Sozialarbeiter_innen: So wehren wir uns gegen schwarz-blaue Angriffe

Schwarz-Blau verschärft die Bedingungen für Soziale Arbeit. Lucia Palas und Mara Harlander sind Sozialarbeiterinnen und engagieren sich in der Initiative KNAST (Kritisches Netzwerk Aktivistischer Sozialarbeits-Studierender und -Tätiger). Sie erzählen im mosaik-Interview, welche Auswirkungen die schwarz-blauen Angriffe haben und wie sie sich dagegen wehren.

mosaik: Wie wirkt sich die schwarz-blaue Bundesregierung auf eure Arbeit aus? Merkt ihr einen Unterschied?

Mara Harlander: Ich beobachte, dass die Verdrängungspolitik zunimmt. Die Polizei geht repressiver vor als früher. Und ein besonderes Thema ist natürlich, wer Ansprüche auf soziale Leistungen hat und wer nicht. Das hängt mit Ausschlüssen aufgrund der Staatszugehörigkeit zusammen.

Lucia Palas: Es geht nicht nur um bestimmte Maßnahmen, sondern wir spüren wie sich die gesellschaftliche Stimmung verschärft. Das löst natürlich Ängste bei den Menschen aus. Ich merke, dass bei Ämtern und Leistungen ein Druck da ist, strenger und härter vorzugehen.

Gibt es dafür konkrete Beispiele?

Lucia: Auf Ämtern wird Druck ausgeübt, der dann weitergegeben wird,  z.B. beim AMS. Klient_innen erzählen, dass ihnen dort gesagt wird, dass es bald keine Notstandshilfe mehr geben wird. Das löst natürlich Angst und Panik bei den Betroffenen aus.

Menschen in Wien werden auch unter Druck gesetzt, irgendwo in Österreich, in anderen Bundesländern, als SaisonarbeiterInnen zu arbeiten. Diese Menschen verlieren dadurch dann ihre Wohnplätze in der Wohnungslosenhilfe und sind obdachlos, wenn sie zurückkommen.

Wirkt sich die schwarz-blaue Kürzungspolitik auch auf eure Arbeitsbedingungen aus?

Lucia: Ja, es werden ganze Einrichtungen geschlossen. Vor allem im Geflüchteten-Bereich. Viele Sozialarbeiter_innen fragen sich, wie lange es ihre Jobs noch geben wird.

Und was erwartet ihr noch von Schwarz-Blau?

Mara: Mit einem Wort: Sozialabbau. Es wird überall gekürzt und Menschen werden bewusst in die Armut gedrängt.

Lucia: Ja, und besonders betroffen sind natürlich Migrant_innen und Geflüchtete. Sie sind oft nicht anspruchsberechtigt und hier wird bewusst rassistisch vorgegangen und gespaltet. Für diese Menschen gibt es fast keine Angebote mehr. Neben dem Flüchtlingsbereich ist es der Frauenbereich, wo massiv gekürzt wird.

Mara: Ein konkretes Beispiel ist maiz, eine feministische migrantische Selbstorganisation. Der Staat bemüht sich aktiv darum, sie durch Kürzungen und Schikanen klein zu kriegen. Es ist kein Zufall, dass es eine Organisation trifft, die sich auch politisch kein Blatt vor den Mund nimmt.

Lucia: Ein anderes Beispiel ist die Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie. Da hat sind die Subvention gekürzt worden und die Zusammenarbeit mit der Polizei wurde eingeschränkt. Diese Arbeit kann jetzt nicht mehr wie bisher stattfinden.

Ist für diese Entwicklungen alleine die schwarz-blaue Regierung verantwortlich?

Lucia: Naja, es ist schon eine allgemeine Entwicklung. Auch im rot-grünen Wien gibt es Druck auf bestehende Leistungen und die Angst, dass man arme Menschen „anzieht“.

Wie verändert sich die Rolle der sozialen Arbeit unter Schwarz-Blau?

Lucia: Grundsätzlich bleibt sie gleich: Es geht darum Menschen wieder in den Kapitalismus einzugliedern und die zu „verwahren“, bei denen das nicht geht. Mit Schwarz-Blau werden Sozialarbeiter_innen dazu gezwungen, weitere Repressionen und Kürzungen mitzutragen. Wenn Nicht-StaatsbürgerInnen keinen Anspruch auf einen Schlafplatz haben, dann musst du als Sozialarbeiterin diese Menschen dann auch tatsächlich wegschicken.

Was könnt ihr als Organisation von kritischen SozialarbeiterInnen in dieser Situation tun?

Lucia: Für uns als KNAST steht momentan die Vernetzung im Vordergrund. Es gibt derzeit ein großes Bedürfnis, sich auszutauschen und gemeinsam mit anderen Strategien zu entwickeln. Seit den Kollektivvertragsverhandlungen und dem Streik im Jänner gibt es im Sozialbereich eine große Bereitschaft gemeinsam was zu tun.

Mara: Deshalb gibt es zum Beispiel am 8. September unter dem Motto „Raum für alle“ eine Aktion gemeinsam mit anderen kritischen Sozialhackler_innen, die sich gegen die Vertreibungspolitik richtet. Außerdem findet im Herbst der Sozialhackler*innen-Kongress statt, den wir geplant haben, um diese Organisierungs- und Vernetzungsprozesse voranzutreiben.

Was soll auf diesem Kongress konkret passieren?

Mara: Der Kongress ist ein Angebot an Menschen in der Sozialarbeit und im Sozialbereich die nicht länger bereit sind, zuzusehen und sich dem Gefühl der Ohnmacht hinzugegeben. Im Rahmen des Kongress wollen verschiedene Themen, die sich durch die zunehmend repressive Sozialpolitik ergeben, praxisnah aufarbeiten. Wir tragen damit einer Notwendigkeit Rechnung: Wir wollen und müssen als Sozialarbeiter_innen gemeinsam Position beziehen.

Lucia: Es geht nicht nur, um Analyse, sondern auch darum gemeinsam aktiv zu werden und konkrete Strategien zu entwickeln. Wir sehen, dass immer mehr Leute nicht mehr bereit sind, zuzusehen. Sie beginnen sich bei KNAST und in anderen Initiativen zu engagieren. Die Stimmung unter vielen KollegInnen ist: Es reicht!

Ihr sprecht von der Notwendigkeit euch zu positionieren. Was sind für euch zentrale Positionen?

Mara: Im Zentrum steht: Wir wollen uns nicht an der ausgrenzenden Politik beteiligen. Wir sind solidarisch mit den Nutzer_innnen von sozialer Arbeit und vertreten eine anti-rassistische Haltung. Das sind ganz klare Standpunkte, hinter die wir nicht zurückfallen werden.

Lucia: Es geht vor allem um Parteilichkeit auf Seiten der Nutzer_innen. Wir stehen auf der Seite der Menschen mit denen wir arbeiten und sind nicht die Erfüllungsgehilf_innen von Schwarz-Blau.

Gibt es einen Punkt, an dem ihr sagen würdet: „Es reicht, unter diesen Bedingungen können wir keine Sozialarbeit mehr machen“?

Lucia: Wir stellen uns natürlich die Frage, ob dieser Punkt nicht schon überschritten ist. Es hängt auch von den konkreten Bereichen ab. In manchen würde ich heute sicher nicht mehr arbeiten. Gerade im unmittelbar staatlichen Bereich, wie z.B. im Magistrat, wo man den Druck direkt an die Mindestsicherungsbezieher_innen weitergeben muss. Letztlich stellt sich diese Frage jeden Tag von neuem und wir müssen sie immer konkret beantworten. Dabei geht es auch darum, nicht einfach Dienst nach Vorschrift zu machen, sondern Nischen zu finden, in denen man den Menschen praktisch helfen kann.

Mara: Man muss immer individuell widerständige Praxen finden, um seine Arbeit machen zu können.

Lucia: Ich denke, wenn es KNAST nicht mehr geben würde, dann könnte ich nicht mehr als Sozialarbeiterin arbeiten.

Abgesehen vom Widerstand gegen die kommenden Kürzungen, welche Forderungen für eine andere Sozialarbeit stellt ihr in den Mittelpunkt?

Lucia: Solche Forderungen müssen über die unmittelbare Sozialarbeit hinausgehen. Aus meinem Bereich kann ich sagen, es geht zum Beispiel um mehr Wohnraum. Aber letztlich geht es natürlich um die Gesellschaftsform, in der wir leben möchten. Wir als KNAST sind daher antikapitalistisch.

Mara: Da kann ich mich nur anschließen, wir brauchen mehr leistbaren und guten Wohnraum in Städten wie Wien, der nicht ausschließt. Das ist aber nicht in erster Linie eine Frage der Sozialen Arbeit.

Interview: Martin Konecny

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