Unwetter im Süden: Slowenien im rechtsextremen Tornado

Unter dem Vorwand von Corona-Maßnahmen räumt die Regierung von Slowenien linke Hausprojekte, erlässt hohe Geldstrafen für politische Zusammenkünfte und beschneidet demokratische Rechte. Was passiert, wenn die Bevölkerung dagegen auf die Straße geht und warum Widerstand bitter nötig ist, darüber schreiben Ana Podvršič und Jaša Veselinović.

Lange Zeit war Slowenien der sozialdemokratische Ausreißer der südosteuropäischen Region. Ein Jahr nach Beginn der Pandemie erinnert das Land nur noch ansatzweise daran. Corona ist hier gemeinsam mit großen politischen Veränderungen aufgetreten, die die rechtsextreme Slowenische Demokratische Partei (Slovenska demokratska stranka – SDS) und ihren Anführer Janez Janša an die Macht brachten. Janša, glühender Unterstützer von Trump und Orban, setzte mit seiner Koalition von Beginn an alles daran, den slowenischen Staat, die Wirtschaft und die Zivilgesellschaft radikal umzustrukturieren, um seinen Handlungsspielraum zu vergrößern. 

Repression auf der Straße

Ein Beispiel dafür sind die sogenannten „Anti-Corona-Pakete” (ACP). Sie waren ursprünglich als Maßnahmen zur Minderung ökonomischer und sozialer Krisen gedacht. Tatsächlich wurden sie zum Zugpferd rechter Angriffe auf soziale Standards und demokratische Entscheidungsprozesse. Unter anderem wurden Umweltschutzorganisationen aus Baugenehmigungsprozessen ausgeschlossen. Des Weiteren verpflichtet das slowenische ACP Arbeitslose gesetzlich dazu, das erste Job-Angebot anzunehmen, unabhängig ihrer Qualifikation.

Im Laufe des Corona-Jahres gab es viele Kontroversen in Slowenien. Die Regierung antwortete darauf mit der Wiedereinführung eines repressiven Staatsapparats. Bereits während des ersten Lockdowns überprüfte die Polizei routinemäßig Identitäten von Demonstrierenden und verteilte danach absurd hohe Strafen. Auch physische Gewalt wurde zum Teil der Repression. Denn die Polizei begann, bei jeder Gelegenheit Pfefferspray einzusetzen. 

Räumung von Hausprojekten

An einem kalten Januarmorgen stürmte außerdem ein Mob, bestehend aus Bereitschaftspolizei und einer privaten Sicherheitsfirma die Neonazis beschäftigt, das bekannte linke Sozialzentrum Rog. Der Bürgermeister von Ljubljana, Zoran Jankovič, hatte den Befehl gegeben, das Gelände räumen zu lassen. Ohne Vorankündigung oder juristische Begründung wurde Rog dem Erdboden gleichgemacht. Im Sozialzentrum hatten viele unabhängige politische, soziale und kulturelle Events stattgefunden. Rog war lange Zeit ein Hindernis für den Plan des Bürgermeisters gewesen, ein profitorientiertes Zentrum für zeitgenössische Kunst auf dem Gelände zu eröffnen. 

Schon bald nachdem Rog zerstört wurde, kam es zu einer symbolischen Disziplinierungsmaßnahme in Metelkova. Metelkova ist Ljubljanas größtes besetzen Haus, wie sogar der Reiseführer Lonely Planet schreibt. Ohne Erklärung marschierte die Polizei am nationalen „Tag der Kultur” in voller Montur durch den Komplex und hämmerte an die Türen von Bars und Kulturräumen, die seit Monaten zugesperrt sind. Nach einem Jahr Pandemie wird der Anblick von „Robocops” in Ljubljana, einer ehemals grünen, familienfreundlichen Tourismusstadt, zu einem ebenso normalen Anblick, wie Menschen mit Corona-Masken.

Widerstand von Sloweniens Bevölkerung

Die Restriktionen blieben aber nicht unbeantwortet. Schon Ende April lösten die Einschränkungen wöchentliche Demonstrationen der Bevölkerung aus, die sich bald zu Massenprotesten auf Fahrrädern entwickelten. Nicht einmal der Sommer und die damit einhergehenden Abschwächungen der Verbote konnten die Proteste stoppen. Umweltaktivist*innen, Arbeiter*innen aus dem Kulturbereich und Aktivist*innen aus Rog und Metelkova forderten das Einhalten von Umweltschutzmaßnahmen, unabhängige Medien, die Rückkehr der Rechtsstaatlichkeit und den Rücktritt der Regierung.

Je größer die „Rad-Proteste” wurden, desto mehr traten ihnen Anhänger*innen der Regierung und Neonazis entgegen. Es gab auch Demonstrationen von sogenannten Corona-Skeptiker*innen, hauptsächlich Verschwörungstheoretiker*innen, ähnlich den deutschen Querdenker-Demonstrationen. Abgesehen von einer einmaligen Ansammlung von 500 Menschen im November schafften sie es aber nicht, größere Unterstützung zu erhalten. So verschwanden sie schnell wieder von der Bildfläche. 

Erster Erfolg der Opposition

Anfang Februar erreichte die Empörung der Bevölkerung bei den sogenannten „Eltern-Demos” neue Dimensionen. Nach beinahe vier Monaten distance-learning entschied die Regierung, die Schulen kurz zu öffnen und sofort wieder zu sperren. Eine Fehlentscheidung, die das Fass zum Überlaufen brachte. Im ganzen Land gingen Eltern auf die Straße, Lehrer*innen und Schüler*innen schlossen sich ihnen an. Die Regierung konnte nicht mehr anders, als die Volksschulen zu öffnen. Ein erster Erfolg für die Proteste. 

Abgesehen davon kam der SDS die Pandemie jedoch gelegen. Sie nutzte sie, um die steigende institutionalisierte Repression zu verbergen. Die Befugnisse der Polizei wurden erweitert. Strafen für Organisatoren von öffentlichen Zusammenkünften wurden in astronomischem Ausmaß erhöht und betragen jetzt von 1200 bis zu 12 000 Euro. Zusammenkünfte im Freien von bis zu zehn Menschen sind nur noch erlaubt, wenn die Teilnehmenden nicht den Anspruch haben „eine politische Meinung auszudrücken”. Andernfalls setzt es Geldstrafen.

Die slowenische Koalition, allen voran die SDS, haben ohne Zweifel großes Interesse daran, es ihren autoritären Vorbildern gleichzutun und sich die Macht in Slowenien anzueignen. Gleichzeitig ermöglicht ihre Politik anderen autoritären Strukturen, linke Sozialpolitik zu demobilisieren. Im Kampf gegen alternative Politik und Kultur arbeiten Janšas Regierung, die Polizei und lokale Behörden zusammen, um den anti-demokratischen und anti-sozialen Tornado zu beschleunigen. Angesichts der zahnlosen Opposition der neoliberalen Mitte-Parteien und der slowenischen Linkspartei Levica, erfährt dieser Tornado aktuell wenig parlamentarischen Gegenwind. Die SDS kann den durch Corona bedingten Ausnahmezustand somit weiterhin dafür nutzen, den autoritären Staatsumbau voranzutreiben. 

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