Schildhammer und der Albtraum Feminismus

Seit Jahren produzieren sich Antifeministen als Opfer und versuchen den öffentlichen Diskurs gegen feministische Ansätze in Stellung zu bringen. Neustes Werk dieser Reihe ist Georg Schildhammers „Kommentar der Anderen“. Der Text ist beispielhaft für die wieder stärker werdenden antifeministischen Bestrebungen. Solche Artikel wollen mutige Schritte gegen den „feministischen Mainstream“ sein, vielmehr sind sie aber Beiträge zur Erhaltung des Status Quo.

„Jetzt gebt endlich eine Ruhe“ müssen sich Feministinnen täglich von irgendwelchen Männern indirekt oder direkt sagen lassen. Frauen dürfen doch studieren und wählen, die rechtliche Gleichstellung sei längst erreicht, meint auch Georg Schildhammer. Und nicht genug damit, dass wir unsere eigene Unterdrückung bekämpfen, den Kommunismus wollen wir noch dazu. Nun leben wir gerade nicht in Zeiten, in denen kommunistische Bewegungen besonders schlagkräftig sind, aber um Angst zu schüren und feministische Bestrebungen zu diskreditieren dient das rote Gespenst Herrn Schildhammer allemal. Die Antifeministen richten uns aus, dass wir uns nicht gleich über jede Ungleichverteilung von Vermögen, Haus- und Fürsorgearbeit aufregen sollen. Denn schließlich sei nicht jede Ungleichheit auch ungerecht.

Antifeminismus und der Hass auf Frauen sind keine Randerscheinungen im Zeitungsfeuilleton, sondern tagtägliche Lebensrealität von Frauen. Schildhammer argumentiert, wir, die Enkeltöchter der 1968er, hätten ja eine freie Studienwahl gehabt und uns trotzdem für die schlecht bezahlten Geisteswissenschaften entschieden.

Sexistische Erklärungen

Studentinnen würden eben anders ticken als unsere männlichen Kollegen. Doch Vorstellungen darüber, was Mädchen und was Burschen können, sollen und wollen, werden nicht alleine durch ihre Eltern geprägt. Sie werden etwa von Medien, Werbung oder Bildungsinseinrichtungen geprägt. Das beeinflusst die Studienwahl, nicht weil Frauen eben lieber Geisteswissenschaftlerinnen werden, sondern da stets jenes Rollenbild mit Beton übergossen wird, indem „harte Arbeit“ der Ausdruck von Männlichkeit ist. Ironischerweise sind es gerade jene Männer, die stets glauben, etwas Neues entdeckt zu haben, die in Traditionen der letzten Jahrhunderte denken. Dem konservativen Denken liegt dabei ein ausschlaggebendes Muster zugrunde: Vorurteile werden als solche nicht benannt und reflektiert, sondern zu naturwissenschaftlichen Gegebenheiten umgelogen. Es sind nicht mehr die Erziehung oder die Gesellschaft, die uns zu dem macht, was wir sind, sondern irgendwelche Eigenschaften, die der Mensch nicht beeinflussen kann. Einmal ist es die Biologie, das andere mal unergründliche Wesenseigenschaften. Der heutige Rassismus nennt die Kultur, der Antifeminismus das biologische Geschlecht. In dieser Logik verfangen, können dann natürlich Antifeministen argumentieren, der Feminismus hat sich erübrigt. Sie können in der heutigen Welt nicht sagen, der Feminismus war unnötig, sie sagen, er hat sich erübrigt. Und dabei kommen sie sich besonders mutig vor.

Ignoranz und harte Arbeit

Völlig Ignoranz scheint der Autor für Herausforderungen und die Härte von Fürsorgearbeit zu haben. Wahrscheinlich zählt das sowieso nicht, weil Sorgearbeit machen viele Frauen wohl aus Nächstenliebe und nicht als Lohnarbeit. Ob einer Krankenpflegerin das Heben der Patient_innen leichter fällt, als einem Mann das Heben einer Kabeltrommel oder eines Zementsack, sei den physikalischen Interpretationen des Herrn Schildhammer überlassen. Welche Rolle das gesellschaftliche Klima und die Vorstellungen über „richtige“ und „falsche“ Orte von Frauen haben, zeigt eine Geschichte eines Bekannten. Er, selbst Maurer, fragte seine Kollegin, warum sich so wenig Frauen für den Maurer_innenjob finden würden. Ihre Antwort kam prompt: nicht die Arbeit hindert Frauen, sondern der, auf Baustellen gepflegte Umgang miteinander.

Zu Lohnunterschieden von Frauen schreibt Schildhammer: „Vielleicht sind die meisten Frauen auch einfach ehrlicher (und klüger) und fordern deshalb weniger, weil sie wissen, dass sie sich früher oder später für Kinder und gegen die Karriere entscheiden, für ein erfülltes Leben […]“ Ein erfülltes Leben können Frauen auch ohne Kinder haben, in einem Job, in dem sie gleich entlohnt und anerkannt werden, wie ihre Kollegen. Und bitte, Kinder sind kein Grund, weniger bezahlt zu bekommen oder weniger zu fordern. Viel mehr braucht es qualitativ ausgezeichnete Betreuungsplätze und gutbezahlte Pädagog_innen, statt strafender Blicke, beim (baldigen) Wiedereinstieg in den Job.

Benachteiligte Männer?

Antifeministen bedienen sich immer wieder zwei beliebter Beispiele der Benachteiligung von Männern: 1. dem früheren Pensionsantrittsalter von Frauen und 2. der Wehrpflicht.

1. In den 1990iger Jahren wurde eine stufenweise Anhebung des Pensionsalters für Frauen beschlossen, die bis 2033 abgeschlossen werden soll. Voraussetzung für dieses Zugeständnis war die Annahme, dass die tatsächliche Gleichstellung von Männern und Frauen in allen Bereichen der Gesellschaft bis dahin erreicht sein würde. Dieses Ziel scheint aber in weiter Ferne. Frauen verdienen etwa ein Drittel weniger als Männer, sind überproportional von Armut und häuslicher Gewalt betroffen, leisten den größten Anteil an Haus-, Fürsorge und Pflegearbeit – und zwar unbezahlt. Wer die angebliche Benachteiligung von Männern aufzeigen will, über die großen bestehenden Ungleichheiten aber schweigt, hat wohl keine Gleichberechtigung Aller im Sinn. Dass die Debatte zur Angleichung des Pensionsantrittsalters schon von Johanna Dohnal unter diesen Geschichtspunkten kritisiert wurde, zeigte Sonja Ablinger 2013 auf ihrem Blog als der Wirtschaftskammerpräsident Leitl die schnellere Anhebung forderte.

2. Im Zuge der Volksbefragung zum Berufsheer wurde von verschiedenester Seite die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht auch für Frauen gefordert. Auch hier wird, angesichts der großen Benachteiligung von Frauen in den genannten Bereich, der Ruf nach Gleichberechtigung zur Farce.

Der Hass auf Frauen ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Die eigentliche Frage ist nicht, was so einen Autor wie Schildhammer umtreibt, sondern warum es notwendig erscheint, so einen Text im Standard zu veröffentlichen. Und zwar kurz nachdem ein „Experte für Europarecht“ wenige Tage zuvor einem ganzen Uniinstitut vorwarf, sich selbst zu beschneiden, weil „feministische/(trans)gender/queere Sicht- und Verständnisweisen“ für die Nachbesetzung der Politischen Theorie-Professur relevant und gewünscht seien. Es scheint wieder in Mode gekommen zu sein, offen Kämpfe für Gleichberechtigung zu kritisieren. Leider hat die Frauenbewegung nicht mehr die gleiche Schlagkraft wie in den 1970er Jahren. Wir sind nicht mehr so gut organisiert, unsere Forderungen sind verwässert, aber längst nicht durchgesetzt worden. Es braucht einen schlagkräftigen linken Feminismus, der weiß, woher er kommt und wohin er will. Antifeminismus beschränkt sich nicht auf den Kampf gegen emanzipatorische Errungenschaften von Frauen, sondern geht stets brav Händchen halten mit anderen Unterdrückungsverhältnissen in der Gesellschaft. Deutlich wird dies etwa im dreifachen Hass auf Arbeiterinnen mit Migrationsgeschichte: männliche Eliten sprechen ihnen im Namen der Aufklärung die Emanzipation ab und gleichzeitig kämpfen sie mit allen Mitteln darum, die Gleichberechtigung von Migrantinnen im Arbeitsleben im Keim zu ersticken.

Georg Schildhammer stellt sich selbst als „Philosoph“ auf seinem Blog dar. Mit feministischen Theorien scheint er sich im Studium nicht auseinandergesetzt zu haben. Auch das alte Sprichwort „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.“ scheint er nicht zu kennen. Aber er muss sich nicht fürchten, Feminismus wird auch seine Welt besser machen. Und dann gibt es  für alle Eislutscher so, wie sie sie gerne haben wollen.

Hanna Lichtenberger ist Historikerin und Politikwissenschafterin, forscht zur EU-Handelspolitik im Kontext der Eurokrise und ist mosaik-Redakteurin. 

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