Die Gewalt der Polizei gegen die Pariser Schwarzwesten

Die Bewegung der Gilets Noirs, die Schwarzwesten, besetzte am Freitag vor den französischen Nationalfeierlichkeiten zum 14. Juli das Pariser Panthéon. In der Ruhmeshalle der Republik fordern sie Aufenthaltsrechte und Unterkünfte für alle. Nach der Aktion schreitet die Polizei brutal ein und nimmt zahlreiche Aktivist_innen fest.

Das Vorgehen der Polizei ist perfide. Sie kesselt eine Demonstration von Papierlosen ein, um die Papiere der Teilnehmer_innen zu kontrollieren. Plötzlich bricht ein Stoßtrupp von Bereitschaftspolizisten brutal in den Kessel ein und nimmt zahlreiche Aktivist_innen fest. Die erste große öffentliche Aktion der Bewegung der Gilets Noirs am 12. Juli endet mit 40 Verletzten und 37 Festnahmen, von denen 19 in Abschiebehaft kamen. Nur der massiven Mobilisierung der Bewegung infolge der Aktion am Panthéon ist es zu verdanken, dass alle Inhaftierten die Abschiebehaft wieder verlassen konnten.

Doch derartige Bilder ausufernder Polizeibrutalität gegenüber Demonstrationen, die lediglich gesellschaftliche Teilhabe einfordern, sind in Frankreich schon längst nichts Ungewöhnliches mehr. Die Bewegung der Gilets Jaunes, die Gelbwesten, die die Besetzer_innen des Panthéon in ihrer Namensgebung inspirierte, muss sich bereits seit Monaten gegen Tränengas und Gummigeschosse durchsetzen. Sie fordern keine rechtliche, sondern materielle Teilhabe an der Gesellschaft. Beiden Forderungen scheint der französische Staat gegenwärtig nur mit Gewalt begegnen zu können.

Papiere, Unterkünfte und Freiheit für alle

Die symbolische Erstürmung des Panthéons, der nationalen Ruhmeshalle Frankreichs und Grabstätte bedeutender Persönlichkeiten, war nicht die erste Aktion der Gilets Noirs. Schon seit November 2018, zeitgleich zum Aufkommen der Proteste der Gilets Jaunes, mobilisiert die Gruppe im Pariser Raum und versucht mit Aktionen auf die sich zuspitzende Situation der Papierlosen aufmerksam zu machen. In den Tagen vor der Aktion am Pantheon blockierten sie den Air France Terminal des Flughafen Charles de Gaulles, um gegen Abschiebungen zu demonstrieren. Am folgenden Tag besetzten knapp 300 Gilets Noirs die Restaurantkette Elior in La Defence, um auf deren Ausbeutung papierloser Arbeitskraft aufmerksam zu machen.

„Wir waren dort, um den Chefs, die uns erniedrigen und das Rückgrat brechen, zu sagen: Die Angst hat das Lager gewechselt!“, schreiben sie in ihrem Communiqué, das die Schwarzwesten während der Besetzung des Panthéon verteilten. Im Besein der toten Helden der Republik formulierten sie ihre Forderungen an die lebendigen Verwalter der sozialen Krise: „Wir haben keine Papiere, keine Stimme, kein Gesicht für die französische Republik. Wir kommen zusammen auf dem Grab eurer großen Männer um eure Schändungen anzuprangern, die der Erinnerung unserer Kameraden, unserer Väter und Mütter, unserer Brüder und Schwestern im Mittelmeer, in den Straßen von Paris, in den Lagern und Gefängnissen.“

Neben der Forderung nach einem Treffen mit dem französischen Ministerpräsidenten Édouard Philippe war insbesondere der Ruf nach (Not-)Unterkünften zentral. Obwohl in Paris rund 200.000 Wohnungen leer stehen, müssen die Papierlosen zumeist unter den Auffahrten der Stadtautobahn oder den Brücken der Metro schlafen. Die Polizei räumt diese immer größer werdenden Zeltstädte regelmäßig, und mit Brutalität. Kommunale Alternativen zu ihren staatlich zerstörten Zeltstädten werden den Obdachlosen zumeist nicht angeboten.

Police Partout – Justice nulle part

Die schnell herbeigerufenen Polizei garantierte den rund 700 Besetzerinnen zunächst freies Geleit. Doch vor dem Pantheón kam es dann doch zu den Bildern, die man in Frankreich mittlerweile gewohnt ist, sobald sich der Staat mit sozialen Forderungen konfrontiert sieht. Das Bild eines grinsenden Polizisten vor dessen Füßen ein offensichtlich verletzter Aktivist bewusstlos am Boden liegt ging danach durch die Medien. Es verkörpert das gegenwärtige Verhältnis des französischen Staates gegenüber seiner immer unzufriedener werdenden Bevölkerung. Seit der Ausrufung des Ausnahmezustand 2015 lässt sich eine sukzessive Brutalisierung polizeilichen Handelns feststellen, die mit einem technokratischen Regierungsstil einhergeht. Die Studierendenbewegung von 2016, die gegen ein geplantes Arbeitsgesetz mobilisierte, musste sich erst monatelang gegen das Tränengas der Bereitschaftspolizei durchsetzen, um die verhasste Reform am Ende per Notstandsdekret durch die Nationalversammlung gehen zu sehen.

Einem ähnlichen Muster folgen die Proteste der Gelbwesten. Der anfänglichen Forderung nach der Abschaffung einer Benzinsteuer begegnete die Exekutive mit Repression und die Politik mit Verachtung. Erst wochenlange Unruhen in den Pariser Reichenvierteln konnten die Regierung Macron zum Einlenken bewegen und ihr spärliche Kompromisse abringen. Seitdem hat die Repression jedoch nicht nachgelassen. Es kommt immer wieder zu schweren Verstümmelungen durch die Gummigeschosse der Polizei. Doch es trifft mittlerweile nicht mehr nur soziale Bewegunugen: Erst vor wenigen Wochen griff die Polizei die politisch völlig unverdächtige Fête de la Musique in Nantes an und trieb die Feiernden in einen Fluss. Einer von ihnen gilt immer noch als vermisst. „Die Präfektur, das sind die Lügner, sie machen nie, was sie sagen, wir dagegen halten unser Wort“, so fasst ein Sprecher der Gilets Noirs dieses prekäre Verhältnis zusammen, nachdem die Polizei ihre friedliche Demonstration angriff.

Gilets Jaunes et Noirs?

Trotz ihrer namentlichen Verwandtschaft gab es noch kaum gemeinsame Aktionen oder programmatische Übereinkünfte zwischen Gilets Jaunes und Gilets Noirs. Die Einen protestieren, um ihren Platz in der französischen Gesellschaft nicht zu verlieren, während den Anderen der juristische Zutritt in diese verwehrt bleibt. Diese unterschiedlichen Perspektiven scheinen häufig noch trennend zu wirken. Insbesondere aufseiten der Gelbwesten trifft bisweilen ein latenter Rassismus auf Abstiegsängste. Die Gilets Noirs hingegen suchen den gemeinsamen Kampf. Der Aktivist Kanouté stellt in einem Interview die Gemeinsamkeit der Kämpfe in den Vordergrund: „Wenn es irgendwo anders Menschen gibt, die kämpfen, in Paris oder in Marseille, dann werden wir diese unterstützen“. Eine andere Aktivistin, Mariana, berichtet zudem davon, dass bereits Verbindungen aufgebaut wurden zwischen einigen Versammlungen der Gelbwesten und den Gilets Noirs. Blickt man auf das Vorgehen des französischen Staates gegenüber sozialen Forderungen, so ist es gar nicht unwahrscheinlich, dass seine Gummigeschosse diese Verbindungen festigen werden.

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