Warnstreiks in der Metallindustrie: Heißer Herbst und kaltes Kalkül

In der Nacht von 8. auf 9. November scheiterten die Kollektivvertragsverhandlungen mit dem Fachverband der Metalltechnischen Industrie (FMTI). Am Montag finden daher in ganz Österreich Warnstreiks statt. Der heiße Herbst hat augenscheinlich begonnen – doch was auf dem Spiel steht, ist mehr als nur eine Lohnerhöhung.

Es war ein karges Angebot. Nach über 40 Stunden Verhandlungen stellten die ArbeitgeberInnen der Metalltechnischen Industrie eine Lohnerhöhung um 2,02 Prozent in Aussicht. Faktisch würde das einer Nulllohnrunde gleichkommen. Zugeständnisse beim heiklen Thema Arbeitszeit gab es nicht. Mehr noch: Bereits gemachte Zugeständnisse bei der Arbeitszeit wurden schlicht wieder zurückgezogen. Telefonisch kam zu später Stunde nach Verhandlungsabbruch die magere Nachbesserung: Man könne sich 2,7 Prozent vorstellen. Die Antwort der Gewerkschaften PRO-GE und GPA-djp fiel deutlich aus: „Wir lassen uns nicht verarschen“. Die Forderungen im Zuge der nun ausgerufenen Warnstreiks bleiben gleich: eine Lohnerhöhung von 5 Prozent (mindestens 100 Euro) und massive Verbesserungen bei der Arbeitszeit.

Der Spin der Hemmungslosen gegen Warnstreiks

Sprachrohr der Arbeitgeber im FMTI ist dessen Obmann, Christian Knill. Er ist selbst nicht Teil des Verhandlungsteams, sondern für die Message Control zuständig – bestmöglich schon dann, wenn alle anderen noch hinter verschlossenen Türen verhandeln. Und hier wird durchaus tief in die Schmutzkiste gegriffen: „standortschädigend“ und „Parteipolitik“ sind oft gehörte „Argumente“. Neu ist, dass grinsend in die Kamera gelogen wird, während gleichzeitig der Gewerkschaft Lügen unterstellt werden – um (und jetzt wird es perfide) die ArbeitnehmerInnen auf die Seite der ArbeitgeberInnen zu ziehen! Auch die Industriellenvereinigung lässt in umfassender Solidarität postwendend ausrichten, dass der „ostentative Verhandlungsabbruch“ und die Forderung nach einem höheren Lohn nicht im Interesse der ArbeitnehmerInnen erfolgen würde. Ja, in wessen Interesse denn sonst?

Tatsächlich sind die Verhandlungen mit dem FMTI nicht einfach aufgrund unterschiedlicher Vorstellungen gescheitert: Gekonnt wurde von Seiten der ArbeitgeberInnen eskaliert, nun soll der „schwarze Peter“ dafür den ArbeitnehmerInnen umgehängt werden.

Heißer Herbst auch bei den Eisenbahnunternehmen

Die polternde Metallindustrie? Getöse, viel Show und am Ende gibt es ja eh eine Einigung? Nein, es kracht auch in anderen Branchen. So sind derzeit auch die Kollektivvertragsverhandlungen für die Eisenbahnbranche und das Eisenbahncatering in einer kritischen Phase. Vor dem Sommer wurden die Verhandlungen nach fünf Terminen unterbrochen. Grund dafür war die entstandene Rechtsunsicherheit durch die Diskussion um die 60-Stunden-Woche und den 12-Stunden-Tag. Anfang Oktober wurden die Verhandlungen wieder aufgenommen.

Die Forderungen der ArbeitnehmerInnen waren hinlänglich bekannt. Die Gewerkschaft vida betonte immer wieder, dass es angesichts der positiven Ergebnisse der heimischen Schienenbahnen selbstverständlich auch bei den Beschäftigten ein dementsprechendes Gehaltsplus für 12 Monate rückwirkend mit 1. Juli geben muss. Dieses muss sich aus der Inflationsabgeltung, dem BIP-Zuwachs und der Produktivitätssteigerung zusammensetzen. Im Bereich der Arbeitszeit, die im Übrigen seit dem Jahr 2017 Verhandlungsgegenstand ist, geht es um planbare Freizeit in Form eines Rechtsanspruches auf die 4-Tage-Woche, Auszeiten, Einrichtung eines Arbeitszeitkontos und Verbesserungen im Schicht- und Turnusdienst.

Neues Selbstbewusstsein

Doch auch in der siebten Runde am 24. Oktober gab es keine nennenswerte Bewegung auf Seiten der ArbeitgeberInnen. Zum dritten Mal in Folge wurde seitens der WKÖ 2,5 Prozent und lediglich kleinere Änderungen im Rahmenrecht angeboten – man bewegte sich also keinen Millimeter in Richtung konstruktive Lösung. Der für den 5. November geplante Verhandlungstermin wurde auf Wunsch der Arbeitgeber auf den 21. November verschoben.

Entsprechend erleben wir ähnliche Szenarien in anderen Branchen, wie zB in der Brauindustrie: Nach einem absoluten Rekordjahr wurde den ArbeitnehmerInnen ein mageres Prozent angeboten. Auch hier haben bereits zahlreiche Betriebsversammlungen der rund 3.500 Beschäftigten stattgefunden. Streiks stehen unmittelbar bevor, sollte es am 16. November kein ernstzunehmendes Angebot geben. Auch im Handel mit 420.000 Beschäftigten finden die Verhandlungen unter denselben Bedingungen statt: Forderungen der ArbeitnehmerInnen werden seitens der Arbeitgeber kategorisch zurückgewiesen und mehrstündige Verhandlungen verlaufen ohne Angebote der ArbeitgeberInnen. Die nächste Verhandlungsrunde findet am 20. November statt.

Das ist kein Zufall. Die österreichische Industrie- und Wirtschaftslobby tragen ein neues „Selbstbewusstsein“ vor sich her: Ihnen gehört die Welt – materiell und ideell – ArbeitnehmerInnen sind bestenfalls lästige BittstellerInnen, die dankbar für gewährte Lohnerhöhungen sein sollen. Gestützt wird das selbstbewusste Auftreten von der Bundesregierung, die ihnen jeden Wunsch erfüllt. Schließlich müssen sie liefern, was ihre WahlkampfspenderInnen bestellt haben.

Szenen des Arbeitskampfes

So ist auch das nächste Kampffeld schon bestellt: eine Schwächung von Arbeiterkammer, Gewerkschaften, Betriebsräten und das immer wieder herbeigesehnte Ende der Kollektivverträge. Von politischen KommentatorInnen gerne übersehen, steht dahinter das strategische Ziel die Verhandlungen auf die betriebliche Ebene zu verlagern.

Die Macht der Gewerkschaften soll gebrochen und die ArbeitnehmerInnen gegeneinander ausgespielt werden. Zuerst wird blockiert und in den Verhandlungen inhaltlich wenig bis gar nichts zu notwendigen Verbesserungen in den Branchen beigetragen. Der Öffentlichkeit soll weisgemacht werden, dass die Gewerkschaften unerfüllbare und „standortgefährdende“ Forderungen stellen würden, während man sich selbst an den erwirtschafteten Gewinnen gut bedient hat. Ein Beispiel: Die Gewinnausschüttungen der Aktionäre in der Metallindustrie lagen zuletzt bei 16 Prozent. Die Waagschale soll sich also ganz eindeutig auf die Seite der Arbeitgeber senken und die Kräfteverhältnisse in den industriellen Beziehungen nachhaltig verschoben werden.

Mission: ein gutes Leben für alle!

Die aktuelle skrupellose Politik ist gefährlich für das Leben der meisten Menschen in diesem Land, für jene 95%, die nicht auf geerbtes Vermögen zurückgreifen können.

Als Gewerkschaften ist es bei Kollektivvertragsverhandlungen stets das Ziel, einen gerechten Abschluss im Sinne eines Reallohnzuwachses und die notwendigen Regelungen bei der Arbeitszeit zu erzielen. Almosen werden wir nicht akzeptieren. Es geht um Anerkennung der geleisteten Arbeit und den gerechten monetären Anteil am erwirtschafteten Gewinn. Konsequente Interessenvertretung bedeutet, dass man die Augen nicht vor Maßnahmen verschließen kann, die das Leben der arbeitenden Menschen dramatisch verschlechtern.

Wir alle werden angesichts des Systemumbaus die Komfortzone verlassen müssen – am besten wir tun das gemeinsam. Wir alle sind Teil des politischen Geschehens – Widerstand ist nicht delegierbar – Wir alle sind Gewerkschaft – Mitgliedschaft ist Widerstand. Und Solidarität ist unteilbar: Halten wir daher ungebrochen zusammen und stehen wir am Montag insbesondere gemeinsam hinter den MetallerInnen! Auf einen heißen Herbst!

Olivia Janisch ist Mitglied des Vorstands des Fachbereichs Eisenbahn und des KV-Verhandlungsteams der Gewerkschaft vida.

Susi Haslinger ist in der Produktionsgewerkschaft (PRO-GE) für den Bereich Sozialpolitik zuständig.

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