Tödliche Waldbrände in Griechenland: Eine vorhersehbare Tragödie

Die Großbrände rund um Athen, die seit Anfang der Woche wüten, sind mittlerweile unter Kontrolle. Doch das Entsetzen bleibt: Über 80 Tote und Dutzende Vermisste – das ist die Bilanz der größten Brandkatastrophe seit Jahrzehnten. Panagiotis Sotiris, Soziologe an der Universität der Ägäis, erklärt, welche Faktoren zum Entstehen der Katastrophe beigetragen haben, warum die Tragödie vermeidbar gewesen wäre und welche Rolle dabei der griechischen Regierung und der EU zukommt.

 Es sind wahrlich tragische Tage in Griechenland. Am Montag, den 23. Juli, fegten Lauffeuer über die östlichen Teile von Attika hinweg. Da die Brände auch Wohngebiete erfassten, kam es zu einer beispiellose Katastrophe: 83 Tote[1] (zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Textes), etliche Vermisste, hunderte Häuser wurden niedergebrannt, viele Menschen sind obdachlos. Diese Tragödie entstand aus einer Kombination mehrerer Faktoren.

Immobilienspekulation als Brandbeschleuniger

Mediterrane Wälder, vor allem Pinienwälder, sind extrem anfällig für Waldbrände. Genau genommen sind solche Brände einer der Hauptmechanismen für ihre natürliche Regeneration. Trotzdem geben sie für viele den perfekte Urlaubsplatz ab: Ein Haus im Pinienwald, gleich beim Meer. Was folgte, war eine spezifische Art von anarchischer Immobilienspekulation um Waldflächen, die ein typisches Merkmal moderner urbaner Entwicklung in Griechenland darstellte.

Das Resultat sind ausgedehnte Gebiete voller Häuser, ohne Planung, mit mangelhaften Straßen und Fahrbahnen (ohne Platz für Notfahrzeuge), ohne Fluchtwege, mit Häusern, die unter leicht entflammbaren Tannenbäumen gebaut wurden. Kurz: Gebiete, die schnell zu Todesfallen für ihre Bewohner*innen werden können.

Gleichzeitig wird durch das Interesse großer Unternehmen konstant Druck aufgebaut, Flächen nicht zu geschützten Waldgebieten zu erklären, damit diese Gebiete für Bergbau oder touristische Großprojekte genutzt werden können. Eine der Forderungen der „Business Community“ in Griechenland war, den Prozess der Umwidmung von Waldgebieten zu beschleunigen. Dies stellt einen gewissen Anreiz für Brandstiftungen dar.

Tödliche Kürzungsmaßnahmen

Auch der Klimawandel war ein beitragender Faktor. Extreme Wetterbedingungen, speziell die Kombination von extremer Hitze und starkem Wind, mit Windböen bis zu 120 km/h, werden immer häufiger. Genau das war die lokale Wetterbedingung in der betroffenen Region.

Die Sparmaßnahmen, die dem Land von Griechenlands Gläubigern als Teil des berüchtigten Memorandums auferlegt wurden, haben dem Zivilschutz in Griechenland schwer geschadet. Die Tanklöschfahrzeuge der Feuerwehr sind über 15 Jahre alt, rund 25 Prozent aller Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr sind außer Betrieb bzw. in Reparaturwerkstätten. Es gibt einen Reifenmangel für die Fahrzeuge und die Feuerwehrleute müssen Teile ihrer Ausrüstung selbst kaufen. Dazu kommen viele Personalengpässe bei der Feuerwehr.

Keine Schutzpläne

Gleichzeitig haben frühere Entscheidungen, wie beispielsweise 1998, als die Verantwortung für den Umgang mit Waldbränden vom Forstdienst auf die Feuerwehr übertragen wurde, dazu geführt, dass die Bekämpfung von Bränden von der größeren Frage der Verwaltung und des Schutzes von Wäldern entkoppelt wurde.

Eine weitere wichtige Rolle bei der Katastrophe hat der Mangel an Vorbereitung gespielt. Auch wenn die griechische Regierung die Situation so dargestellt hat, als wäre sie außerhalb jeglicher Kontrolle gewesen, gab es tatsächlich einfach keine Katastrophenschutzpläne.

Seit den tödlichen Bränden von 2007 in Griechenland und auch nach den Erfahrungen mit Flächenbränden in anderen Ländern – zuletzt in Portugal – wissen wir, dass die größte Gefahr von einem Flächenbrand ausgeht, der über einen Wald und über Wohngebiete hinwegfegt und Menschen in ihren Autos, oder beim Versuch zu fliehen, einschließt. Diese Tatsache hätte erfordert, detaillierte und erprobte Pläne für die Evakuierung von Gefahrengebieten und Mechanismen zur Frühwarnung zu entwickeln. Und obwohl auch in den allgemeinen Leitlinien für den Zivilschutz die Notwendigkeit solcher Pläne betont wurde, wurden diese nicht entwickelt.

SYRIZAs Verantwortung

Viele dieser Probleme gibt es bereits jahrelang. Frühere Katastrophen, so wie die Brände von 2007 (wo das Feuer sogar über Teile der Ausgrabungsstätte des antiken Olympia fegte), haben jedoch nicht zu einschneidenden Veränderungen in der Politik oder Organisation geführt. Bodenspekulation dieser spezifischen Art bestehet schon lange und auch fehlende Planung ist kein neues Problem der Kommunalverwaltung.

Trotzdem muss SYRIZA eine gewaltige Verantwortung zugeschrieben werden. Die von Alexis Tsipras geführte Regierung war äußerst erfolgreich in Hinblick auf das Verabschieden von Kürzungsmaßnahmen – jedoch nicht in der Vorbereitung auf solche Katastrophen.

Wir sprechen hier von einer Regierung, die oftmals bis spät in die Nacht gearbeitet hat, um zusätzliche Kürzungen und damit einen primären Haushaltsüberschuss möglich zu machen, aber nicht das gleiche Engagement für effektive Evakuierungspläne oder Pläne zur Eindämmung dieser spezifischen Art von Flächenbränden aufbringen konnte. Wir sprechen von einer Regierung, die Kürzungen von Zivilschutz umgesetzt hat, genauso wie Kürzungen im Bildungs- und Gesundheitsbereich.

Solidarität gibt Hoffnung

Im Gegensatz zur fehlenden Planung und Koordinierung von Seiten der Regierung – auf nationaler wie auf kommunaler Ebene – haben die Feuerwehrleute, die Retter*innen, Ärzt*innen und Krankenpfleger*innen enorme Anstrengungen auf sich genommen, um mit einer sehr schwierigen Situation umzugehen. Oft sind sie dabei über ihre Grenzen gegangen.

Wir konnten eine beispiellose Welle der Solidarität beobachten. Vor den Krankenhäusern haben sich endlose Schlangen an Menschen gebildet, die bereit waren, Blut zu spenden. Nicht nur wurden schnell große Mengen an Hilfsspenden gesammelt, viele Menschen haben sich auch freiwillig gemeldet, um zu helfen. Diese Solidarität kannte buchstäblich keine Grenzen: Ägyptische Fischer retteten Menschen, die auf der Flucht vor den Flammen ins Meer gesprungen sind. Kurd*innen und Afghan*innen spendeten Blut, pakistanische Migrant*innen haben als Freiwillige geholfen.

In solch tragischen Tagen, die von Tod und Verwüstung geprägt sind, aber auch von Wut auf die Unfähigkeit der Regierung, mit dieser Situation umzugehen, und auf die Konsequenzen der von der EU aufgezwungenen Kürzungsmaßnahmen, ist eine solche Solidarität die einzige Quelle der Hoffnung.

Der Beitrag ist im englischen Original auf Panagiotis Sotiris‘ Blog The future lasts a long time erschienen

Übersetzung: Franziska Wallner

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