Der Film „Rise Up“: Leben zwischen Hoffnung und Ohnmacht

Demonstrierende mit Schild "Power to the People"

Im Film „Rise Up“ sprechen fünf Aktivist*innen aus unterschiedlichen Bewegungen über Politisierung, Hoffnungslosigkeit, Kollektivität und den Glauben an eine bessere Welt.

Der Film „Rise Up“ präsentiert sich im Spannungsfeld zwischen Bemühungen um eine gerechtere Gesellschaft und der Kapitulation vor der alles durchdringenden kapitalistischen Normalität. Die darin wurzelnde Zerrissenheit ist keine fremde Situation für die im Film zu Wort kommenden Aktivist*innen. Sie stammen aus der kurdischen Bewegung in Rojava, der Anti-Apartheid-Bewegung in Afrika, der linken Opposition in der DDR, der feministischen Revolte in Chile und der Genossenschaft „Cooperation Jackson“ in den USA.

Keine brennenden Barrikaden

Zu Beginn zeichnet „Rise Up“ das Bild einer düsteren Gegenwart: Im Lockdown wurde vielen Menschen erstmals bewusst, dass das, wofür sie sich jeden Tag abrackern, im Grunde gar nicht gebraucht wird. Als unentbehrlich erwiesen sich dagegen Menschen, die meist mit niedrigen Löhnen und schlechten Arbeitsbedingungen konfrontiert sind. Geändert hat sich durch diese Erkenntnis nichts. Dass der Großteil unserer Lebenszeit direkt in die Erzeugung von Profit fließt, ist weiterhin vermeintlich alternativloser Normalzustand. Ein Normalzustand, der die Demokratie langsam zersetzt und das Klima vergiftet. Belächelt werden nicht jene, die diesen Zustand rechtfertigen, wie etwa hoch angesehene Politiker*innen oder renommierte Wirtschaftsexpert*innen, sondern die Personen, die an Alternativen arbeiten.

Wie kann es also sein, fragt sich eine erzählende Stimme, dass die Straßen nicht hell erleuchtet sind von brennenden Barrikaden? Der Grund dafür wurzele in einem Wirtschafts- und Gesellschaftssystem, das sich auf das Wüten der Märkte und das Recht des Stärkeren berufe. Die Strategie, mithilfe derer eine auf Ungerechtigkeit basierende Gesellschaftsstruktur verschleiert wird, laute: Vereinzelung. Und es ist die Vereinzelung, die das Fundament für die Entstehung politischer Ohnmacht bildet und großflächigen Widerstand aushebelt.

„Der Mensch, der das Weltall bereist, Krankheiten besiegt und Teilchenbeschleuniger baut, steht nachts auf einer Straße und schaut gebangt in das größer werdende Scheinwerferlicht.“

Zitat der erzählenden Stimme

Institutionen retten uns nicht

Kali Akuno organisiert sich in der Genossenschaft „Cooperation Jackson“ in den USA. Er betont, dass demokratische Institutionen in den Händen der Herrschenden liegend vor allem damit beschäftigt seien, progressive Ideen zu vereinnahmen und abzustumpfen. So bestehe keine Gefahr mehr für das System. Marlene Sonntag von der kurdischen Bewegung beobachtet ähnliche Dynamiken. Ist eine alternative Gestaltung der Gesellschaft nicht nur machbar, sondern wie in Rojava bereits im Entstehen, wollen herrschende Strukturen diese entweder integrieren oder zerstören. Gelinge die Vereinnahmung nicht gewinne linke Politik an Zustimmung, würden Liberale, so Kali Akuno, selbst mit Rechten kooperieren. Dabei würden sie auch Faschismus in Kauf nehmen, um die Welt der Märkte zu schützen. Einzelne Verkörperungen dieser kapitalistischen Verhältnisse wie z.B. Piñera oder Trump zu kritisieren, bringe nicht viel, so Camila Cáceres von der feministischen Revolte in Chile. Der Widerstand müsse sich gegen das System richten, das diese Charaktere ermögliche.

„Christliche Milizen, rechtsextreme Amokläufer, autoritäre Politiker mit Großreichfantasien – sind sie der Soundtrack zu einer Welt der Märkte?“

Zitat der erzählenden Stimme

Leben in verwirklichten Utopien

Was den Aktivist*innen Zuversicht gibt, ist ein Blick in die Geschichte. Denn diese zeigt: Ob es sich nun um Wochenende, Gesundheitsversorgung, das Wahlrecht für Frauen oder den Kampf gegen die Sklaverei handelt – was heute Vielen als Selbstverständlichkeit erscheint, galt lange Zeit als naive Sozialromantik. Dass wir heute in einer Welt voller verwirklichter Utopien leben, wird durch die Entkoppelung von Politik und Alltag gekonnt verschleiert. Veränderungen erfolgen allerdings nicht durch zuvorkommende Politiker*innen oder den ausschließlichen Gang zur Wahlurne alle paar Jahre. Errungenschaften werden erkämpft – mittels Streiks, Blockaden, Aufständen, Protestaktionen und vor allem gemeinsamer Organisierung.

Von Einzelnen zu Verbündeten

Der Film wirft die Frage auf, ob häufig als Flausen abgestempelte Wünsche wie ehrenamtliches Engagement zu betreiben oder mehrere Berufe erlernen zu wollen, nicht auf ein menschliches Grundbedürfnis verweisen: Nämlich nicht nur an der Welt teilhaben zu dürfen, sondern sie gemeinsam gestalten zu wollen. Hilfe und Kooperation wären dann nicht nur eine Gefälligkeit, sondern ein gemeinsamer Pakt, auf dem die Wirtschaftsordnung basiere. In einer solidarischen Welt könnten Konkurrent*innen zu Verbündeten werden. Das Potenzial zur Veränderung, das sich durch Zusammenarbeit, Zeit und Mut ergibt, wäre enorm.  

„Rise Up“ erhebt nicht den Anspruch, eine endgültige Antwort auf die brennenden Fragen der Gegenwart zu geben. Stattdessen macht sich der Film gemeinsam mit den Aktivist*innen auf die Suche nach Möglichkeiten, der scheinbar alles umfassenden Ohnmacht entgegenzutreten. Zuversicht zieht der Film dabei sowohl aus der Geschichte als auch aus aktuellen Kämpfen und der Angst, die Herrschende zunehmend umtreibt. Der Film verlässt das in liberalen Demokratien gängige Narrativ, wonach tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen ausschließlich in Parlamenten stattfänden. Das Wahlrecht ist hier nicht mehr die einzige Möglichkeit politischer Partizipation. Vielmehr zeigt der Film durch seinen Rückgriff auf historische Lehren, dass insbesondere jene, die für ihre vermeintlich utopischen Forderungen zunächst belächelt wurden, am Ende Recht behalten sollten.

„Ich glaube an die Revolution, denn ich sehe sie in der Geschichte“

Camila Cáceres, feministische Revolte Chile

Das Crossroads Festival in Graz

Von 25. Mai bis 4. Juni findet in Graz das Crossroads – Festival für Dokumetarfilm und Diskurs statt. Als Teil des Schwerpunkts People Power wird „Rise Up“ am 28. Mai im Forum Stadtpark gezeigt, das passend zur Thematik aktuell als „Festung Ohnmacht“ fungiert und sich in zahlreichen Veranstaltungen mit Ohnmacht im Kontext von Klima, Patriarchat oder Wohnen auseinandersetzt. Im Anschluss an die Filmvorführung findet ein Gespräch mit Aktivist*innen aus unterschiedlichen Grazer Bewegungen und Initiativen statt. Weitere Themenschwerpunkte des Crossroads sind Harvesting Hope (25. Mai und 2.-4. Juni), Feminism for Everybody (26. bis 27. Mai), Earth Defenders (30. bis 31. Mai) und Animals <> Humans (1. Juni). Der Eintritt zu allen Veranstaltungen ist frei.

Foto: Mika Baumeister

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