Wenn klar ist, dass etwas nicht funktioniert, sollte man doch was anderes probieren. Wenn das Scheitern aber nicht erkannt wird, müssen wir das laut und deutlich kommunizieren.
In der Geschichte des Kapitalismus sind Krisen die Regel, nicht die Ausnahme, stellten Nouriel Roubini und Stephan Mihm schon vor einigen Jahren treffend fest. Das ist auch in der europäischen Bevölkerung langsam angekommen – der anfängliche Ausnahmezustand wurde zur Gewohnheit, neue Zeitungsmeldungen zu den dramatischen Auswirkungen der Krise werden nur noch achtlos überflogen. Auch der öffentliche Diskurs hat sich verändert. Waren anfangs noch viele interessiert an den politischen Maßnahmen, trauen sich heute nur noch die Wenigsten zu, mitzureden und zu debattieren – die Fülle an dafür benötigten Informationen scheint für viele schlicht zu groß, als dass Rechtspopulist_innen in Diskussionen leicht Paroli geboten werden könnte.
Austeritätspolitik hat versagt
Dabei ist es offensichtlich: Die neoliberale Sparpolitik hat versagt. Sie führt zu immer höheren Arbeitslosenraten und trifft Junge, Ältere und Frauen besonders hart. Seit Ausbruch der Krise sind die Suizidraten in besonders betroffenen Ländern um bis zu 40 Prozent gestiegen, europaweit erkranken 10 Prozent mehr Menschen an psychischen Krankheiten. Die Zahl an Menschen, die an oder unter der Armutsgrenze leben, ist exorbitant in die Höhe geschossen. Gleichzeitig gibt es mehr und mehr Milliardär_innen und Millionär_innen; und die werden reicher und reicher. Denn die Austeritätspolitik setzt nicht bei den Ursachen der Krise an. Im Gegenteil: Einsparungen bei den öffentlichen Ausgaben führen (durch steigende Arbeitslosenzahlen und geringere Sozialleistungen) auch zu sinkender Kaufkraft in den betroffenen Ländern. Das verstärkt nicht nur die ungleiche Verteilung von Vermögen und Einkommen, sondern auch die internationalen Ungleichgewichte in den Handelsbeziehungen weiter. Zwei der wesentlichen Gründe für die Krise werden durch die Austeritätspolitik also nicht ausgehebelt, sondern, ganz im Gegenteil, einzementiert. Und die Staatsschulden, die von neoliberaler Seite gerne als Totschlagargument eingesetzt werden, befinden sich durch ebendiese Austeritätspolitik ebenfalls in einem Höhenflug. In Griechenland, das 2013 nach Jahren wieder einen Primärüberschuss vorweisen konnte, ist die Zinslast dermaßen hoch, dass die Neuverschuldung trotzdem bei 12,7 Prozent des BIP lag.
Dass es trotz des offensichtlichen Versagens bei der Fortführung der Austeritätspolitik längst um eine politische Machtdemonstration geht, ist klar. Und das betrifft uns alle, auch in den Ländern, wo die Auswirkungen der Krise noch nicht die Mehrheit der Bevölkerung treffen. Dem Geschehen noch länger rat- und tatenlos zuzusehen, wäre unverantwortlich. Gerade deswegen formiert sich Widerstand.
Europaweit wollen die Menschen nicht mehr länger mitanschauen, wie Bildungs- und Gesundheitsbudgets massiv gekürzt, Milliarden aus Pensionsfonds in Bankenrettungen gesteckt werden. Verringerte Mindestlöhne und Kündigungswellen im öffentlichen Dienst wirken noch zynischer angesichts der in vielen Ländern erhöhten Einkommens- und Mehrwertsteuern. Und wenn die selben Länder Erstwohnsitze besteuern statt Millionengewinne, Arbeitslosengelder kürzen statt Unternehmen zu besteuern und davon geredet wird, den Gürtel noch enger zu schnallen, während viele Leute das aufgrund von mangelndem Zugang zu Nahrungsmitteln ohnehin machen müssen, ist klar, es muss sich etwas tun.
Echte Lösungen diskutieren
Progressive Ansätze zur Lösung der Krise müssen deren Ursachen aushebeln. Diese liegen in einem Wirtschaftssystem, das auf Ungerechtigkeit basiert. Statt Banken zu retten und Geld in die Finanzwirtschaft zu pumpen, muss es gerade dort abgezogen und in die Realwirtschaft umgeleitet werden. Das kann nur durch eine europaweit koordinierte Wirtschaftspolitik passieren, die Elemente wie eine echte Finanztransaktionssteuer einsetzt und sich nicht davor scheut, die Finanzmärkte und den Bankensektor zu regulieren. Dem Bangen vor Ratingagenturen kann und muss ein Ende gesetzt werden, indem ihnen der Einfluss entzogen wird. Dafür ist Solidarität und koordiniertes Vorgehen der Euroländer nötig.
Diese Maßnahmen können nur auf fruchtbaren Boden fallen, wenn gleichzeitig daran gearbeitet wird, die ungleiche Verteilung zwischen und in europäischen Ländern zu beenden. Solange Reiche immer reicher werden und Arme immer ärmer, solange Frauen weniger verdienen als Männer und Junge und Alte keinen Job finden, solange Arbeitslose, Flüchtlinge und Migrant_innen am Rand der Gesellschaft stehen und Leute mit Beeinträchtigung nicht in die Arbeitswelt integriert werden können, kann von einer Überwindung der Krise in Europa keine Rede sein.
Diese Punkte und Forderungen werden von einem breiten Bündnis aus NGOs, Instituten, Gewerkschaften, religiösen Organisationen, Vereinen und Einzelpersonen unterstützt und aktuell mit der Kampagne #StopAusterity europaweit nach außen getragen.
Julia Jakob studiert Transkulturelle Kommunikation und arbeitet für die Kampagne www.stopausterity.eu am Marie Jahoda – Otto Bauer Institut. Weitere Informationen zu den Auswirkungen der Sparpolitik gibt es unter www.stopausterity.eu.