Neue Sexualerziehung sorgt für Angst und Schrecken

Der vom Bildungsministerium erarbeitete Entwurf zum neuen Grundsatzerlass Sexualerziehung versetzt konservative Kräfte derzeit in Panik. Außen vor bleiben in der Debatte allgemeine Informationen, die Vorteile des Entwurfs und die Sicht der Schüler_innen.

Der aktuell geltende Grundsatzerlass zu Sexualerziehung stammt aus dem Jahr 1990 und entspricht somit nicht annähernd einem modernen Weltbild. So wird darin beispielsweise festgehalten, dass Sexualerziehung in Zusammenarbeit mit Eltern und Religionslehrer_innen stattzufinden habe. Dass Schule ihrem gesamtgesellschaftlichen Bildungsauftrag gerecht werden muss – und diese Verantwortung nicht Erziehungsberechtigten und religiösen Institutionen überlassen darf – sollte im Jahr 2015 eigentlich schon breiter Konsens sein. Doch der aktuelle Angriff auf den neuen Entwurf wird gerade von jenen Verfechter_innen konservativer Weltanschauungen geführt, die sich dieser Meinung entgegenstellen. Dieser enthält Forderungen nach einem selbstbestimmten Umgang mit dem eigenen Körper und vielfältigen Unterricht, in dem über Geschlecht und Sexualität reflektiert werden soll. Auch das Respektieren von Grenzen soll Gegenstand des Unterrichts sein.

Das Problem mit den Grenzen

Besonders Letzteres scheint ein essentieller Punkt zu sein, den Menschen wie Gundula Walterskirchen in ihrer Schulzeit vermisst haben müssen. So schreibt die freie Journalistin, übrigens Tochter der ehemaligen Präsidentin des Katholischen Familienverbands, nun bereits zum zweiten Mal einen Kommentar in der Presse über die Gefahren des neuen Erlasses. Darin stellt sie, wie bereits in ihrem ersten Artikel, die Reformierung von Sexualerziehung mit sexualisierter Gewalt gleich und tut somit allen Betroffenen von Grenzüberschreitungen Unrecht. Unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit wird Die Presse damit zum Sprachrohr für konservatives bis rechtes Gedankengut. Denn eine differenzierte und sachliche Berichterstattung, die über den Grundsatzerlass informiert, sucht man vergeblich. Zu Wort kommen in der Tageszeitung nur ÖVP-Politiker_innen und die Kirche.

Wieso eigentlich auf einmal?

Angestoßen wurde das Bildungs- und Frauenministerium zur Überarbeitung des Erlasses vermutlich vor allem von der Bundesjugendvertretung, die von September bis Dezember 2014 mit ihrer Kampagne “RDN WR KLRSEX” unter anderem die Missstände des Aufklärungsunterrichts an Schulen thematisiert hat. Das  Positionspapier zu Sexualität wurde bereits im Jahr davor ausgearbeitet. Die Bundesjugendvertretung hat 52 Mitglieder: dazu zählen neben politischen Organisationen (wie die Aktion kritischer Schüler_innen und die Sozialistische Jugend) auch zivilgesellschaftliche Vereinigungen (etwa auch die Katholische Jugend und die Jungschar). Würden Walterskirchen und Co sich also, wie behauptet, für Kinder und Jugendliche interessieren, so hätten sie ihre Sorge bereits kundgetan, als deren gesetzliche Interessensvertretung sich zu Sexualpädagogik neu positioniert hat.

Euch hat niemand gefragt

Es scheint, als könnten bildungspolitische Debatten wieder einmal nur von Eltern, selbsternannten Expert_innen und der Kirche geführt werden. Wer wie immer außer Acht gelassen wird, sind jene, die es am meisten betrifft: die Schüler_innen selbst. Denn ganz offensichtlich ist diese Perspektive nur bei einem einzigen Thema interessant. Aber die Zentralmatura ist ja „leider“ schon vorbei.

Katharina Gärtner ist Bundesfrauensprecherin und stellvertretende Bundesvorsitzende der Aktion kritischer Schüler_innen und studiert Deutsch und Psychologie & Philosophie auf Lehramt.

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