Trans- und Queerfeindlichkeit im FPÖ-Wahlprogramm

Demonstration gegen Trans- und Queerfeindlichkeit

Transgender-Gehirnwäsche“ ist nur einer der unterirdischen Begriffe im aktuellen Wahlprogramm der FPÖ. Viola Wagner von Trans Femme Fatale mit einer Einordnung der Trans- und Queerfeindlichkeit der FPÖ.

Trans Femme Fatale setzt sich für die Rechte von trans femininen und nicht-binären Personen ein. Ziel des Vereins ist es, dass die Vielfalt geschlechtlicher Identitäten anerkannt und Gleichberechtigung – vor allem im Hinblick auf trans Menschen – durchgesetzt wird. Außerdem schafft der Verein eine Gemeinschaft, in der Menschen ihre Geschlechtsidentität offen und diskriminierungsfrei leben können. Diese Werte sind der Freiheitlichen Partei Österreich (FPÖ) ein Dorn im Auge. In ihrem Wahlprogramm zur Nationalratswahl am 29. September sprechen sie von „permanente[r] Transgender-Gehirnwäsche, die letztlich nur auf eine Zersetzung unserer gesellschaftlichen Grundlagen abzielt.“ Phrasen wie diese zeigen, was ein Wahlerfolg der Partei für trans und queere Menschen in Österreich bedeuten würde.

Transgender-Ideologie“

Die FPÖ dreht die Bedrohungslage allerdings um. Nicht trans und queere Menschen müssten in dieser Gesellschaft um ihr Leben fürchten. Stattdessen führe eine angebliche Transgender-Ideologie zur „Auflösung der auf Binarität fußenden gesellschaftlichen und rechtlichen Ordnung.“ Der Begriff der „(Trans)Gender-Ideologie“ ist dabei nicht neu. Wie Aktivisti wie Julia Serano bereits wiederholt herausgearbeitet haben, ist er ein rhetorisches Mittel, um das trans Sein als eine Erfindung darzustellen. Der eigene Standpunkt wird gleichzeitig als ‚natürlich‘ bzw. ‚normal‘ ausgegeben. Das von der FPÖ vertretene Ideal einer binären Gesellschaft spiegelt aber kaum die soziale Realität wider. Stattdessen ignoriert es queere Geschichte und queere Existenzen. Trans Menschen sind Menschen, trans Menschen existieren, haben immer existiert und haben eine Daseinsberechtigung. Jede Minderheit, egal wie klein sie ist, hat einen Wert und damit auch Rechte verdient.

Unsichtbarmachung

Es gibt in Österreich keine umfassende Statistik über die Zahl von trans Menschen. Bestehende Statistiken erfassen meist nur jene Personen, welche eine medizinische Diagnose lt. ICD10 haben (F64.0) bzw. nur all jene, welche eine Hormontherapie machen oder „geschlechtsanpassende Operationen“ durchgeführt haben. Ein Beispiel einer solchen Statistik sind die Berichte der Österreichischen Sozialversicherung. Doch längst nicht jede Person, die sich nicht oder nur teilweise mit dem bei der Geburt zugeordneten Geschlecht identifiziert, unterzieht sich einem Diagnoseprozess. Nicht zuletzt, weil dieser so gut wie immer mit Pathologisierung, Stigmatisierung und Kosten verbunden ist. Abgesehen davon möchte auch nicht jede Person, die trans ist, eine Hormonersatztherapie oder Operationen durchführen.

Die FPÖ spricht davon, dass „{d}ie Anzahl jener Personen, die sich weder als Mann noch als Frauen identifizieren wollen, […] verschwinden gering“ sei. Sie macht sich dabei die Unsichtbarmachung von trans Menschen auf strukturelle und institutioneller Ebene zunutze. Ein Phänomen, das als „non-binary erasure“ (dt.: ‚nicht-binäre Unsichtbarmachung‘) bekannt ist. Mangelnde Sichtbarkeit ist kein haltbares Argument. Umfassende Statistiken – die es sowohl von Institutionen, aber auch von der Wissenschaft einzufordern gilt – würden diese Behauptungen sofort widerlegen.

Frühsexualisierung“…

Lehrbücher, in denen vermittelt wird, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt, bezeichnet die FPÖ in ihrem Wahlprogramm als „Frühsexualisierung“. Unter dem Titel „Stopp der Frühsexualisierung“ schreibt die Partei: „Unsere Kinder müssen die Möglichkeit haben, sich uneingeschränkt und ungestört entwickeln zu können – auch ihre Sexualität betreffend.“ Sexuelle Aufklärung ist keine Sexualisierung. Vom Prinzip her hat sich die Argumentationskette der FPÖ seit Jahrzehnten kaum verändert. Schon 2009 forderte die FPÖ ein Gesetz gegen „zu Homosexualität anspornende Informationen für Minderjährige“.

Das dahinter ein – nett formuliert – falsches pädagogisches Verständnis steckt, muss nicht lange erklärt werden: Kinder und Jugendliche werden nicht schwul, lesbisch oder trans, weil sie etwas darüber lernen. Stattdessen zielt die FPÖ darauf ab, verschiedene Lebensrealitäten jenseits der propagierten „traditionellen Familie“ abzuwerten. Was solch eine Unterdrückung geschlechtlicher Vielfalt für das Aufwachsen und die psychische Gesundheit von Kindern bedeutet, kann erahnt werden. Gut, dass es Bücher wie jenes von Dagmar Pauli gibt, die Erzählungen im Stile der FPÖ etwas entgegensetzen.

und das Feindbild „Drag-Queen“

Fast immer wenn die FPÖ von Frühsexualisierung spricht, ist das Feindbild der Drag-Queen nicht weit. In ihrem Wahlprogramm schreibt sie: „Aktionen wie Lesungen von ‚Drag Queens‘ verunsichern Kinder in ihrer Geschlechtsidentität – diese Transgender-Propaganda lehnen wir ausdrücklich ab.“ Wenig überraschend glänzt die FPÖ hier mit Unwissen. Denn zunächst einmal schert sie damit Drag und trans Sein über einen Kamm. Drag ist nicht dasselbe wie trans Sein. trans ist eine Person, wenn ihr Identitätsgeschlecht (= so wie ich mich selbst empfinde und fühle) nicht oder nur teilweise mit dem bei der Geburt zugeordneten Geschlecht durch Dritte (bspw. Ärzt*innen oder Geburtshelfende) übereinstimmt. Drag hingegen ist eine Kunstform. Ein Drag-Artist ist eine Person, die sich verkleidet und Geschlechterstereotype performt bzw. parodiert.

Auch davon, was auf einer Drag-Lesung passiert, scheint die FPÖ keine Ahnung zu haben. Es wird ein Narrativ gesponnen, das Drag als etwas beschreibt, das schlecht ist, Kinder „frühsexualisieren“ will und Teil einer angeblichen „Transgender-Propaganda“ darstellt. Die Realität bei Drag-Lesungen schaut aber ganz anders aus: Eine verkleidete Person, ein Drag-Artist, liest lediglich aus einem Kinderbuch vor – mehr passiert da auch nicht. Es geht viel mehr darum, diverse Perspektiven aufzuzeigen und dem Anderssein Platz zu geben.

Unwissenheit zeigt die FPÖ übrigens auch, wenn sie den veralteten Begriff „transsexuell“ verwendet. Dieser stellt trans Identität als Sexualität dar. Das ist schlichtweg falsch. Denn das geschlechtliche Sein eines Menschen (= Geschlechtsidentität) hat nichts mit der jeweiligen Sexualität zu tun – egal ob cis oder trans, binär oder nicht-binär.

Sport als umkämpfte Arena

Die FPÖ weiß in ihrem Wahlprogramm auch an aktuelle Debatten anzuschließen. Unter dem Titel „Rettet den Frauensport“ schreibt sie: „Wir Freiheitliche setzen uns dafür ein, die Gesetzmäßigkeiten der Biologie einzuhalten. Wir werden uns daher daher bei den Sportfachverbänden und Sportvereinen dafür engagieren, dass inter- oder transsexuelle Athleten nicht bei Frauensport-Wettbewerben antreten dürfen.“ Als Symbolfoto für den entsprechenden Abschnitt wurde ein Bild zweier weiblich gelesener Boxerinnen gewählt. Das ist wahrscheinlich kein Zufall. Die FPÖ knüpft damit an die emotionalisiert und von rechter Seite queer- und transfeindlich geführte Diskussion um die Boxerin Imane Khelif an.

Dabei sollte die Debatte um trans und Sport mit all ihrer Komplexität dringend geführt werden. Allerdings nicht, wie es der FPÖ vorschwebt, sondern im Sinne derer, die an einer fast ausschließlich binär strukturierten Sportwelt regelmäßig zerbrechen. Ein wichtiger Kontakt in solchen Angelegenheiten ist zum Beispiel „100% Sport“, das Österreichische Zentrum für Genderkompetenz und Safe Sport.

Die Wut, die uns antreibt

Es sind solche Einrichtungen, die trotz der menschenverachtenden Haltung der FPÖ und ihrer Umfragewerte Hoffnung geben. Es bleibt aber auch viel Wut. Wut, die kommt, weil wir von Trans- und Queerfeindlichkeit hören oder selbst betroffen sind. Wut, die kommt, weil über trans Menschen gesprochen wird und nicht mit ihnen. Wut die kommt, weil Hetze auch auf der Ebene des Staates stattfindet und stattfinden kann. Wut, die da ist. Wut, die antreibt. Wut, die verändern kann. Wut, die hilft, die Dinge anzupacken. Denn egal, wie diese Wahl ausgeht: TRANS PEOPLE EXIST. IN THE PAST, NOW AND IN FUTURE.

Titel- und Artikelbilder: Skye Ezri Allen

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