Stadt für Alle Camp – Staubige Utopien in St. Marx

Zelt am Stadt Für Alle Camp

Bis morgen Samstag findet in St. Marx das Stadt für Alle Camp statt. Klimagerechtigkeit trifft dabei auf stadtpolitische Kämpfe. Petra Kolb schildert für mosaik ihre Eindrücke.

Nun ist es wieder so weit, das Klimacamp bei Wien hat am 25. Mai gestartet. Diesmal unter einem anderen Namen, dem Stadt für Alle Camp. Auch der Ort ist ein ungewöhnlicher: Mitten im 3. Bezirk, auf einer Fläche in St. Marx, findet das diesjährige Camp statt. Umringt von Betonflächen, Wolkenkratzern und dem ehemaligen Schlachthof liegt eine grüne, verschlungene Oase. Eine unverbaute Fläche, die sich als Möglichkeitsraum angeeignet wurde. Geplant ist ein vielfältiges und buntes Programm. Eine Woche voller Workshops, Vernetzung und Bildung, wobei auch der Spaß nicht zu kurz kommen soll.

Urbanes Experimentierfeld

Der Ort, an dem das diesjährige Camp vom 25. bis zum 31. Mai stattfindet, ist schwer zu beschreiben. Er trägt sowohl utopische als auch dystopische Elemente in sich. Cleo, die Pressesprecherin des Klimacamps, berichtet, dass Klimacamps oft an Orten der Zerstörung stattfinden. St. Marx ist definitiv eine bedrohte Fläche. Das Camp liegt umringt von Wolkenkratzern, knapp an der Tangente – Wiens Stadtautobahn, an der unentwegt Autos entlang rasen.

Es ist ein kollektiv selbstorganisierter Freiraum inmitten der Stadt, in dem zahlreiche unterschiedliche Vereine und Projekte aufeinandertreffen. Zum Teil als Zwischennutzungen zugelassen gibt es einen Gemeinschaftsgarten, einen Skatepark und einen Basketballplatz, sowie unterschiedliche Kunst- und Kulturangebote – wie Baulückenkonzerte in heißen Sommernächten. All diese Aktivitäten sind gemeinwohlorientiert und kostenlos. In St. Marx ist ein urbanes Experimentierfeld entstanden, ein konsumfreier Raum für Begegnungen, zum Verweilen und (Selbst-)gestalten.

Veranstaltungszelt am Stadt für alle Camp
Gut besuchtes Camp zur Abendstunde | (c) Stadt für Alle Camp

Nein zur Halle – St. Marx für Alle

Der einzige Nachteil: Dieser Raum ist akut bedroht. Denn die Wien Holding, ein Unternehmen im Eigentum der Stadt Wien, plant auf dieser Fläche eine Mega-Eventhalle für internationales Publikum um 500 Millionen Euro zu bauen. Die lokale Bevölkerung ist in diesen Prozess nicht miteinbezogen. Als „Public Private Partnership“ soll der deutsche Großkonzern CTS Eventim die Halle bauen, damit Wien im internationalen Städtewettbewerb weiter punkten kann. Derselbe Konzern, der vom Verein für Konsumenteninformation (VKI) 2023 geklagt wurde, da er bei Veranstaltungsabsagen bezahlte Servicegebühren nicht rückerstattet.

Gegen den Bau einer gewinnorientierten Veranstaltungshalle protestieren nun zahlreiche Initiativen und Anrainer*innen. Vereint werden sie durch die Initiative St. Marx für Alle, die sich für den Erhalt des Freiraums einsetzt. Aber die Zeit drängt, da die Räumung der Fläche schon für Dezember 2025 angesetzt ist.

Kämpfe miteinander verbinden

Das Organisationsteam des Klimacamps hat sich bewusst für diesen Ort entschieden. Anstoß war es, Fragen der Klimagerechtigkeit mit Fragen hinsichtlich einer Stadt für Alle beziehungsweise dem Recht auf Stadt zu verknüpfen. Unter dem Recht auf Stadt versteht der marxistische Stadtforscher Henry Lefebvre die Teilhabe am öffentlichen Leben und eine kollektive Nutzung des öffentlichen Raumes. Nun betonen sowohl die Klimagerechtigkeitsbewegung als auch Recht auf Stadt Aktivist*innen die Notwendigkeit einer gerechten und nachhaltigen Stadtplanung. Diese orientiert sich nicht an kapitalistischen Profitlogiken, sondern am Gemeinwohl.

Dies zeigt auch die Zusammenstellung des diesjährigen Workshop-Programmes. Es behandelt Fragen von Gentrifizierung, Zwischennutzung und die Politisierung des öffentlichen Raumes. Wie jedes Jahr bietet das Klimacamp einen wichtigen Ort der Klimabewegung für Vernetzung, Diskussionen, gemeinsames (Ver-)Lernen, aber auch einfach einen Aufenthaltsraum. Daher auch der Name: Stadt für Alle Camp. Denn „dieses Camp soll eben wirklich für Alle Menschen sein“, erzählt Cleo, und auch über die Klimagerechtigkeitsbewegung hinaus Menschen anziehen.

Workshop am Stadt für Alle Camp
Workshop am Stadt für Alle Camp | (c) Stadt für Alle Camp

Viel geboten, viel Arbeit

Begonnen hat das Camp am Sonntag, den 25. Mai mit einem Auftaktplenum unter dem Titel „St. Marx was geht?“. Bei diesem stellten sich verschiedene Vereine, die vor Ort tätig sind, als auch die Initiative St. Marx für Alle vor. Sie berichteten über ihre Probleme mit der Stadt Wien. Das Programm ist bunt und vielseitig. Es gab zahlreiche Einreichungen für Workshops und auch das Abendprogramm ist dicht. Am Programm standen in den letzten Tagen bereits das Theater für Bewegungsfreiheit oder eine Vorführung des Films „Direct Action“ über eine Besetzung Nähe Nantes in Frankreich, um gegen den Flughafenbau zu protestieren.

Als selbstorganisierter Raum wird auch gemeinsam gearbeitet, gekocht, abgewaschen und Care- und Reproduktionsarbeit sichtbar gemacht und untereinander aufgeteilt. Cleo betont in unserem Gespräch nochmals die Selbstorganisation des Camps: „Wir brauchen Menschen, die Schichten übernehmen, die mithelfen. Es ist schon wichtig, dass Menschen kommen, die sich bewusst sind, dass dieses Camp von uns allen getragen wird und sich dann auch für Schichten anmelden“, erklärt sie.

Hier wird noch einmal deutlich, wie sehr ein selbstorganisierter Raum auf die Mitarbeit von Allen angewiesen ist – ein Camp für Alle eben. Der Abschluss des Camps findet am Samstag den 31.05. mit der Podiumsdiskussion „Stadt für Alle – St. Marx wo geht’s hin?“ statt. Hier soll über Widerstand und die Erhaltung von Freiräumen gesprochen werden – grundlegende Fragen für die Initiativen, wenn der Freiraum über Dezember hinaus erhalten bleiben soll.

Foto: Stadt für Alle Camp

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