Eine Chance im Chaos – Trumps Zölle und die Linke

Gestapelte Container in einem Hafen

In den letzten Wochen sorgten die von US-Präsident Donald Trump initiierten Zölle weltweit für Chaos. Internationale Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Theresa Kofler erklärt, warum diese Entwicklungen auch für die europäische Linke ein Weckruf sein sollten.

Mit dem „Liberation Day“ und der neuen US-amerikanischen Zollpolitik will Donald Trump laut eigener Aussage eine neue Ära in der globalen Wirtschaft und Politik einleiten. Die USA sollten wirtschaftlich unabhängig werden und sich von der Ausbeutung anderer Staaten befreien. Trumps Zölle sollen dabei wie unsichtbare Mauern wirken. Das Schlechte, also zu billige Produkte aus dem Ausland draußen halten und das Gute, in der USA produzierte Produkte, stärken. Ob das gelingen wird, ist zwar mehr als fraglich. Klar ist trotzdem, dass eine neue Logik auf internationaler Bühne herrscht, auf die sich eine europäische Linke einstellen muss.

Ungebändigte Globalisierung

Die letzten 40 Jahre der globalen Wirtschaft waren geprägt von Liberalisierungen und internationalen Institutionen und Verträgen. Das heißt, weniger Zölle, weniger Handelshemmnisse und mehr internationaler Waren- und Kapitalverkehr. Diese neoliberale Variante der Globalisierung hat viele Gewinner und viele Verlierer hervorgebracht, regionale Autonomie reduziert, globale Ungleichheit verstärkt und die Klimakrise vorangetrieben. Und sie hat auch Ungleichheiten innerhalb der Industriestaaten verstärkt, weil sich Konzerne daran orientieren, wo sie am billigsten produzieren können weil Löhne und Umweltstandards dort niedrig sind.

Immer öfter ist das nicht mehr in den Industriestaaten selbst, wie am Fall von Apple klar wird, das seine Produkte zwar in Kalifornien designen, aber in Indien, den Philippinen und China produzieren lässt. Nicht ohne Grund machen also gerade Gerüchte die Runde, dass sich mit der neuen Zollpolitik die Preise von iPhones verdoppeln könnten und Apple in letzter Sekunde ganze Flugzeuge voller Telefone in die USA gebracht hätte. Trump will mit seiner Zollpolitik 40 Jahre neoliberaler Entwicklung rückgängig machen. Doch so einfach wird das nicht.

Fehlgeleitete Ideen

Trumps Zölle sollen dazu führen, dass ausländische Produkte im Vergleich zu heimischen teurer. Es soll ein Domino-Effekt eintreten, der die heimische Wirtschaft stärkt, weil diese Produkte mehr gekauft werden und neue Jobs und Unternehmen entstehen. Für genau diesen Domino-Effekt gibt es aber keine Garantien. Lokale Wirtschaft bräuchte auch andere Unterstützung als nur mehr Nachfrage, zum Beispiel Unterstützung durch staatliche Infrastruktur, im ökologischen Umbau, durch Weiterbildungsprogramme und so weiter. Das wären Politiken für die eher die Demokraten als die Republikaner bekannt wären.

Eine weitere Herausforderung für Trump ist der Wert des Dollars. Um internationalen Handel betreiben zu können, stehen auch Währungen in einem Verhältnis zueinander. Ein Dollar kann nicht immer einen Euro wert sein – und dieser Wechselkurs muss festgelegt werden. Neben historischen Gründen ist der US-Dollar heute deswegen eine globale „Leitwährung“, weil die USA aufgrund ihrer politischen und wirtschaftlichen Macht stabil eingeschätzt wird und daher alle anderen Währungen mit ihm verglichen werden. Für Trump bedeutet das eine Zwickmühle: der Dollar ist aufgrund seiner Leitwährungsfunktion beliebt, hohe Nachfrage macht Währungen teuer und zusätzlich gibt es keine Regeln zur Festsetzung der Wechselkurse, sondern nur den „freien“ Markt. Der Dollar soll nun Leitwährung bleiben, aber billiger werden – und wie genau das möglich sein kann, dazu scheiden sich die Geister.

Die zwei Effekte hängen zusammen: Zölle machen Produkte teurer, dazu zählen auch viele Grundnahrungsmittel (beispielsweise Obst und Gemüse aus Lateinamerika), was Trump-Wähler*innen nicht freuen wird. Dieses Problem ließe sich lösen, sobald der Dollarkurs wirklich sinkt und dadurch Importe selbst mit Zöllen wieder billiger werden. Der egozentrische Kurs, den Trump hier fährt, könnte also ökonomisch gesprochen nach hinten losgehen und sehr vieles wird von politischen Reaktionen seiner Freunde und Feinde abhängen.

Weltpolitische Verschiebungen

Trumps Zölle sind vor allem eines, nämlich Daumenschrauben. Was er möchte ist manchmal direkt ersichtlich, zum Beispiel den Migrations- und Drogenhandelstopp aus Mexiko. Manchmal ist es aber durchaus weiter um die Ecke gedacht, beispielsweise in der Verschiebung von Autoproduktion aus Deutschland in die USA oder im Versuch, die EU zum Kauf von Flüssigerdgas und Waffen zu zwingen. Trumps mittel- bis langfristiger Traum wird dabei eine sich um ihn, beziehunsgweise die USA drehende Allianz aus Ländern sein, die so abhängig von ihm ist, dass sie ihm nicht widersprechen kann. Dem gegenüber wird sich vermutlich eine Allianz aus China und Russland entwickeln, die versuchen wird, eine Entwicklung Richtung US-Hegemonie zu verhindern.

Wie anfällig ist nun die EU dafür? In kurz, sehr. Trump hat die Zollerhöhungen für Produkte aus der EU zwar wieder etwas reduziert, die bis dahin in Brüssel diskutierten Gegenmaßnahmen zeugten aber von sehr großer Verunsicherung. Diese Verunsicherung hat zwei Quellen, einerseits die Frage was möglich wäre und andererseits die Frage was sinnvoll wäre. Die diskutierten Vorschläge zielten grundsätzlich eher darauf ab, die Beziehungen zu den USA wieder zu verbessern- Beispielsweise mit dem Vorschlag, Zölle auf Industriegüter ganz auszusetzen. Am Drahtseil zwischen Möglichem und Sinnvollen spielen sich nicht nur ökonomische Fragen ab, sondern natürlich auch militärische. Immerhin sind die Zölle schon der Nachdruck auf die Drohungen eines Nato-Endes. Und im Gegensatz zu anderen Regionen, ist die Frage „was wenn nicht die USA“ aus Perspektive der EU besonders kniffelig. Aber was bedeuten diese Entwicklungen für eine europäische Linke?

Vielseitige Veränderung

Die Gefahr, die von dieser neuen globalen Logik ausgeht, ist nicht zu unterschätzen. Vor 30 Jahren kam unter dem Schirm der globalisierungskritischen global justice Bewegung eine globale Linke zusammen, die in der Ausdehnung der neoliberalen Globalisierung einen gemeinsamen Feind fand und eine seither unangefochtene Dynamik damit auslöste. Die große Lehre von damals: internationale Mobilisierung und gemeinsame Interventionspunkte können extrem gut funktionieren. Doch nur, wenn sie stärker mit dem Aufbau regionaler Strukturen Hand in Hand gehen. Dieser Aufbau darf aber auch nicht auf Kosten internationaler Vernetzung und Strategien gehen.

Nun bieten sich mit den aktuellen Entwicklungen bestimmte Felder als globale und internationalistische Kooperationsfelder an. Trump setzt bei den Zöllen an und versucht Änderungen in anderen Feldern zu erzeugen. Die Hegemonie der USA soll über Auto-, Waffen- und Energieproduktion sichergestellt werden. Jüngere Entwicklungen zeigen auch auf europäischer Seite, dass politische und wirtschaftliche Macht über diese Sektoren reproduziert wird. Nicht ohne Grund sind diese Felder stark umkämpft. Die Klimabewegung arbeitet sich seit Jahren besonders an Energie und Mobilität ab und verschiedene internationalistische Bewegungen kämpfen gegen Aufrüstung und für aktive Friedenspolitik.

Neue Muster, neue Chancen

Basierend auf diesen Erfahrungen könnten neue Muster entstehen. Klimabewegung und Arbeiter*innen in Europa und der USA könnten kollektiv streiken und Weiterbildungsprogramme für Produktion von öffentlichem Verkehr starten anstatt sich gegeneinander ausspielen zu lassen. Der Leuchtturm in der besetzten Autofabrik in Florenz lässt grüßen. Aktivist*innen könnten entlang der gesamten Lieferkette fossiler Energieträger Interventionspunkte schaffen, selbstständig Alternativen bauen und in ihren jeweiligen Kontexten Diskurse hin zu reduziertem Verbrauch starten. Die ersten Weichen wurden mit den Protesten gegen die Europäische Gaskonferenz gelegt.

Neue gemeinsame Feinde sind am entstehen, wie zum Beispiel Elon Musks X oder Tesla, wogegen sich mit eXit oder TeslaTakeDown Widerstand regt, das mit der Wasserbesetzung in der Grünheide/Brandenburg einen Anknüpfungspunkt hat. Rund um diese Bewegungen könnte sowohl Mobilisierung als auch Organisierung geschaffen werden. Darüber hinaus ist es an der Zeit, an die vielen Erfahrungen globaler Friedensbewegungen anzuknüpfen und Verbindungen zwischen Energie und Mobilität gemeinsam mit schlagkräftigen Forderungen nach aktiver Friedenspolitik zu verknüpfen.

Egal wie unberechenbar die Erhöhung von Zöllen, Debatten über Zentralbanken und Leitwährungen oder Verhandlungen über Standorte von E-Auto Fabriken wirken mögen, sie können für eine europäische Linke nun als Scheinwerfer dienen: die tragenden Säulen der aktuellen und potenziell zukünftigen Weltwirtschaft werden so sichtbar und so sollte auch eine europäische Linke ihre strategische Relevanz diskutieren und ins Tun kommen.

Foto: JP Valery on Unsplash

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