Bau-Holz-Gewerkschaftsvorsitzender Josef Muchitsch ist für das rot-blaue „Experiment“ im Burgenland. Seine Meinung teilen auch die Chefs der steirischen Arbeiterkammer und des steirischen ÖGB. Selbst einige Linke in der SPÖ begrüßen diesen Kurs. Eine verzweifelte, aber falsche Reaktion auf den großkoalitionären Kurs der SPÖ, meint mosaik-Redakteur Josef Falkinger.
Die SPÖ hat mittlerweile in erschütterndem Ausmaß den Draht zu den ArbeiterInnen verloren. 62 Prozent wählten in der Steiermark FPÖ, 18 Prozent SPÖ. Und das bezieht sich nur auf jene, die tatsächlich wählten. Mehr als ein Drittel der Wahlberechtigten ging gar nicht erst zur Urne. Wahlanalysen zeigen: Die SPÖ kann Menschen nicht mehr ansprechen, die mit Sorge in die Zukunft blicken. Ohne die PensionistInnen wäre das Ergebnis für die SPÖ noch schlimmer. Klar ist: Es kann so wie bisher nicht mehr weiter gehen. Viele GewerkschafterInnen fragen völlig zu recht: Welche Alternativen gibt es zur Koalition mit der ÖVP? Und: Wie gewinnen wir die ArbeiterInnen als WählerInnen zurück?
Rot-Blau ist keine Lösung
Die SPÖ hat das Vertrauen von ArbeiterInnen verloren, weil sie an der Macht klebt, ohne etwas Grundlegendes für sie herauszuholen. Weil sie mehr auf die Ratings der Finanzmärkte schaut als auf die Interessen der Leute. Wieso aber sollte sich dieses Grundproblem unter Rot-Blau ändern? In Wirklichkeit ist Rot-Blau nur eine Fortsetzung dieses Übels: Sesselkleben ohne grundlegend etwas zu verändern. Die FPÖ schließt Vermögens- und Erbschaftssteuern aus. Niemand wird ernstlich glauben, mit der FPÖ eine 35-Stunden-Woche durchsetzen zu können.
Das ist aber nicht alles: Wenn wir uns ehrlich sind, müssen wir uns eingestehen, dass auch die SPÖ-Spitze für eine echte sozialpolitische Wende nicht bereit ist – sei es nun mit Schwarz oder mit Blau als Koalitionspartnerin. Wie denn auch? Sie möchte die Macht der Finanzmärkte eingrenzen und gleichzeitig von eben denselben geliebt werden. Sie möchte das Investitionsklima verbessern und gleichzeitig eine Wertschöpfungsabgabe einführen. In Frankreich regiert die Sozialdemokratie allein und macht neoliberale Politik. Und da wären wir wieder beim Grundproblem.
Ausgrenzung
KollegInnen wie Josef Muchitsch sitzen einem Irrtum auf. Nicht die Ausgrenzung der FPÖ ist die Ursache ihres Aufstiegs. Die Ausgrenzung der ArbeiterInnen in unserer Politik ist die Ursache. Würden wir Politik für die ArbeiterInnen machen, gäbe es keine starke FPÖ. Jetzt den Draht zu den ArbeiterInnen kitten zu wollen, indem man die FPÖ in die Regierung holt, ist geradezu grotesk. Es mutet an wie ein Eingeständnis, die ArbeiterInnen gar nicht mehr selber ansprechen zu können. Sie müssten gleichsam jetzt durch die FPÖ repräsentiert werden. Völlig übersehen wird, dass die FPÖ von ihrer ganzen elitären und autoritären inneren Struktur her die ArbeiterInnen gar nicht repräsentieren kann. Rot-Blau bedeutet, dass die Ausgrenzung der FPÖ aufhört, ohne die Ausgrenzung der ArbeiterInnen zu beenden, ob diese nun rot, blau oder gar nicht mehr wählen.
Wie das Vertrauen der ArbeiterInnen wirklich gewonnen werden kann, zeigt beispielsweise Andreas Babler, Bürgermeister von Traiskirchen. Indem er ohne Rücksicht auf „die da oben“, ob sie nun schwarz oder rot sind, die Sorgen und Interessen der einfachen Leute verfolgt: kompromisslos. Faymann und Mikl-Leitner fordert er beide zum Rücktritt auf. Leute wie Andreas Babler sind aber die absolute Ausnahme.
Es sieht nicht gut aus für die SPÖ
Das Traurige an der aktuellen Situation der SPÖ ist, dass die erste größere innerparteiliche Kritik an ihrer Politik in die völlig falsche Richtung geht. Das ist ein ernstzunehmendes Symptom. Es zeigt, wie weit die Kultur des Machterhaltes und des Weiterwurstelns bereits in die mittlere und untere Ebene hinuntergesickert ist. Mit Losungen wie „Keinen Pfennig für dieses System“ wurde die Sozialdemokratie unter August Bebel zum unangefochtenen Champion der ArbeiterInnen. An einen kompromisslosen Oppositionskurs mit breiten Mobilisierungen der Gewerkschaften scheint aber niemand zu denken. Damit bleibt die einzige Möglichkeit, die ArbeiterInnen zurückzugewinnen, tabu. Der Preis ist zu hoch, meinen die meisten und verweisen auf Schwarz-Blau. Aber kann es für die SPÖ einen höheren Preis geben als den Verlust ihrer KernwählerInnenschicht?
Warten ist keine Perspektive
Müssen wir jetzt auf eine zukünftige Erholung und Veränderung der SPÖ in der Opposition hoffen? Müssen wir warten, bis sich endlich irgendwann doch ein linker Flügel herausbildet? Warten kann keine Perspektive sein – auch deshalb, weil das Erhoffte vielleicht nie eintreten wird. Ein Blick auf andere Staaten Europas zeigt, dass die Sozialdemokratie auch in der Opposition und trotz schlimmer Wahlniederlagen nicht zu ihren Wurzeln zurückkehrt. In Spanien und Griechenland wurde sie von neuen linken Kräften an den Rand gespült. Kräfte, die anders als in Österreich den Unmut der Bevölkerung und speziell der ArbeiterInnen gegen das „System“ in eine gesellschaftsverändernde Bahn lenken.
Vieles deutet darauf hin, dass es auch in Österreich eine neue Linkspartei braucht, um ein wirkliches Gegengewicht zu den rassistischen Hetzern der FPÖ zu schaffen, um sozialdemokratische Grundwerte wie Freiheit, Gleichheit und Solidarität mit neuem Leben zu füllen.
Neue Linkspartei?
Aber die Perspektive einer Linkspartei ist mit Fragezeichen behaftet. Es gibt hier beispielsweise keine Massenbewegung gegen Delogierungen wie in Spanien. Das größte Fragezeichen ist aber, ob die österreichische Linke schafft, was die Sozialdemokratie offensichtlich nicht mehr schafft: ArbeiterInnen für sich zu gewinnen. Bisher wurden Linke in Österreich von ArbeiterInnen oft als moralisierende StudentInnen wahrgenommen, die sich für alles einsetzen, nur nicht für ihre Interessen. Als Leute, die von oben herab mit einem Zeigefinger auf sie zeigen: Du bist ausländerfeindlich, weil du Angst vor zunehmender Migration hast; du bist sexistisch, weil du gegen gegenderte Schulbücher bist; du versaust die Umwelt mit deinem Auto und schaust Hollywood-Filme.
Wenn es Linken nicht in Wort und Tat gelingt, den kompromisslosen Kampf für die Interessen der ArbeiterInnen, Angestellten und Arbeitslosen ins Zentrum zu stellen, wird der Rechtspopulismus weitere Triumphe feiern. Die erste Gelegenheit wären die Auseinandersetzungen im Gesundheits- und Sozialbereich.
Josef Falkinger ist Ökonom und Stellvertretender Vorsitzender der FSG (Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen) Statistik Austria.