„Sicherheitsgipfel“ in Salzburg: Sicherheit geht anders

Von 19. bis 20. September trafen sich in Salzburg Staats- und Regierungschefs, um über „Sicherheit und Migration“ zu reden. Dabei wird Sicherheitspolitik mit Hochrüstung und Grenzen gleichgesetzt. Doch es sind ganz andere Dinge, die unsere Leben wirklich sicher machen würden, meint das Aktionskomitee “Wir lassen uns nicht verkURzen”.

Gesundheits- und Sozialversicherungen, öffentliche Bildung, Gewaltschutz: Wenn Bundeskanzler Sebastian Kurz heute und morgen in Salzburg seine Gäste empfängt, wird er davon nicht reden. Er wird wieder Migration als Sicherheitsrisiko definieren und die Schließung von Grenzen und Fluchtrouten als Lösung präsentieren. Den Ausbau des Militärs hat die EU ohnehin schon auf Schiene gebracht: Der Zusammenschluss PESCO  schreibt den Mitgliedsstaaten vor, dass sie ihre Militärbudgets kontinuierlich erhöhen müssen.

Während Kanzler Kurz über „Sicherheit“ in Europa redet, untergräbt er die soziale Sicherheit in Österreich. In knapper Abfolge beschließt die Regierung Maßnahmen gegen Menschen und die Kürzung sozialer Leistungen („12-Stundentag“, Kürzung der Mindestsicherung, Umbau des Sozialversicherungssystems). Feministischen Organisationen werden die Mittel gekürzt oder gestrichen, Gelder für Integration und Bildung fehlen.

Internationale Sicherheit

Der Abbau sozialer Sicherheit hat aber auch eine internationale Dimension. Nicht alle Menschen können gleichermaßen frei von Gewalt, und in Würde und Sicherheit leben. Zugleich aber werden jene, die Sicherheit und ein besseres (Über-)Leben suchen, an Europas Grenzen abgewiesen. Wenn sie die Fahrt über das Mittelmeer überstehen, drängt die Politik der EU sie in Länder wie Libyen, wo sie keine Existenzgrundlage haben und Folter, sexueller Gewalt und Zwangsarbeit ausgesetzt sind.

Die EU-Abschottung und Verlagerung der Grenzen immer weiter weg – nach Afrika und Asien –funktioniert nicht ohne Gewalt und Repression. Mit der Kooperation und hohen finanziellen Zuwendungen an Diktaturen und zerfallene Staaten macht sich Europa mitschuldig an den vielfachen Menschenrechtsverletzungen.

Frauen auf der Flucht

Solange die Täter als „die Anderen“ gebrandmarkt werden können, inszenieren sich österreichische Regierungspolitiker gerne als Beschützer der Frauen. Aber sie schweigen, wenn es um Gewalt gegen Frauen auf der Flucht geht. Wo ist die Hilfe für Frauen vom Horn von Afrika oder aus Nigeria, die schlimmste Formen von Gewalt erlebt haben, um ihnen ein Leben in Sicherheit zu ermöglichen?

Frauen auf der Flucht sind verletzlich. Frauen sind oft in ihren Heimatländern vielfältigen Diskriminierungen ausgesetzt. Sie tragen meist die Hauptverantwortung für Kinder und hilfsbedürftige Menschen und haben geringen Zugang zu Informationen und Mobilität. Diese Verletzlichkeiten bleiben auf der Suche nach einem überlebenssichernden Einkommen durch Migration und auf der Flucht bestehen.

Fokus verschieben – Ursachen bekämpfen

Im Moment stecken Europas Regierungen viel Zeit und Ressourcen in das Dichtmachen von Grenzen und „Routen“, stützen dabei repressive Regime. Diese Zeit und Ressourcen sollten stattdessen in die Analyse von globalen Zusammenhängen zwischen Wirtschaftssystem, Handelsregime, Armut, Gewalt, Klimawandel und Flucht und Migration gesteckt werden.

Es gehört thematisiert, wie die schweren Frauen- und Menschenrechtsverletzungen auf Flucht- und Migrationswegen verhindert werden können, wie Rechtsstaatlichkeit gefördert wird, und vor allem, wie und wo von Gewalt Betroffene Sicherheit finden können. Doch das wird beim Salzburger „Sicherheitsgipfel“ kein Thema sein.

Was Migrationspolitik leisten muss

Alle Menschen brauchen Sicherheit und Schutz vor Gewalt. Flüchtlinge und MigrantInnen sind nicht unsere Feinde, sondern unsere MitbürgerInnen heute und morgen. Migrationspolitik, nur als Abschottung verstanden, ist in einer globalisierten Welt zum Scheitern verurteilt.

Aufgrund der extrem ungleich verteilten Lebens- und Einkommenschancen in dieser Welt werden Menschen auf absehbare Zeit weiter migrieren. Zudem braucht Europa aus demographischen Gründen ZuwandererInnen. Migrationspolitik hat die Aufgabe, Einwanderung möglichst für alle Seiten gut und inklusiv zu gestalten. Das ist allerdings genau nicht die Zielsetzung der Regierung, die Kapital aus dem Thema „Migration“ schlagen will und dabei in Kauf nimmt, dass sie soziale Probleme schafft und nicht löst.

Am 13. September protestierten Frauen mit der Aktion „Wir lassen uns nicht verKURZen“ am Wiener Yppenplatz gegen die Zielsetzung des EU-Gipfels zu „Sicherheit und Migration“ in Salzburg. Organisiert haben sie die Gruppen WIDE, Femme Fiscale, Zwanzigtausend Frauen und FeministATTAC.

Autor

  • Elisabeth Klatzer

    Elisabeth Klatzer ist Wirtschaftswissenschafterin, Vorstandsmitglied von Attac Österreich und feministisch aktiv, u.a. bei Femme Fiscale. Sie ist als „freie” Aktivistin-Forscherin, Beraterin und Lektorin mit den Arbeitsschwerpunkten europäische Wirtschaftspolitik und Gender Budgeting tätig.

 
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