

Laura: Bei mir ist es schon eher dieser Utopie-Gedanke. Also ich finde das mit der Fabulation auch schön und sehe das auch mit den kleinen Geschichten, aber für mich persönlich passt dieser Utopie-Gedanke auch ganz gut. Weil ich ein sehr optimistischer Mensch bin und es wichtig finde, dass man auch positive Zukunftsvisionen hat. Einfach für sich persönlich, aber auch als Gruppe ist das sicher etwas Gutes. Und dieses Weitermachen finde ich auch gut, dieses Dranbleiben.

mosaik: Auf jeden Fall. Dann vielen Dank euch, wo kann man denn die neue Ausgabe bekommen, wenn man sie lesen möchte?

Tobi:  Die Zeitung ist gratis und man kann ein kostenloses Abo auf der Webseite abschließen. Sonst liegt sie an mehreren Unis und hier im 4lthangrund aus. Wo sie ausliegt kommt immer darauf an, wie viel Kapazitäten wir haben, sie dahin zu tragen. (beide lachen)

Foto: Unter Palmen-Redaktion

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