Im Moment fühlen sich die verschiedensten AkteurInnen des politischen Geschehens dazu berufen, ihren Senf zur jetzt schon unerträglichen und unergiebigen „Asyldebatte“ beizutragen. Ein solches Unterfangen stellt das 7-Punkte-Programm der SPÖ Kärnten dar. Es soll eine „Entlastung“ in der Flüchtlingsfrage bringen. Noch rechter geht es wohl kaum mehr, stellt Nina Andree fest.
„Wir arbeiten an Lösungen und nicht an schwarz-blauen Luftschlössern“ verkünden Peter Kaiser und die Kärntner SPÖ gleich zu Beginn des Mitte Jänner neu vorgestellten „SPÖ-Aktionsplanes zur Entlastung Österreichs in der Frage der Flüchtlingsunterbringung“. Dieses Versprechen hält sich jedoch nicht lange. Schnell wird beim Weiterlesen klar, dass das Papier einen weiteren Rechtsruck der Kärntner Sozialdemokratie darstellt. Statt sinnvollen und umsetzbaren Forderungen, wie dem Senken des Betreuungsschlüssels in Unterkünften oder einem EU-weiten Waffenexportverbot, zielt das Programm vor allem darauf ab, möglichst viel Geld einsparen zu können.
1. Einer der sieben Punkte fordert die vieldiskutierten „Hot Spots“ an den EU-Außengrenzen und an den Fluchtrouten, ausschließlich an diesen „Hot Spots“ sollen Schutzsuchende Anträge auf Asyl stellen können. Den „Hot Spot“ verlassen sollen Flüchtlinge während dem Verfahren nicht dürfen. Dazu, wie Flüchtenden aus Kriegsgebieten überhaupt erst sichere Fluchtrouten gewährleistet werden können, schweigt die Kärntner SPÖ. Gerade für Frauen, Kinder und andere auf der Flucht besonders gefährdete Gruppen wäre eine sichere und legale Fluchtroute die einzige Chance, Krieg und Terror zu entkommen. In Zusammenarbeit mit der UN-Flüchtlingsorganisation (UNHCR) wären solche Routen durchaus realisierbar. Eine weitere Möglichkeit wären EU-Botschaften in den von Krieg und Zerstörung heimgesuchten Staaten, um Personen die Möglichkeit zu geben, dort den Antrag auf Asyl stellen zu können. Vieles bleibt im Vorschlag der SPÖ Kärnten dazu unklar. Etwa was mit Schutzsuchenden passiert, wenn sie keinen Antrag in einem „HotSpot“ stellen, sondern in ein bestimmtes Land fliehen.
2. Ein weiterer unter den sieben Aktionspunkten sind Rückführungsabkommen mit Drittstaaten wie der Demokratische Republik Kongo, Äthiopien oder Guinea. Diese sind laut Programm vor allem wichtig, um nach einem negativen Bescheid eine schnelle Rückführung durchführen zu können. Die aufgezählten Staaten in diesem Programmpunkt sind derzeit kaum relevant und zeugen vom Unverständnis der aktuellen geopolitischen Entwicklungen. Zudem ist die ökonomische Situation von großen Teilen der Menschen in vielen dieser Staaten katastrophal – und dafür sind die Staaten der Europäischen Union mitverantwortlich. Ignoriert wird auch, dass es aktuell so viele Kriege gibt, wie seit 1945 nicht mehr.
3. Das Programm betont, dass Asylverfahren mit mehr Tempo abgehandelt werden sollen – dies spare Geld und „Wirtschaftsflüchtlinge“ könnten so schneller abgeschoben werden. Der Kampfbegriff des „Wirtschaftsflüchtlings“ trifft in der aktuellen Fluchtbewegung nicht den Kern der Dinge. Es ist ein Begriff, der von der politischen Rechten geprägt und vom Mainstream übernommen wurde. Abseits dessen müssen wir uns die Frage stellen, warum wir Menschen, die wegen Perspektivenlosigkeit und vor Hunger fliehen, nicht helfen sollten? Ihnen droht ein Leben in Armut, bis hin zum Verhungern. Das kann nicht einfach hingenommen werden. Zuletzt noch einmal angemerkt, dass die in den Medien und der Politik verbreitete Angst vor „Wirtschaftsflüchtlingen“ der empirischen Überprüfung nicht standhalten kann.
4. Des Weiteren fordert die SPÖ Kärnten einheitliche europaweite Asylstandards. Dabei ist den Sozialdemokrat_innen des südlichen Bundeslandes wichtig, dass Flüchtlinge nach der Zuweisung zu einem bestimmten Land nicht in andere EU-Mitgliedsstaaten weiterreisen können. Die geflüchtete Person soll viel mehr sofort in das betreffende Land rückgeführt werden können. Die Folgen wären, dass viele Menschen mit einem positiven Bescheid eines Landes geraume Zeit eben dort bleiben müssten. Personen wären lange in den Staaten gefangen und könnten sich kaum frei bewegen. Das würde Menschen die gesellschaftliche Teilhabe verunmöglichen, etwa wenn SchülerInnen nicht an Sprachreisen teilnehmen könnten.
5. Die Forderung nach einer Haftpflichtversicherung ist grundsätzlich sinnvoll. Sie ist eine langjährige Forderung vonseiten vieler NGOs, die bislang nicht umgesetzt wurde, weil sich Landeshauptleute weigerten, sie zu finanzieren. Sie könnte durch eine Anhebung des Tagsatzes, den NGOs für die Betreuung von Flüchtlingen erhalten, längst umgesetzt werden, beispielsweise in Kärnten. Wer ist dort Landeshauptmann?
6. Der sechste Punkt im Kärntner Vorschlag bezieht sich auf die Umstellung der Grundversorgung auf Sachleistungen. Dies würde bedeuten, Menschen darin einzuschränken, selbst darüber zu entscheiden, wie sie leben wollen, welche Hygieneartikel sie benötigen, was sie gerne Essen, wie sie sich kleiden oder wie sie ihre Kinder versorgen wollen. Wer in solchen Forderungen einen Akt der Solidarität und Menschlichkeit erblicken mag, sollte über seine eigene Gedankenwelt reflektieren.
7. Der letzte Punkt des Programms fordert eine Talente- und Befähigungsprüfung für Flüchtlinge, um etwaige Qualifikationen, die sie in ihrem Herkunftsland erworben haben, anzuerkennen. Ein Schritt, der durchaus Positives mit sich bringen könnte. Jedoch fehlt es am Willen, einen erleichterten Arbeitsmarktzugang zu schaffen und den Menschen eine reale Chance zu geben, dort Fuß zu fassen.
Rechtspopulismus statt Menschenrechte
Die sieben Punkte machen sehr deutlich: Der Versuch, die „schwarz-blauen Luftschlösser“ platzen zu lassen, führt eher dazu, festgebaute Anlagen aus ihnen zu bauen.
Der „7 Punkte umfassende SPÖ-Aktionsplan zur Entlastung Österreichs in der Frage der Flüchtlingsunterbringung“, der eigentlich an „Lösungen“ arbeiten will, ist ein am Rechtspopulismus streifendes, realitätsfremdes Programm. Es drückt das sozialdemokratische Versagen in vielen kommunalen Bereichen aus und kann als Spiegelbild des traurigen Rechtsrutsches der Bundes-SPÖ verstanden werden. Anstatt klar zu machen, dass wir flüchtende Menschen mit Solidarität und Hilfsbereitschaft empfangen, versuchen die GenossInnen mit billigen Forderungen den rechtspopulistischen Parteien den Wind aus den Segeln zu nehmen. Die Erfahrung der letzten Landtagswahl im Burgenland zeigt: wer die Politik der FPÖ macht, hilft am Ende nur einer: der FPÖ selbst. Anstatt eine gerechte Umverteilung von Oben nach Unten umzusetzen, will man dort sparen, wo es dringend benötigt wird. Soziale Ungleichheiten wird man mit diesen Forderungen keineswegs beseitigen, sondern verschärfen. Wer glaubt aus sozialdemokratischer Perspektive auf dem Rücken hilfsbedürftiger Menschen Politik machen zu können, wird in einem Land aufwachen, in dem es keine Sozialdemokratie mehr gibt.
Nina Andree studiert Rechtswissenschaft an der JKU Linz, sie ist Frauensprecherin der Sozialistischen Jugend Oberösterreich und aktiv bei „Linz gegen Rechts“.