Strache und die SA

Die FPÖ übt sich wieder einmal in sprachlicher Aufrüstung. Das ist kein plötzlicher Wutausbruch oder ein verbales Hoppala. Das ist gut kalkulierte Strategie. Strache bezeichnet Gegendemonstrant_innen gegen den FPÖ-Burschenschafterball als „SA“. So etwas rutscht nicht einfach heraus. Es fungiert als Nachricht nach innen und nach außen.

screenshot facebook
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Nach innen sendet es das klare Signal an den völkisch-rechtsextremen Teil der FPÖ, also die Burschenschaften, dass diese keine Angst haben müssen, denn die Partei lehnt sich für sie weit aus dem Fenster. Es fördert also den Zusammenhalt und gibt Rückendeckung für jede noch so dreiste Aktion, die sich von der Parteispitze abwärts alle erlauben können. Denn Gegendemonstrant_innen werden hier als vogelfrei erklärt. Sie sind keine Menschen mit individuellen Rechten mehr, sondern stellen das Grauen schlechthin dar. (Wobei bezweifelt werden darf, dass für alle in diesem Spektrum die SA die schlimmste vorstellbare Organisation ist)

Nach außen ist es mehr als nur einer der üblichen dumpfen Ausfälle der FPÖ. Bemerkenswert ist, dass Strache selbst so offen zum Wort greift und nicht seine üblichen Männer fürs Grobe vorschickt.

Verharmlosung

Straches Aussage ist eine Verharmlosung des Nationalsozialismus, seiner Organisation und seiner Verbrechen. Die Sturmabteilung (SA) stellte die Straßenkampftruppe des NS in seiner Zeit als Bewegungsfaschismus dar. Vor der Machtübernahme des NS (deren Jahrestag im Übrigen der 30. Jänner, das diesjährige Datum des Balls, ist) prügelten und mordeten sie Hitler die Straßen frei. Vor allem Kommunist_innen und andere Linke waren die Opfer dieses Prügeltrupps. Wenn Demonstrationen mit diesen Verbrechen verglichen werden, ist das nichts anderes als eine grobe Verharmlosung.

Opfer-Täter-Umkehr

Zum anderen ist diese Aussage eine der dreistesten Opfer-Täter-Umkehren der letzten Zeit. Auch das kommt nicht von ungefähr. Im Jahr 2012 verglich sich Strache mit den Opfern des Holocausts und bezeichnete die Burschenschaften und die FPÖ just am Holocaust-Gedenktag als „die neuen Juden“. In dieser Logik ist es nur schlüssig, dass die, die gegen die Burschenschaften demonstrieren, die SA sein müssen. In dieser Logik wird auch nicht davor gescheut, eine kaputte Fensterscheibe mit den zerstörten Synagogen und ermordeten Juden und Jüdinnen während der Pogromnacht gleichzusetzen. Diese Umkehr passiert bei der FPÖ am laufenden Band: Die Täter von damals sind eigentlich die Opfer und die Opfer von damals die eigentlichen Täter. Daraus resultieren Wortschöpfungen wie „Linksfaschismus“ oder „linke SA“. Es wird versucht, sich selbst vom Geruch des NS reinzuwaschen, indem das Mäntelchen den Gegner_innen des NS umgehängt wird. So absurd es auch klingt, aber wenn der Antifaschismus der eigentliche Faschismus ist, dann kann die FPÖ damit gar nichts zu tun haben. FPÖ und Antifaschismus haben nämlich eine Überschneidungsmenge gleich null. Außer, wenn der Antifaschismus der wahre Faschismus und umgekehrt Rechtsextremismus zur Befreiung vor diesem Antifaschismus-Faschismus wird. Dann ist die FPÖ plötzlich die antifaschistische Kraft gegen den Antifaschismus. Eine glasklare Logik.

Rechte Opfer

Es ist eine eigenwillige Spielart des Rechtsextremismus, sich selbst immer als das Opfer zu inszenieren. Migrant_innen werden ermordet? Jüdische Einrichtungen geschändet? Linke werden bedroht? Egal, das wahre Opfer sind die Rechten. Denn diese werden für ihre Aussagen kritisiert oder müssen sich gar für Gesagtes rechtfertigen. Für diese himmelschreiende Ungerechtigkeit ist eine Armada von linkslinken Gutmenschen, Emanzen-Gesinnungsterroristinnen und Zensur-Inquisitor_innen verantwortlich, die gemeinsame Sache mit den antifaschistisch-faschistischen Berufsdemonstrant_innen machen. Das einzige Ziel ist es, die sich heroisch aufbäumende FPÖ klein zu halten. Diese agiert bekanntlich bar jeder Ressourcen aus dem Untergrund, wo Leute ihre Freizeit opfern, um Flyer der Freiheit per Hand zu kopieren und selbstgebastelte Radiosendungen auf Piratensendern auszustrahlen. Mühsam aber doch dringt hin und wieder ein kleines Wort dieses ressourcentechnisch völlig unterlegenen Freiheitskampfes über die Wahrnehmungsschwelle. Diese Haltung trifft auf das gesamte rechtsextreme Spektrum zu, in dem auch die Burschenschaften verankert sind. Der bürgerliche Rechtsextremismus der vermeintlichen Mitte hat alle Privilegien, die man in einer Gesellschaft so haben kann: ökonomisches, kulturelles und soziales Kapital. Burschenschafter sind weiß, männlich, wohlhabend, heterosexuell. Diskriminierungserfahrung kennen sie nur aus den verpflichtenden Gendervorlesungen, über die sie sich lustig machen. Sie leben ein ignorantes Leben als Elite. Weil es aber nicht sein darf, dass den Opfern ihrer Ideologie Gehör geschenkt wird, inszenieren sie sich selbst trotzdem noch als Opfer. Weil es keine nachvollziehbare Diskriminierungserfahrung gibt, ziehen sie das Ganze auf eine Gefühlsebene. Sie beklagen den gefühlten Identitätsverlust, sie beklagen die gefühlte Dekadenz, sie beklagen eine gefühlte Verfolgung. Und verantwortlich sind, natürlich, die Leute, die eigentlich von Diskriminierung betroffen sind.

Rechte Gewalt

Damit soll auch die Tatsache verschleiert werden, dass Gewalt von rechts ausgeht. Alleine in Deutschland wurden mindestens 184 Menschen seit 1990 (die Statistik geht bis 2013) durch rechtsextreme Gewalttäter_innen ermordet. Das dürfte die absolute Untergrenze sein, da sich solche Gewalttaten nicht gut in der Statistik machen. Im Moment findet eine Überprüfung ungeklärter Mordfälle auf rechtsextreme Hinweise statt. Das sind mindestens 8 Menschen im Jahr, die von Rechtsextremen ermordet werden. Jedes Jahr. Seit 23 Jahren. Als absolute Untergrenze. Für Österreich gibt es so eine Statistik gleich gar nicht. In Erinnerung sei hier die Mordserie des Rechtsextremisten Franz Fuchs gebracht, der 1995 in Oberwart die vier Roma Peter Sarközi, Josef Simon sowie Karl und Erwin Horvath aus rassistischen Motiven ermordete. Diese Menschen gelten in einem rechtsextremen Weltbild einfach nicht so viel wie sie selbst und die, die sie als ihre Volksgenossen ausmachen. Dementsprechend trauern die Burschenschaften am 8. Mai auch nicht um die Opfer des Holocausts sondern um ihres Gleichen: die armen deutschen Volksgenossen, die leider, leider den Krieg verloren haben.

Demokratie

Ein rechtsextremes Weltbild kann nie demokratisch sein, egal wer es propagiert und egal welche Position die Person hat. Rechtsextremismus und Demokratie sind zwei Haltungen, die einander per se ausschließen. Demokratie wird von Rechtsextremen gerne mit Beliebigkeit verwechselt, in der jeder Trottel alles sagen darf. Diskriminierung ist aber kein demokratisches Recht. Gegen Minderheiten zu hetzen oder Schwächere zu verfolgen ist ebenfalls kein demokratisches Recht. Das Leugnen und Relativieren des Holocausts ebenso nicht. Interessanterweise entspinnt sich für die Rechten die Frage nach Meinungsfreiheit immer nur an diesen Themenkomplexen. Die FPÖ verbal anzugreifen oder Diskriminierungen nicht still über sich ergehen zu lassen ist demnach kein demokratisches Recht.

Fazit

Äußerungen wie diese sind nicht zufällig oder spontan, sondern entspringen einer gewissen Ideologie. Diese Ideologie ist antidemokratisch, antiegalitär und vom Hass auf Antifaschist_innen geprägt. Es gilt also, nicht nur punktuell hinzuschauen, sondern die Ebenen dahinter aufzuzeigen und zu enttarnen.

Natascha Strobl ist Antifaschistin, bei Offensive gegen Rechts aktiv und betreibt den Blog schmetterlingssammlung.net, wo der Beitrag auch ursprünglich erschien.

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