Umverteilung – aber wer, wie und gegen wen?

Es fehlt nicht an politischen Alternativen, sondern an Strategien, wie diese umzusetzen sind, argumentieren Hanna Lichtenberger und Martin Konecny.


In Verteilungsfragen ins Zentrum rücken! fordert Markus Marterbauer zu Recht Arbeitsverkürzung, Vollbeschäftigungspolitik und Vermögenssteuern. Was in Österreich fehlt, ist die Verknüpfung solcher Konzepte mit einer Strategie, wie diese umsetzbar sind. Wir müssen danach fragen, wer die AkteurInnen sind, die solche Projekte wo, wie und gegen wen durchsetzen können. Ausgangspunkt ist dann nicht die Frage, welche Wirtschaftspolitik „falsch“ oder „richtig“ ist, sondern wer von der jetzigen Politik profitiert und wer deren Kosten trägt.

Vor allem in der Sozialdemokratie hat sich die Ansicht durchgesetzt, die Krisenpolitik der letzten Jahre habe die gesellschaftliche und wirtschaftliche Situation nur verschlimmert. Auf den ersten Blick lässt sich das auch so argumentieren: Es gibt kaum Wirtschaftswachstum und die Löhne stagnieren oder fallen, während die Arbeitslosigkeit europaweit auf ein historisch hohes Niveau klettert. Umso begeisterter verweisen sozialdemokratische Kräfte dann auf Studien des Internationalen Währungsfonds, die größere staatliche Investitionen fordern oder auf Rechenfehler neoliberaler ÖkonomInnen.

Die Logik dahinter: Die vergangenen Jahre waren nur ein Ergebnis falscher Berechnungen und/oder falscher Wirtschaftstheorien, weshalb es einfach nur noch bessere Argumente braucht, mit denen man PolitikerInnen von einem Kurswechsel überzeugen kann. Doch dieses Bild ist trügerisch. Denn bei der Kürzungspolitik der letzten Jahre ging es um mehr als um falsche Theorien und fehlerhafte Zahlen.

Kürzungspolitik als Klassenkampf

Auch wenn es für die ökonomischen Eliten auf Dauer nicht ausreicht, sich ein größeres Stück vom gleichbleibend großen Kuchen zu organisieren, ist dennoch eines deutlich: Das oberste Prozent hat seine Vermögen ausgebaut und die Aktienkurse von New York bis Frankfurt feiern Höchststände. Ökonomische Eliten konnten während der Krise ihre politische wie ökonomische Macht weiter ausbauen. Zum einen hat die Kürzungspolitik den arbeitenden Menschen soziale Rechte und damit auch gesellschaftliche Macht geraubt. Zum anderen schränken neue Vorgaben ausgeglichener Staatshaushalte, wie z.B. der Fiskalpakt (beschlossen mit Stimmen der Mitgliedsstaaten), Handlungsspielräume fortschrittlicher Wirtschaftspolitik deutlich ein.

Gleichzeitig werden demokratische Spielräume immer kleiner gemacht, etwa in den „Krisenländern“ Südeuropas, wo demokratisch gewählte Regierungen durch sogenannte ExpertInnenregierungen, also TechnokratInnen ohne jede demokratische Legitimation ersetzt wurden. Die große Mehrheit der Bevölkerung verliert durch die Krisenpolitik der EU, nicht nur in Griechenland. Aber wenn diese Mehrheit eine andere, gerechtere Politik fordert, ist der Vorwurf des Klassenkampfes nicht weit. Dabei ist diese Kürzungspolitik selbst nichts anderes als Klassenkampf von oben. Hier müssen wir ansetzen.

Viele Kämpfe, kein Projekt

Wenn wir gesellschaftliche Machtverhältnisse ins Wanken bringen wollen, müssen wir uns strategisch überlegen, wie wir dahin kommen. Die Bevölkerung in Österreich mag nicht für ihre ausufernde Kampfeslust bekannt sein – dennoch müssen wir unsere Aufmerksamkeit auf soziale Kämpfe lenken. Denn diese existieren, auch wenn sie oft unsichtbar gemacht werden: In Lohnauseinandersetzungen, in Initiativen für leistbares und gutes Wohnen, in Ansätzen solidarischer und ökologischer Landwirtschaft oder in Mobilisierungen gegen Rassismus und Faschismus. Doch sie existieren nebeneinander, bleiben häufig isoliert und gerade dadurch wenig sichtbar. Es gibt keine politische Akteurin in Österreich, die versucht, Kämpfe miteinander zu verbinden. So gibt es auch niemanden, der oder die Forderungen von Bewegungen selbstbewusst und weithin hörbar in die mediale Öffentlichkeit, in die politische Arena und das Parlament trägt. Nicht zuletzt fehlt es an einer gemeinsamen Sprache, die Alternativen zu einem gemeinsamen Projekt zusammenführt. Weil aktuelle Krisenpolitik Klassenkampf von oben ist, müssen wir die politischen und ökonomischen GegnerInnen identifizieren, benennen und Politik im offenen Widerspruch zu ihnen machen.

Kämpfe für eine andere Politik können nicht allein in den engen österreichischen Grenzen gedacht werden. Auch wenn es politisch richtig ist, eine alternative Politik auf nationalstaatlicher Ebene voranzutreiben und nicht darauf zu warten, dass sich auf EU-Ebene etwas ändert, müssen wir über den österreichischen Tellerrand hinausblicken. In Griechenland und Spanien stehen linke Parteiprojekte kurz vor der Möglichkeit, durch Wahlen an die Regierung zu gelangen. Sollte dies gelingen und die neuen Regierungen nicht am Druck der europäischen wie nationalen Eliten zerbrechen, kann das auch für die Auseinandersetzungen in anderen Ländern Auswirkungen haben. Ein Bruch mit der Kürzungspolitik in einem Land kann deutlich machen, dass es andere Möglichkeiten gibt, der gegenwärtigen Krise zu begegnen. Nicht aus Mitleid, sondern aus Solidarität und strategischer Orientierung, gilt es daher gerade auch in Österreich diese Projekte aktiv zu unterstützen.

Seien wir realistisch: Der Klassenkampf wird gerade von oben betrieben – und das leider oft erfolgreich. In dieser Situation können progressive Kräfte nicht einfach weitermachen wie bisher. Es reicht nicht, eigene Kleinprojekte voranzutreiben und dabei aneinander vorbei zu arbeiten. Die Lage ist viel zu ernst, um weiterhin in der Zersplitterung und unverbunden Politik zu machen.

Hanna Lichtenberger ist Redakteurin von mosaik, Politikwissenschaftlerin und Historikerin in Wien.

Martin Konecny ist Redakteur von mosaik, Politikwissenschaftler und beschäftigt sich derzeit vor allem mit den Perspektiven der griechischen Linken.

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