Wolfgang Porsche ist drauf und dran, einen Privattunnel zu seinem Grundstück am Kapuzinerberg zu bauen. Unter ÖVP-Bürgermeister Harald Preuner wurde der öffentliche Grund privatisiert. Um sich dem Vorhaben entgegenzustellen, riefen Aktivist*innen vor Ort die „Salzburger Porsche-Tunnel Festspiele“ aus. Tobi Rosswog berichtet für mosaik, welche Möglichkeiten sich durch solche kreativen Protestformen eröffnen.
Kreative Interventionen sind performative Protestformen, die mit radikaler Kritik und einer Prise Utopie agieren. Sie sind in einer Zeit schnelllebiger Medien, Ringen um die Aufmerksamkeitsökonomie und einem meist einfachen „wir gegen die“ wichtiger denn je, um den Unterschied zu machen. Sie brechen mit konventionellen und einstudierten Demonstrationsformen und eröffnen neue Räume für Debatten, in denen Bürger*innen und Entscheidungsträger*innensowohl überrascht als auch herausgefordert werden. Die Aktionen bewegen sich in einem Grauzonenbereich zwischen legal und illegal. Meist sind sie von der Kunstfreiheit gedeckt.
Die „Salzburger Porsche-Tunnel Festspiele“ vom 15. bis 17. April 2025 und die darauf folgenden Aktionen zeigen exemplarisch, wie dieser Ansatz funktionieren kann: Mit einem Verweis auf die renommierten Salzburger Festspiele rückten Aktivist*innen das private Tunnelprojekt eines der reichsten und mächtigsten Österreicher auf die Bühne und erzielten damit sowohl lokale als auch internationale Aufmerksamkeit. Die Rede ist von Wolfgang Porsche.
Historischer Blick: Von Porsches Vermächtnis bis Zweigs Flucht
Wolfgang Porsche plant aktuell einen 500 Meter langen, zehn Millionen Euro teuren Privat-Tunnel von der Linzergasse direkt zu seiner Villa am Kapuzinerberg („Paschinger Schlössl“). Warum? Um sich den Weg mit dem Pöbel nicht teilen zu müssen. Eine einmalige Konzessionsgebühr von 40.000 Euro sollte genügen, um öffentliches Terrain zu privatisieren. Der ehemalige ÖVP-Bürgermeister Salzburgs Harald Preuner unterzeichnete diese Gefälligkeit im Hinterzimmer kurz vor dem Machtwechsel im Rathaus. Das hat natürlich einen besonderen Beigeschmack. Während kommunale Verkehrsplanung sich über Jahre hinweg mit Fußgängerzonen und Tempo-30-Zonen abmüht, Menschen sich die Mieten nicht mehr leisten können, wirkte dieses absurde Projekt wie ein Symbol purer Machtdemonstration.
Wolfgang Porsche ist Enkel des Kriegsverbrechers Ferdinand Porsche, jenem Konstrukteur des KdF-Wagens, dem Vorläufer des VW-Käfers. Im Oktober 2020 erwarb Wolfgang für 8,4 Millionen Euro die Stefan-Zweig-Villa am Kapuzinerberg – ein Ort, der für den jüdischen Schriftsteller mehr war als nur ein Wohnhaus. Laut unterschiedlichen Presseberichten symbolisiert der Kauf nichts Geringeres als die Rückkehr einer markanten Porsche-Dynastie in die Salzburger Altstadt. Für Stefan Zweig war das Anwesen „romantisch wie unpraktisch“, „unzugänglich für Autos und nur auf einem drei Jahrhunderte alten Kalvarienweg mit mehr als hundert Stufen zu erklimmen“.
Der weniger romantische Teil: Anfang 1934 durchsuchten austrofaschistische Polizisten die Villa nach vermeintlichen Waffen. Ein Schikaneakt, der Zweigs Entschluss zur Emigration beschleunigte. Er verkaufte die Villa weit unter Wert und musste Salzburg verlassen, um dem aufkommenden Nationalsozialismus zu entkommen. Vier Jahre später baut Ferdinand Porsche auf Einladung von Adolf Hitler unter Ausbeutung von 20.000 Zwangerarbeiter*innen die Vorzeigestadt der Nazis für Auto und Arbeit: Die Stadt des KdF-Wagens bei Fallersleben, heute besser bekannt als Wolfsburg. Dieses Kapitel macht den heutigen Protest umso brisanter: Ein Ort der Verfolgung und Flucht wird zum Schauplatz elitären Privilegs.
Zum hier und heute: Elemente der kreativen Inszenierung
Die Festspiele letzten Monat kombinierten klassische Protestformen mit subtilen Kunstgriffen: Es begann mit einer täuschend echte Website und Guerilla-Marketing. Tage vor dem Beginn ging “salzburger-porsche-tunnel-festspiele.at” online, flankiert von Plakaten und freien Eintrittskarten im typischen Festspiel-Look. Die Presse war überrascht von dieser Art der Kommunikation und machte dies auch immer wieder in Pressegesprächen deutlich. Am Dienstag, den 15. April gegen 4:39 Uhr tauchte an einem Baustellenkran am Kapuzinerberg auf dem Anwesen von Wolfgang Porsche plötzlich ein Banner auf. Dort war ein mit roter Linie durchgestrichenes Wort zu lesen: „Porsche-Tunnel“. Damit schwebte nun über den Dächern die Ansage der Aktionsphase: Porsche-Tunnel stoppen!
Mittags erklommen Aktivist*innen die Garageneinfahrt an der Linzer Gasse und entfalteten ein Transparent mit „Porsche-Tunnel stoppen“, um am Ort des Geschehens ein Zeichen zu setzen. Am Abend folgte eine öffentlich angekündigte als Versammlung angemeldete Fishbowl-Diskussion auf dem Stefan-Zweig-Platz, direkt vor der Einfahrt zum Kapuzinerberg, in der sich Bürger*innen, Fachleute und Politiker*innen gemeinsam zu dem Titel des Abends „Die Macht der Über-Reichen. Heute: Wolfgang Porsche“ austauschten.
Nach der intensiven Aktionsphase vom 15. bis 17. April nutzten Aktivist*innen am 10. Mai Porsches 82. Geburtstag für eine weitere Intervention am Müllner Steg direkt an der Salzach mitten in Salzburg: Mit Partykappen, Kuchen und ironischen Glückwünschen wurde das Thema Vermögensungleichheit visualisiert. Eine 600-Meter-Kreidelinie symbolisierte Porsches Vermögen, während das durchschnittliche österreichische Privatvermögen auf derselben Skala kaum ein Viertelzentimeter maß.
Wirkung auf Medien und Politik
Fast sämtliche österreichische Medien – bis auf die Salzburger Nachrichten – berichteten ausführlich über die kreativen Interventionen. Dazu kam noch ein Großteil des deutschsprachigen Raums, sowie viele weitere europäische Zeitungen. Das Schauspiel verbreitete sich viral in sozialen Netzwerken und setzte das Tunnelprojekt ins Rampenlicht.
Die SPÖ Fraktion und ganz besonders der amtierende SPÖ-Bürgermeister Bernhard Auinger gerät mehr und mehr unter Zugzwang, zumal Auinger als früheres Porsche-Betriebsratsmitglied in einem Interessenkonflikt steht. Die finale Abstimmung im Gemeinderat, ursprünglich für Mai terminiert, wurde auf Anfang Juni verschoben. Bei der letzten Gemeinderatssitzung wurde eine Petition mit über 16.000 Unterschriften übergeben, welche nochmals für viel mediale Aufmerksamkeit sorgte und die Salzburger Nachrichten titeln lies: „Bürgermeister zum Porsche-Tunnel in Salzburg: Ich bin kein Freund von Wolfgang Porsche.“
Erfolgsfaktoren und Übertragbarkeit auf andere Kontexte
Kreative Interventionen benötigen ein starkes Narrativ, niedrige Zugangshürden und mehrstufige Formate. Durch die Anlehnung an die Salzburger Festspiele entstand eine eingängige Metapher, die sofort verstanden wurde und sich medienwirksam verbreiten ließ. Die überraschende Mischung aus Kunst und Protest animierte Bürger*innen, selbst aktiv zu werden oder zumindest positiv gestimmt zuzuschauen. Vom Bannerdrop über Diskussionen bis hin zu Film-Abenden verband die Aktion verschiedene Ebenen – physisch, diskursiv und digital.
Und Salzburg ist kein Einzelfall: Weltweit ringen Städte um öffentlichen Raum, Klimagerechtigkeit und Transparenz. Überall gibt es konkrete Kämpfe, in denen wir den Unterschied machen können. Kreative Interventionen bieten einen Baukasten, um lokal Wirksamkeit zu entfalten.
Kreativer Widerstand als Blaupause
Die „Salzburger Porsche-Tunnel Festspiele“ demonstrieren eindrucksvoll, wie kreative Protestformen Diskurse befeuern und politischen Druck aufbauen können. Sie vereinen künstlerische Kreativität mit aktivistischem Eifer und schaffen so eine Plattform, die weit über klassische Demos hinauswirkt, um die Städte als Bühnen des Protests zu begreifen. Ob Salzburg den Tunnel tatsächlich kippt, steht noch aus. Doch eines ist klar: Diese Form des kreativen Widerstands kann als Blaupause dienen – für zivilgesellschaftliche Interventionen, in der öffentliche Räume wieder zu Orten gemeinsamer Gestaltung werden. Wenn der private Porsche-Tunnel nicht von der SPÖ gestoppt wird, müssen wir das halt selber tun. Denn überall wo die Politik schläft, gilt es aktiv zu werden und Banden zu bilden – kreativ & subversiv.
Bisher ist sich SPÖ-Bürgermeister Auinger noch sicher, dass all das das Verfahren nicht beeinflussen würde. Er fügt hinzu: „Recht ist vielleicht nicht immer gerecht“. Da bleibt nur mit Bert Brecht zu antworten: „Wenn Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht“.
Foto: Salzburger Porsche-Festspiele

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