Der 6. Februar hätte ein globaler Aktionstag für Maskulinisten werden soll – so die Idee des selbsternannten Neo-Maskulinisten und ehemaligen Pick-up Artist “Roosh V”. Proteste von Österreich bis Australien haben die auch in Wien geplanten Treffen nun (vermutlich) verhindert. Ist Roosh V ein “Vergewaltigungs-Aktivist”?
Der Fall Roosh V erinnert unweigerlich an Julien Blanc: Ende 2014 tingelte der “Pick-up Artist” mit seinen Aufreißer-Seminaren durch die westliche Welt – sein Name war vor allem Männern in einschlägigen Kreisen bekannt. Doch dann postete Blanc ein Video, in dem er Japanerinnen als Frauen darstellte, die Mann sich nur (gewaltsam) zu nehmen brauche. Eine durch eine feministische Aktivistin losgetretene Protestwelle rollte über Blanc hinweg, Medien bezeichneten ihn als den “most hated man in the world” (Übersetzung: “den meist gehassten Mann der Welt”).
Gewaltvolle Gedankenexperimente
Der aktuelle Proteststurm gegen Roosh V bzw. Roosh Valizadeh wurde durch einen Blog-Beitrag ausgelöst – auch wenn er diesen bereits vor einem Jahr gepostet hatte. In “How To Stop Rape” (Übersetzung: “Wie Vergewaltigungen stoppen”) stellte er die Forderung auf, Vergewaltigung auf Privatgrund zu legalisieren. Mittlerweile behauptet Valizadeh zwar, der Beitrag sei als reine Satire zu verstehen, doch verschiedene Videos (z.B. das Interview mit dem reaktionären Vice-Mitbegründer Gavin McInnes) legen Gegenteiliges nahe. Vermutlich hatte er tatsächlich nie vor, mit dieser frauenverachtenden und menschenrechtswidrigen Forderung ernsthaft eine politische Kampagne zu starten, aber der von ihm selbst als “Gedankenexperiment” bezeichnete Text gibt Einblick in sein krudes Weltbild, das sich nahtlos in aktuelle rechtspopulistische Bewegungen einfügt und von einer tief verwurzelten Frauenverachtung geprägt ist. Vergewaltigung auf Privatgrund zu legalisieren würde Frauen davor schützen, betrunken einem Mann in dessen Schlafzimmer zu folgen, meint Roosh V. Eine solche Geisteshaltung wird als “Victim Blaming” bezeichnet: Wenn eine Frau freiwillig – und vielleicht auch noch betrunken – mit einem Mann nach Hause geht oder nachts im Minirock auf der Straße unterweg ist, ist sie an potenziellen Übergriffen selbst Schuld.
Gestörte patriarchale Ordnung
Valizadeh geht aber noch weiter: Frauen in westlichen Staaten wie den USA, Kanada oder Australien seien vom Feminismus verdorben und weit vom “femininen Ideal” entfernt. Frauen, die Roosh V hingegen in seinem “neomaskulinistischen” Konzept wertschätzt, kommt die Rolle der schönen, “fruchtbaren” und unterwürfigen Ehefrau und Mutter zu, die ihren Mann umsorgt (“A woman’s value significantly depends on her fertility and beauty”). Bedroht sieht er diese vermeintlich natürliche Ordnung durch Feminismus, Political Correctness, Linke, Transgender-Personen, Sozialstaat und die Medien, die sich als Erfüllungsgehilfen der politischen Elite zur Verfügung stellen würden. Die Nähe zu rechten Bewegungen und den Kämpfer_innen gegen die politische Korrektheit zeigt sich hier eindrücklich, ebenso zum Credo, das in maskulinistischen Foren in den Untiefen des Internets seit langem geschmiedet wird: Heterosexuelle weiße Männer seien gegenwärtig die wahre marginalisierte Gruppe.
Heterogene Szene
Einen Einblick in die Denkweisen und Strategien dieser Bewegung gibt unter anderem Hinrich Rosenbrock in seiner Studie “Die antifeministische Männerrechtsbewegung”, in der er sich auch mit den deutschsprachigen maskulinistischen Foren im Netz auseinandersetzt. Diese sind ganz zentral für die Vernetzung etwa von Väterrechtlern, die sich meist als Opfer einer Scheidung begreifen. Pick-up-Foren und -Seminare setzen früher an: Dort treffen sich Hetero-Männer, die auf der Suche nach einer Frau oder schnellem Sex sind. Die Szene ist keineswegs homogen: Selbsternannte Dating-Gurus verdienen ihr Geld mit Aufreiß-Tipps, die zwar meist auf biologistischen Konzepten (“Frauen wollen genetisch bedingt einen starken Mann”) basieren, aber keine maskulinistische Agenda beinhalten; andere wiederum verbinden die Pick-up-”Kunst” mit Frust und Frauenhass. Roosh V startete selbst als “Pick-up-Artist”, reiste nach Dänemark, Polen oder die Ukraine und veröffentlichte dann Bücher wie “Bang Poland” im Selbstverlag. Dass Hetero-Männer sich um Frauen bemühen müssten, war für ihn dabei ein Übel: Früher hätten Frauen, so schreibt Roosh, den ersten “ordentlichen” Mann geheiratet und wären für vorehelichen Sex – zurecht – verurteilt worden. Heute hingegen könnten sie selbst so wie Männer promiskutiv – “Schlampen” – sein und ihre potenziellen Partner nach dem Aussehen oder dem sozialen Status bewerten. All das fasst Roosh als weiteres Indiz für den Untergang der westlichen Welt auf, in der der weiße heterosexuelle Cis-Mann sein Status als unhinterfragbare Norm und Autorität zunehmend verliert.
Wo ist die emanzipatorische Männerbewegung?
Dass Roosh V nicht einfach als Spinner abgetan werden kann, dem man keine weitere Beachtung zu schenken braucht, zeigen nicht nur die vielfältigen Formen, in denen seine Thesen gegenwärtig auftauchen, sondern auch die Anzahl seiner Fans. Der heutige Aktionstag hätte dazu dienen sollen, sie aus dem Netz heraus in die persönliche Vernetzung zu führen – Roosh V hatte aber die Sicherheit seiner Anhänger (eingeladen waren nur heterosexuelle Männer) nicht mehr garantieren können. Die Attacken gegen ihn bezeichnet er als unfair und lächerlich, gerade Deutschland habe mit der “Migrant Crisis” und den Ereignissen in Köln andere Probleme (ja, Roosh unterstützt Donald Trump).
Es ist an der Zeit, dass profeministische Männer lauter werden und sich gegen Maskulinisten stellen, die eine toxische Rape Culture befördern und mit ihren frauenverachtenden (und oft auch homophoben und rassistischen) Thesen vorgeben, für alle Männer zu sprechen.
Brigitte Theißl ist Journalistin und Aktivistin und bloggt unter www.denkwerkstattblog.net.
Heute findet in Wien um 19:30 findet die Gegenveranstaltung “Gegen Sexismus und sexualisierte Gewalt gegen Frauen*- ‘Pick-up Artists’ blockieren” beim Omofuma Denkmal trotz vermeintlicher Absage statt.