Auch dieses Jahr war der Pride-Month wieder von Regenbogenkapitalismus geprägt. Immer mehr Unternehmen lassen sich aber vom politischen Klima mitreißen. Und das sucht vor allem in trans Personen ein neues Feindbild. Viola Wagner schreibt über die Geschichte der Pride und warum es immer wichtiger wird, sich daran zu erinnern.
Der Ursprung der Pride-Bewegung liegt in einem Akt des Widerstands in einer New Yorker Bar, dem Stonewall Inn. Das Lokal wurde vor allem von Schwulen, Lesben und trans Personen frequentiert und geriet immer wieder ins Visier der Polizei. So auch in der Nacht auf den 28. Juni 1969 im Rahmen einer weiteren Razzia. Angestellte wurden festgenommen, Gäste aus dem Lokal vertrieben, Trans Personen und Drag Artists mussten Leibesvisitationen in den Toilettenräumen über sich ergehen lassen. 13 Personen wurden verhaftet – vorwiegend wegen des Tragens von Kleidung, die nicht ihrem eingetragenen Geschlecht entsprach.
Doch dieses Mal wehrten sich die Menschen, die sich mittlerweile vor der Bar versammelt hatten. Es kam zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung mit der Polizei, die vier Tage andauerte und die Polizisten schließlich auflösten. Ein Jahr nach diesen sogenannten Stonewall-Protesten kamen viele Menschen zur Bar zurück und organisierten einen Gedenkmarsch, den „Christopher Street Liberation Day“. Seither findet am Jahrestag der „Stonewall Riots“ der CSD (Christopher Street Day), beziehungsweise die Pride statt, und fand weltweit Nachahmung.
In Wien begannen sich Lesben und Schwule in der zweiten Hälfte der 1970er politisch zu organisieren, nachdem 1971 homosexuelle Handlungen entkriminalisiert wurden. Aus dieser Bewegung entstand unter anderem im Jahr 1980 die Homosexuellen-Initiative (HOSI). Widerstand gab es vorerst aber in anderer Form: 1982 besetzten Lesben und Schwule ein Haus in Wien, heute bekannt als „Türkis Rosa Lila Villa“. Die erste Parade, damals noch „Regenbogenparade“ gennant, fand in Österreich erst 1996 statt und führte vom Schwarzenbergplatz bis zur Universität.
Protest, Party oder kommerzielle Plattform?
Was 1996 mit 25.000 Besucher*innen anfing, ist bis heute auf über 300.000 Besucher*innen angewachsen. Die Vienna Pride ist mittlerweile ein Großevent. Der Protest rückt dabei immer weiter in den Hintergrund, auch wenn die Organisator*innen versuchen, dem entgegenzusteuern. Letztes Jahr lief die Pride unter dem Motto „Pride is a Protest“, dieses Jahr lautete der Slogan „Unite in Pride“.
Die Pride wurde über die Jahre auch ein kommerzieller Erfolg. Unternehmen wie Allianz, Erste Bank oder auch Billa und Bipa sponserten die Vienna Pride 2025. Diese Entwicklung lässt sich nicht nur in Wien beobachten. So zählt die diesjährige Linzpride 15 Sponsor*innen, der CSD in Graz zwölf. Während Hetze gegen queere und vor allem trans Menschen in den letzten Jahren zunahm, verlor die Vienna Pride einige Sponsor*innen. Organisatorin Stonewall GmbH listete 2023 noch 44 Unternehmen, dieses Jahr ist die Zahl auf 38 gesunken. Dieser Rückgang ist weltweit in einigen Paraden zu spüren.
So wie sich das politische Klima gegenüber der LGBTIAQ+ Bewegung auch in Österreich immer mehr aufraut, wird der Protest immer wichtiger und immer größer. Dieses Jahr finden in Österreich bereits mindestens 23 CSDs oder Pride Paraden statt. In den letzten Jahren sind vor allem auch kleinere Städte und Dörfer der Pride-Bewegung beigetreten. Darunter unter anderem Veranstaltungen in Kuchl, Unken, Mittersill, Deutschlandsberg, Baden, Spittal an der Drau, Großklein, Wiener Neustadt, Steyr, Kufstein, sowie im Innviertel, im Pongau und in den Landeshauptstädten. Während die Vienna Pride immer mehr den Ruf einer Party-Parade hat, sind es vor allem die kleinen CSDs und Pride-Bewegungen, die einen immer wichtigeren Teil im Kampf für Rechte von queeren Menschen darstellen. Gerade im ländlichen Raum ist der Protest ein Zeichen der Sichtbarkeit, wo lange keine war.
Wer bleibt außen vor?
Während Lesben, Schwule und Bisexuelle sich über die Jahre eine gewisse Akzeptanz in der Bevölkerung erarbeiten konnten, sind es vor allem die Buchstaben „TIAQ+“ (trans, inter*, agender, queer), die um Ihre Existenz und Sichtbarkeit kämpfen müssen. Selbst im Advisory Board der Vienna Pride, einem zentralen Gremium, das sich um den Community-Gedanken kümmert, ist keine Organisation vertreten, die sich Großteils für trans Rechte einsetzt. Die Organisationen Venib und TransX sind lediglich als Partner*innen angeführt.
Dabei wurde die Pride-Bewegung maßgeblich durch trans Frauen of color ins Leben gerufen. Noch heute sind es vor allem sie, die starke Repressionen erleben. Auch auf der Europride in Wien 2019 gab es beispielweise durch die die transfeindliche Gruppe „get the L out“ eine Störaktion, die sich gegen trans Personen richtete. Wenige Tage vor der Vienna Pride 2025 wurden Sticker von der „Trans and Non Binary Youth Vienna“ beschmiert, abgerissen und auf X wie eine Trophäe in rechten transfeindlichen Kreisen geteilt.
Queerfeindlichkeit wird immer gesellschaftsfähiger. Das zeigt sich vor allem darin, wie sie politisch inszeniert wird. So äußerte sich etwa FPÖ-Bundesparteisprecherin Lisa Schuch-Gubik zur Vienna Pride: „Wenn halbnackte Männer und Frauen in Latexkostümen tanzend durch die Wiener Innenstadt ziehen, während im ganzen Land Trauer herrscht, ist das kein Zeichen von Toleranz, sondern ein Akt der Rücksichtslosigkeit und moralischen Entgleisung.“ Eine Kritik, die sie im Kontext des Amoklaufs in Graz äußerte. Missverstanden als Party gab es in diesem Zusammenhang einiges an Kritik, vor allem seitens der FPÖ. Die Pride ist, beziehungsweise sollte aber keine Party sein. Das Narrativ, das eigentlich präsent sein sollte, ist das des Widerstands gegen Hass und Gewalt – eines, das auch in Zeiten der Staatstrauer wichtig ist. So gab es auch auf der Vienna Pride einen Schweigemarsch vom Rathaus bis zum Parlament.
Kein Platz im Hauptprogramm?
2025 entschied sich der ORF, die Pride nicht live im Fernsehen zu zeigen. Stattdessen gab es einen Livestream auf ORF ON – mit Verweis auf den Amoklauf in Graz. Kritiker sahen darin einen „Missbrauch von Zwangsgebühren“, der die öffentlich-rechtliche Neutralität untergrabe.
FPÖ-Mediensprecher Christian Hafenecker schrieb in einer Presseaussendung zum Stream auf ORF ON, dieser sei „dennoch ein klares Signal dafür, dass sich am Küniglberg die links-woke Regenbogen- und Genderideologie gegenüber Pietät, Mitgefühl und Anstand leider wieder durchgesetzt hat und das auf Kosten der Zwangssteuerzahler“. Weiters führt er aus: „Dass die Veranstalter die ‚Regenbogenparade‘ nicht abgesagt haben, sagt auch sehr viel über sie aus. Leider kann man aber von Anhängern einer Ideologie, die Dragqueens in Kindergärten und Schulen schicken will, aber auch nichts anderes erwarten“.
Unterdessen wäre es unfassbar wichtig, dass eine Veranstaltung wie die Vienna Pride – ein Protest, an dem 300.000 Menschen teilnahmen – sichtbar bleibt. Gesendet hat der ORF stattdessen „Trooping the Colour“, eine Militärparade zu Ehren der britischen Monarchen. Wenn schon die Pride mit Blick auf den Anschlag in Graz nicht live im Hauptprogramm übertragen wurde, weshalb sollte eine Militärparade dann passender sein?
Blick zum Nachbarn
Während in Österreich 23 Paraden stattfinden durften, wurde die Pride-Parade im Nachbarland Ungarn verboten. Mitte März hat das ungarische Parlament ein dementsprechendes Gesetz verabschiedet. Dies geschah vor allem unter dem Vorwand des angeblichen Kinderschutzes. Ein Argument, das auch in Österreich seitens der FPÖ aufkam. FPÖ-Kultursprecher Wendelin Mölzer meint dazu: „Frühsexualisierung hat auch in Kindergärten und Schulen nichts verloren.“ Er fragt wozu es noch einen Jugendschutz im Kino brauche, „wenn man auf der Straße überall pornografische Inhalte, Darstellungen und dergleichen sieht, die im Grunde genommen unsere Kinder verstören“.
Es ist nicht neu, dass transfeindliche Stimmen ihre queerfeindlichen Ansichten durch einen angeblichen Kinderschutz oder auch mit dem Schutz von Frauen legitimieren wollen. Dabei ziehen solche Stimmen immer wieder auch Bilder, wie das der pädophilen Schwulen oder trans Personen heran – Narrative, die schon Nationalsozialist*innen verwendet haben, um politische Repression zu legitimieren. Die Budapester Stadtverwaltung will sich dem Verbot jedoch widersetzen und hat bekannt gegeben, dass sie die Organisation der Parade übernehme. Der Marsch für die Rechte der LGBTQ-Gemeinschaft soll am 28. Juni abgehalten werden.
Rückschritte statt Anerkennung
Der trans rights index der Organisation „Transgender Europe“ zeigt eine deutliche Entwicklung: Europaweit gibt es seit 13 Jahren das erste Mal mehr Rückschritte als Fortschritte für trans Rechte. Insbesondere betroffen sind trans Personen, die aufgrund sich überschneidender Lebenserfahrungen wie Behinderung oder Migrationshintergrund weitere Benachteiligungen und Diskriminierungen erleben. Neben Ungarn, das nur zwei Geschlechter anerkennt, sind auch in Georgien oder Belarus die Rechte von trans Personen in Gefahr. In Bosnien wurden Schutzmaßnahmen gegen Hassverbrechen und Hassreden abgeschafft.
In Großbritannien hat der oberste Gerichtshof effektiv 20 Jahre Kampf um Gleichstellung für trans Personen zunichte gemacht. Das Wort Frau ist im britischen Gleichstellungsgesetz nun so auslegt, dass es „biologische Frau“ bedeutet. Das bedeutet, dass trans Personen nicht mehr gemäß ihrer Geschlechtsangabe anerkannt sind, die sie ursprünglich im „gender recognition act“ 2004 erhalten haben. Auch in Österreich mobilisiert vor allem die FPÖ gegen trans Personen. Queere und trans Personen sind also noch lange nicht gleichgestellt. Im Gegenteil, sie verlieren immer mehr Rechte und Anerkennung in großen Teilen der Welt.
Pride soll nicht nur Party sein
Die Pride-Parade ist also kein bunter Selbstzweck, sondern ein Ausdruck von Widerstand. In Zeiten, in denen queere Rechte wieder offener angegriffen werden und das Leben und die Existenz vieler queerer Menschen infrage gestellt werden, braucht es sie mehr denn je. Denn solange nicht alle sicher und frei leben können, ist Pride nicht vorbei. Auch wenn Teile der LGBTQIA+ Community bereits in besseren Umständen leben als noch Jahre zuvor, bedeutet das nicht, dass das für alle gilt. Wir können uns nicht auf vergangenen Erfolgen ausruhen, solange unsere trans Geschwister und alle anderen, die unsichtbar sind, um ihre Rechte kämpfen müssen. Pride ist – und bleibt – ein Protest.
Foto: Samuel Regan-Asante on Unsplash

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