Andi, der Kurs stimmt NICHT!

Ein Stop-Schild vor grünem Hintergund

Die SPÖ soll eine mitgliederzentrierte Mitmachpartei werden. Das schwebt jener Initiative vor, die mit Hirn und Herz für Andi Babler wahlkämpfte. Die Richtung der Sozialdemokratie stimmte, so meinen die Genoss*innen wieder einmal. Andreas Aipeldauer sieht das anders. Er meint: Fangt an zu kämpfen oder eure Partei wird sterben.

Die gefährlichste Option ist sicherlich nicht Bablers offene Niederlage, sondern seine Integration“, schrieb die mosaik-Redaktion Ende April 2023. Kurze Zeit später wählte die SPÖ-Basis Babler zum Parteichef und weckte für einen kurzen Moment Hoffnung und Kampfgeist. In der Sozialdemokratie schien es so, als würden die Linken von ihrem Vorsitzenden abwärts tatsächlich beginnen, um die Macht in ihrer Partei zu kämpfen. Doch es dauerte nicht lange und die Integration begann. Heute ist Andi Babler ein SPÖ-Chef wie jeder andere. Das veranlasste Peter Guggi bereits vor einem Jahr dazu, dafür zu plädieren, die SPÖ sterben zu lassen. Nach den Nationalratswahlen liegt die Partei mehr denn je am Boden und niemand redet darüber. Schon gar nicht die geschlagenen Bableristas. Statt zu kämpfen, gibt sich “Andi” staatsmännisch und tut so, als würde sich in den Koalitionsverhandlungen etwas gewinnen lassen.

Der Preis einer Koalition

“Nicht weil wir zusammenarbeiten müssen, sondern weil wir es wollen”. Mit diesen Worten erklärt Babler in einem Video auf Instagram am 18. November seine Motivation zum Beginn der Koalitionsverhandlungen. Vor ein paar Monaten wollte er noch etwas anderes, Kanzler werden. Gut, nach einer verlorenen Wahl muss man seine Ambitionen anpassen. Aber welcher sich selbst halbwegs ernst nehmende Linke kann mit dem „Radikalisiertem Konservatismus“ (Natascha Strobl) und den NEOS, die „vor allem knallharte Politik gegen Arbeitnehmer:innen im Gepäck” haben (kontrast, Magazin des SPÖ Parlamentsklub), unter Führung des Butlers des Großkapitals(Sozialistische Jugend) eine Koalition bilden wollen?

Am Ende des Videos scheint dann doch ein bisschen Ehrlichkeit durch. Andi erklärt uns, die er auf diese Reise mitnehmen wolle, dass die Sozialdemokratie in den Verhandlungen „über ihren Schatten springen müsse“. Keine Rede ist hier mehr von wollen. Er bereitet uns emotional darauf vor, welche harten Zugeständnisse die SPÖ wird machen müssen. Ähnlich wie die Grünen in den letzten Jahren, um die FPÖ zu verhindern. Dabei ist die Frage die sich die Sozialdemokratie stellen muss eine viel grundsätzlichere als Koalition, ja oder nein.

Politische Realitäten in einer sterbenden Welt

Wir stehen mitten in einer Generalmobilmachung der globalen Rechten. Dazu Klimakollaps und eine schwache, desorganisierte Linke. Friedrich Burschel argumentiert im Neuen Deutschland, die Linke muss die Überbringerin dieser schlechten Nachrichten sein. “Sie muss die zu erwartenden drastischen klimagetriebenen Veränderungen benennen, die Konsequenzen für das gesellschaftliche Zusammenleben, für Konsum und Wohlstand, für zu erwartende kriegerische Auseinandersetzungen und gewaltförmige Reaktionen derer, die auf nichts verzichten werden”. Konkreter, der Kollaps der deutschen Autoindustrie wird die österreichische Zulieferindustrie weiter Richtung Abgrund ziehen.

Das Pariser Klimaabkommen ist krachend gescheitert. International stehen alle Zeichen auf Krieg und Hochrüstung und ob die EU die nächsten 10 Jahre überlebt, ist keinesfalls gewiss. Gleichzeitig geben die  heutigen politischen und ökonomischen Verhältnisse ein Zurück in den sozialstaatlichen Kompromiss der 60er und 70er Jahre, wie ihn Babler fordert, nicht mehr her. Aufgebaut war dieser schon damals auf den Finanzhilfen der USA, billigem russischem Gas und der Expansion des fossilen Kapitals. Alles auf Kosten des Klimas, das uns jetzt um die Ohren fliegt und uns eine existenzielle Dringlichkeit auferlegt. Wer in so einer Situation Mach mit uns weiter” auf seine Website schreibt, hat diese Dringlichkeit nicht verstanden.

Eine Partei mit Scheuklappen

Die Schwierigkeiten der SPÖ, sich der Gegenwart bewusst zu werden, sind nicht neu. In seinem berühmten Text “So starb eine Partei” beklagt der österreichische Schriftsteller Jura Soyfer bereits in den 1930er-Jahren die Trägheit der Sozialdemokratie und ihre Blindheit gegenüber der historischen Situation. Der SP-Parteiintellektuelle Robert Misik fühlte sich bereits 2016 an die Worte Soyfers erinnert und hielt sie seinen Genoss*innen warnend vor: „… ein Kopf-in-den-Sand-Stecken, einerseits die Gefahren einfach leugnen, andererseits dröhnende Selbstbeschwörung, es werde schon nicht so schlimm kommen, und wenn es dann wieder ein Stück schlimmer gekommen ist, zu sagen, so schlimm ist es ja noch nicht, man muss jetzt retten, was zu retten ist, …. “Bis zum bitteren Ende …”

Dass alles gar nicht so schlimm sei, erklärte uns auch die Initiative Mitmachen in ihrem Resümee des Babler Wahlkampfs vor Kurzem auf mosaik. Der Wahlkampf war ja mitgliederzentriert. Da waren “Menschen mit Meinungen, Haltungen und Überzeugungen”, sogar „kritische Meinungen zur SPÖ waren willkommen“. Jetzt will man die SPÖ zu einer Mitmachpartei machen. Immerhin hat man dort, wo man präsent war, regionale Gewinne einfahren können. Auch Jura Soyfers Dworak würde von einem Sieg sprechen.

Wir brauchen eine kämpferische Sozialdemokratie

Peter Guggis Wunsch könnte früher in Erfüllung gehen, als er vor einem Jahr gedacht hätte. Leider hilft uns das nicht, denn die österreichische Realität ist nun einmal auch, dass wir die Strukturen, Ressourcen und Infrastruktur der Sozialdemokratie in den kommenden Kämpfen brauchen werden. Sie ist nach wie vor eine Massenorganisation mit Zugang zu gesellschaftlichen Schichten, von der die Restlinke nur träumen kann.

Auf der Demo „Transnationale Solidarität gegen Rassismus und Krieg” hielt die Genossin Kübra Atasoy von Asyl in Not eine bemerkenswerte Rede. Darin kritisiert sie Teile der (liberalen) antirassistischen Bewegung. Sie fordert sie auf, radikaler zu werden und an die Wurzel der Probleme zu gehen. Sie fordert sie auf, die Enteignung von Waffenproduzenten zu fordern und von jenen, die mit autoritären Regimen Geschäfte machen. Und dann der für uns heute zentrale Satz: “Stellt euch hinter uns, denn nur so wird sich etwas ändern! Seid mutig genug, auch für herausfordernde Forderungen. Geht mit uns oder geht uns endlich aus dem Weg.” Die Linke sollte ihn sich zu eigen machen. Der Babler Flügel sollte ihn an sein eigenes Partei-Establishment richten. Die Restlinke an die gesamte SPÖ in einem gemeinsamen Verhältnis von Partei und Bewegung.

Unterstützung in Zeiten des Kollaps

Der Versuch, sich aus der eigenen Verdrängung der politischen Realität zu befreien, ist der erste Schritt, der uns aber gleichzeitig die Gewaltigkeit der vor uns liegenden Aufgabe fühlen lässt. Gegen das Gefühl von Ohnmacht hilft nur das Gefühl von Hoffnung. Hoffnung entsteht aus kämpfender Bewegung und Selbstwirksamkeit. Es gilt Strukturen aufzubauen, in denen Menschen diese Erfahrungen machen. Denn viele wissen nicht, dass ihnen diese Möglichkeit offensteht oder begreifen die gegenseitige Hilfe, die sie in ihrem Umfeld bereits praktizieren, nicht als den Grundstein der Selbstorganisation des Lebens, der notwendig ist, um die großen Veränderungen voranzutreiben. Insofern stimmt es schon, dass der Mitmach-Ansatz der Babler-Linken besser ist als der vorangegangene Top-Down Ansatz. Konsequent weitergedacht, würde er für die Sozialdemokratie aber ganz andere Dinge bedeuten:

Es würde bedeuten Arbeiter*innen dort zu unterstützen, wo diese sich selbst organisieren wollen. Nicht, um sie in den Gewerkschaftsapparat einzuhegen, sondern aus einem ehrlichen Interesse an kämpfenden Arbeiter*innen. Es würde bedeuten, den Genoss*innen von Undok oder der IG 24h Pflege, die Mittel in die Hand zu geben, um kämpferische Strukturen im ganzen Land aufzubauen. Oder zumindest nicht die Kämpfe der streikbereiten Kolleg*innen abzuwürgen, wie es in der Sozialwirtschaft 2020 passiert ist.

Es würde auch bedeuten, den Konflikt mit der Klimabewegung aufzugeben und stattdessen zu beginnen, gemeinsam Wirtschaft und Gesellschaft umzubauen. Warum nicht Initiativen wie “Wir fahren gemeinsam” auf viele weitere Branchen ausweiten, anstatt SLAPP Klagen zu verschicken? Warum nicht mit den eigenen bestehenden Strukturen Verantwortung übernehmen. Lothar Galow-Bergemann beschreibt auf der Act Now Konferenz die Gewerkschaft als die größte Massenorganisation der Fachleute für den stofflichen Umbau der Welt.“ Dort sind die Leute, die wissen, wie das geht. Sie müssen es nur machen.

Zurück zur Solidarität

Wir sind das Bauvolk der kommenden Welt”, wissen die Arbeiter*innen von Wien. Das aktualisierte „Wir“ steht immer noch für die Unterdrückten der Welt. Das bedeutet regional und global unterschiedliche Verstrickungen. Auch wenn die Ketten, die wir tragen unterschiedlich dick sind und manche mehr Ketten tragen müssen als andere und auch wenn manche sich hinreißen lassen, selbst welche zu schmieden wollen. Einsammeln müssen wir alle, die ohne Ketten leben wollen.

Kern von alledem kann nur ein globaler Humanismus sein und alle, die für einen solchen einstehen, sind unsere Genoss*innen. Die Entscheidung, ob sie ein Teil dieser kämpferischen Bewegung sein wollen, müssen alle Sozialdemokrat*innen dieser Tage treffen. Lieber eine kämpferische Sozialdemokratie mit 10% als eine mit 25%, die gemeinsam mit ÖVP und NEOS weiter den Sozialstaat und die Menschenrechte einstampft.

Foto: Will Porada auf Unsplash

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