Erhebliche Verluste für SPÖ und ÖVP brachten die steirischen Gemeinderatswahlen vom vergangenen Sonntag. Die erste Profiteurin der sozialdemokratischen Niederlage sind die Freiheitlichen. Das „Phänomen“ ihres Aufstiegs ist direktes Resultat der Aufgabe der sozialen Frage durch die SPÖ, meint Samuel Stuhlpfarrer.
Während SPÖ (31,57 Prozent, minus 5,42 Prozent) und ÖVP (42,72 Prozent, minus 4,09 Prozent) im landesweiten Gesamtergebnis (ohne Graz, das nicht gewählt hatte) insgesamt nahezu zehn Prozent verlieren, legen Opposition und unabhängige Listen, teils erdrutschartig, zu. Die FPÖ verdoppelt ihren Stimmenanteil landesweit auf fast 14 Prozent, Grüne (3,33 Prozent, plus 1,21 Prozent) und KPÖ (1,53 Prozent, plus 0,31 Prozent) gewinnen bescheiden hinzu. Für die Sozialdemokrat_innen setzt sich der Abwärtstrend in ihren ehemaligen Hochburgen ungebremst fort. In Bruck an der Mur (minus 14 Prozent), Mürzzuschlag (minus 8 Prozent) und Knittelfeld (minus 6,7 Prozent) verliert die SPÖ jeweils die absolute Mandatsmehrheit, in Leoben, der zweitgrößten Stadt im Land, bleibt sie stimmenmäßig unter 50 Prozent. In der ehemaligen Kohlerevierstadt Köflach halbiert sich die SPÖ auf nur mehr 33 Prozent der Stimmen.
Kürzungspaket und sozialdemokratische Niederlage
Während die SPÖ in den Städten verliert, bricht die ÖVP in den ländlicheren Gemeinden fast durchwegs ein. Da wie dort profitieren die Freiheitlichen am Stärksten. „Schmerzlich“ seien die Verluste, wie Landeshauptmann Franz Voves zugestand, die Gewinne der Freiheitlichen „ein Phänomen, gegen das wir schon seit einiger Zeit ankämpfen“. Gleichzeitig bemühten sich Voves und sein Vize Hermann Schützenhöfer umgehend darum, dem Wahlergebnis keinerlei größere Bedeutung, mit Blick auf die anstehenden Landtagswahlen, beizumessen. Ein Trend ist freilich dennoch ablesbar. Die selbst ernannten „Reformpartner“, die seit 2010 die schärfsten Kürzungen aller österreichischen Bundesländer orchestrieren, verlieren in ihren Kerngebieten. Die ÖVP trifft es dabei weniger hart und punktuell in jenen Gemeinden, die – oftmals gegen erbitterten Widerstand – zuletzt fusioniert worden waren. Die Kürzungspakete der letzten vier Jahre, die den Sozial-, Pflege- und Gesundheitsbereich am stärksten betrafen, setzen der SPÖ indes wesentlich mehr zu. Ihr kehren städtische Arbeiter_innenklasse und untere Mittelschicht zunehmend den Rücken zu. Die erste Profiteurin der sozialdemokratischen Niederlage sind die Freiheitlichen. Das „Phänomen“ ihres Aufstiegs (analog zur Bundesebene) ist direktes Resultat der Preisgabe der sozialen Frage durch die SPÖ.
Protest geht auch links
Dass sich der Protest gegen die rigide Kürzungspolitik von SPÖ und ÖVP nicht ausschließlich in Stimmengewinnen für die extreme Rechte niederschlagen muss, führen jene Gemeinden vor, die in Gestalt der KPÖ über eine lokal verankerte, glaubwürdige soziale Protestpartei verfügen. Insbesonders in den Industriestädten entlang der Eisenstraße konnten die Kommunist_innen teils signifikant zulegen. In Trieben etwa erreicht die KPÖ aus dem Stand elf Prozent, in Knittelfeld steigert sie sich von zehn auf 15 Prozent und ist drittstärkste Kraft, in Eisenerz legen die Kommunist_innen von sechs auf 20 Prozent zu und stellen künftig auch den Vizebürgermeister – es ist dies nicht die einzige Gemeinde, in der die KPÖ die FPÖ hinter sich lassen kann.
Weniger erfolgreich verlief die Wahl für die KPÖ in Trofaiach. Hier verliert sie 5 Prozentpunkte, stellt allerdings mit 16,9 Prozent nach wie vor die Vizebürgermeisterin. Auch in Leoben konnte die KPÖ stimmenmäßig nicht von den Verlusten der Landesregierung profitieren, stabilisiert sich jedoch bei 10,35 Prozent und hält den Sitz in der Stadtregierung.
In der 7000-Einwohner_innen-Gemeinde Fohnsdorf, mit ausgeprägter kommunistischer Tradition, ließen sich die örtlichen Kommunst_innen im Vorfeld der Wahl auf eine ominöse Plattform mit ÖVP, Grünen und FPÖ ein. Im Ergebnis verliert die KPÖ hier zwei Prozentpunkte und sichert sich nur knapp den Wiedereinzug, während Freiheitliche und ÖVP zulegen können. Das Detail scheint einen Fingerzeig für den anstehenden Landtagswahlkampf der KPÖ selbst bereit zu halten: Wer den Freiheitlichen schaden will, scheint gut darin beraten zu sein, die soziale Frage glaubwürdig, offen und ohne Blick nach Rechts, zu formulieren. Es lohnt sich.
Samuel Stuhlpfarrer ist hauptberuflich in der politischen Erwachsenenbildung tätig. Daneben schreibt er in regelmäßiger Unregelmäßigkeit für die in Berlin erscheinenden Tageszeitungen Neues Deutschland und junge Welt.