„Schutzwürdige Interessen Dritter“ – Blamage für die Republik

mosaik-Redakteurin und SPÖ-Nationalratsabgeordnete Daniela Holzinger berichtet aus dem Hypo-U-Ausschuss, ärgert sich über geschwärzte Akten und stellt sich Fragen über Fragen.

Es war ein langer und steiniger Weg bis zur Einsetzung des Hypo-Untersuchungsausschusses Anfang des Jahres. Dem längst überfälligen Schritt ging dabei unter anderem die bisher erfolgreichste parlamentarische BürgerInneninitiative mit mehr als 140.000 UnterstützerInnen und ein harter politischer Kampf voraus, den ich versucht habe mit allen Mitteln zu unterstützen. Dieser scheint jedoch mit der umfassenden Geschäftsordnungsreform noch nicht zu Ende zu sein. So werden trotz der neu eingeführten Geheimhaltungsstufen im U-Ausschuss, wie zuletzt von Fimbag und Finanzministerium, weiter geschwärzte Akten geliefert – um „schutzwürdige Interessen Dritter“ zu wahren, wie etwa Finanz-Sektionschef Harald Waiglein rechtfertigte. Sorgen würde man sich vor allem um das „Bankgeheimnis“, die „Privatsphäre Einzelner“ und den „Datenschutz“ machen.
Ihm zur Seite springt dabei auch Fimbag-Chef Klaus Liebscher, der sich auf rechtlich gesichertem Terrain sieht und weiter darauf besteht, uns Abgeordneten im U-Ausschuss bis zu 80 Prozent der Akten in unleserlichem Zustand zu übermitteln.

Konsens über Unzulässigkeit

Froh bin ich, dass sich bezüglich solcher Fragen nun zumindest die Frontstellung derart verschoben hat, dass keine im Parlament vertretene Partei dieser Farce etwas abgewinnen kann. Gestützt auf den Rechtsdienst des Parlaments stellt etwa Ausschussvorsitzende Doris Bures eindeutig fest, dass „Schwärzungen unzulässig“ sind und auch der Hinweis auf das Bankgeheimnis diesen Fakt nicht ändern könne. Soweit also die rechtliche Dimension, deren Klärung allem Anschein zur Folge auf den Verfassungsgerichtshof als obersten Streitschlichter zukommen und dessen Entscheidung richtungsweisend für die zukünftigen Möglichkeiten parlamentarischer Kontrolle sein wird.

Fragen über Fragen

Die moralische Komponente dieser Angelegenheit geht jedoch um einiges weiter. So könnte man die Frage stellen, ob der Schutz von Einzelinteressen (möglicherweise der VerursacherInnen oder ProfiteurInnen) tatsächlich über das Interesse von Millionen SteuerzahlerInnen gestellt werden kann, die ohne gefragt worden zu sein, zur Kasse gebeten werden?

Man könnte auch fragen, ob das Bankgeheimnis, wenn es offensichtlich als Hindernisgrund für die Aufklärung eines der größten Finanzdesaster – ich möchte sagen „Finanzverbrechen“ – der Zweiten Republik dient, nicht endlich abgeschafft werden sollte? (Das Argument mit Omas Sparbuch in Ehren, aber das ist Unsinn)

Aufdrängen würde sich auch die Frage, ob Waiglein als ehemaliger Pressesprecher der FinanzministerInnen Josef Pröll (ÖVP, er verstaatlichte die Hypo 2009) und Maria Fekter (ÖVP, sie konnte sich nicht zur überfälligen Einrichtung einer Bad Bank durchringen), Interesse daran hat, die Aufklärung zu behindern?

Und auch Herr Liebscher könnte seine Pro-Schwärzungs-Position möglicherweise nicht nur aus Liebe zur korrekten Aufgabenerfüllung bezogen haben. So gäbe seine Vergangenheit als OeNB-Gouverneur (bis 2008) und später Aufsichtsratschef der „notverstaatlichten“ Hypo, mutmaßlich genügend Stoff, die geschwärzten Aktenseiten zu füllen – aktuell leider nicht lesbar.

Auch würde sich ganz intensiv die Frage stellen, warum die Fimbag und BMF-BeamtInnen, die zumindest beim Schwärzen der Akten (eine sehr umfangreiche Arbeit!) diese zu lesen bekommen, vertrauenswürdiger in Hinblick auf sensible Inhalte sein sollten, als gewählte VolksvertreterInnen? Noch dazu, weil sich Letztere seit der U-Ausschussreform unterschiedlichen Geheimhaltungsstufen unterworfen sehen, die bei Verletzung sogar mit Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren geahndet werden können.

Man sollte also meinen, dass die neue Geschäftsordnung, deren Einführung von allen Fraktionen – mit Ausnahme des „Teams Skurril“ – mitgetragen wurde, ausreichend Schutz für die berechtigten und damit „schutzwürdigen Interessen Dritter“ bieten sollte. Alles darüber Hinausgehende ist ein peinliches Spiel auf Zeit und schädigt das Ansehen der Republik, vor allem aber auch des Parlaments. Ich gehe daher davon aus, dass der Verfassungsgerichtshof diesem Treiben ein Ende setzen und die lückenlose, ungeschwärzte Aufklärung des Hypo-Desasters ermöglichen wird.

Daniela Holzinger ist Politikwissenschafterin und seit 2013 SPÖ-Abgeordnete zum Nationalrat und stellvertretende Bezirksvorsitzende der SPÖ Vöcklabruck in Oberösterreich.

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