McStrike statt McChicken: Fast Food Shutdown in Großbritannien

Fast Food Shutdown. Unter diesem Motto legen heute, dem 4. Oktober, in unzähligen britischen Städte Arbeiter_innen in Fast-Food-Restaurants ihre Arbeit nieder. Bisher war die Branche kaum organisiert, mit dem ersten koordinierten Streik auf nationaler Ebene könnte sich das ändern.

Es gibt kein Herumgerede, seine Worte sind klar und präzise: „Heute sind wir es, aber morgen kann es schon dich treffen. Außer wir wehren uns jetzt schon“, sagt Chris. Er ist Organizer in einem Netzwerk, dem IWW Couriers Network. Das Netzwerk ruft heute, am 4.Oktober, zu einem Streik auf. Der “Fast Food Shutdown” soll die Fast-Food-Branche in Großbritannien in Unruhe versetzen. Das Netzwerk meint es ernst mit dem Streik, das merkt man auch an der Medienarbeit. Innerhalb zweier Stunden antwortet die Gruppe auf die Interviewanfragen, die Antworten kommen schon druckreif.

Solidarischer Shutdown

Involviert sind die Belegschaften verschiedener Betrieben. Zum Einen sind es die Arbeiter_innen der Restaurantketten McDonalds, Thank God It’s Friday und Wetherspoons, die für den 4. Oktober zu einem Streik ausrufen. Sie fordern £10 Mindestlohn, das Ende prekärer Arbeitsverträge und das Recht auf Gewerkschaften. „McStrike“ und „Spoons Strike“ sind dabei die zentralen Kampagnen. Vereint unter dem Hashtag #SpoonStrike auf Twitter, sieht man einzelne Menschen und Gruppen, die zwei Löffeln vor ihrem Körper zu einem Kreuz zusammenführen. Auch Schattenminister_innen der Labour Party, wie Chris Williamson oder Rachael Maskell, demonstrieren mit den zwei Löffeln ihre Solidarität.

Zum anderen gibt es die Lieferant_innen bei Plattformen wie Deliveroo und Uber Eats. In der Vergangenheit kam es bei diesen Unternehmen zu Protesten, wie kürzlich in London. „In den letzten Monaten wurden unsere Mitglieder immer frustrierter was die Arbeitsbedingungen angeht“, sagt Chris. „Unsere Mitglieder sprachen sich dafür aus, unsere Kolleg_innen zu unterstützen. Sie machen das Essen, wir liefern das Essen aus. Am Ende unsres Arbeitstages wurden wir beide ausgebeutet“. Aus Solidarität plant das Couriers Network jetzt am 4. Oktober die App ausgeschaltet zu lassen und kein Essen auszuliefern. Obwohl der Großteil der involvierten Fahrer_innen bei einer der beiden Plattformen arbeitet, ist der Aufruf dezidiert nicht auf diese beschränkt: „Unser Aufruf richtet sich an alle Kuriere, die Essen transportieren, beispielsweise ‘Just Eat’-Kuriere oder die Fahrer_innen von Dominos“, sagt Chris.

Die Hauptforderung der Bot_innen ist ein Mindestentgelt von £5 pro Lieferung. Bisher bekommen die Fahrer_innen zwischen £2.80 und £3.50. Es geht also nicht um einen fixen Stundenlohn, sondern ein Mindestsatz pro Lieferung. Chris sagt: „Mit einem Stundenlohn hätte Deliveroo und Uber Eats eine Flatrate, für die sich die Fahrer_innen abstrampeln müssten“.

Netzwerk an Essenszusteller_innen

Das Couriers Network der internationalen Basisgewerkschaft Industrial Workers of the World (IWW) gründete sich im Jänner 2018. Das Netzwerk reicht von Brighton bis Glasgow, hunderte Fahrer_innen sind in den zahlreichen britischen Städten organisiert. Kollektive Aktionen basieren auf direkt-demokratischen Entscheidungen der Mitglieder. Es sind keine hauptberuflichen Funktionär_innen die über die Vorgangsweise bestimmen, sondern die involvierten Fahrer_innen. Daraus ergibt sich eine Schnelligkeit und Spontanität, die vielen anderen Gewerkschaften fehlt.

Uber Eats liefert einen Großteil der Essensbestellungen von McDonalds aus. Daher war es für das Couriers Netzwerk naheliegend, sich mit den Anliegen protestierender Arbeiter_innen zu solidarisieren. Schon im April schreiben sie deshalb in einer Aussendung: „Uns geht es auch darum, dass die Arbeiter_innen bei McDonalds unsere Kolleg_innen sind. Ihr Kampf ist auch unser Kampf“.

Gewerkschaftlicher Schulterschluss

Der Fast Food Shutdown ist die erste national koordinierte Streikaktion im Fast Food Sektor in Großbritannien, bisher kam es in der Branche kaum zu Arbeitskämpfen. Prekäre Lebens- und Arbeitsverhältnisse, ein geringer Organisationsgrad und die geringe Verhandlungsmacht erweckten den Eindruck, dass die Sparte unorganisierbar sei. Auch über die Plattformarbeiter_innen hat man das lange gesagt.. „Die Stärke von Arbeitskämpfen in dieser Sparte liegt darin, am Image der Firmen zu kratzen“, sagt der Arbeitssoziologe Alex Wood. Er forscht zu kollektiven Organisationsformen im Plattformkapitalismus. „Es ist ein symbolischer Kampf, zu zeigen, dass diese Firmen keine neutralen Technologieunternehmen sind, sondern ebenso ausbeuterische Geschäftspraktiken an den Tag legen“.

Die involvierten Gewerkschaften fußen auf unterschiedlichen Organisationsprinzipien. Auf der einen Seite sind basisgewerkschaftliche Organisationen, wie die schon beschriebene IWW und Independent Workers of Great Britain (IWGB) eingebunden. Zum anderen finden sich aber auch „klassische“ Gewerkschaften wie die Bakers Food and Allied Workers Union (BFAWU), GMB und Unite. Diese sind wesentlich hierarchischer strukturiert, samt bezahlten Funktionär_innen und einer Stellvertreter_innenpolitik. Für den Shutdown Day arbeiten sie alle zusammen. Dabei könnten vor allem die etablierten Gewerkschaften dazu lernen. Die Fluktuation ist sowohl im Fast-Food-Sektor als auch unter den Bot_innen hoch. Vorhandene Strukturen, wie Betriebsrät_innen oder auch nr Versammlungsräume, gibt es kaum. „Gewerkschaften müssen deshalb ein Augenmerk auf Selbstorganisierung, aber auch die Nutzung sozialer Medien legen. Gerade um die vereinzelten Arbeiter_innen wieder zusammenzubringen“, sagt Wood.

Spread the word

Plattformen entwickeln Geschäftsmodelle, die in Zukunft auch auf den „klassischen“ Arbeitsmarkt angewendet werden können. „Wenn wir es Uber und Deliveroo durchgehen lassen, wie sie ihre Arbeiter_innen behandeln, dann wird das die Zukunft der Arbeit sein“, sagt Chris.

Bristol, Leeds, Manchester; die Liste an Städten in Großbritannien an denen am 4. Oktober gestreikt und demonstriert wird, ist lang. Chris sagt: „Am wichtigsten ist es, unsere Aktion möglichst vielen Leuten näher zubringen. Teilt es auf Social Media, erzählt davon euren Freund_innen, Familienmitgliedern und Kolleg_innen“. Der Twitter Hashtag ist #FFS410

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